Nach über 100 Jahren Bewegtbild ist es fast ein Ding der Unmöglichkeit, das Publikum noch zu überraschen, Geschichten zu erdenken, wie es sie noch nie gab. Denn mittlerweile gab es doch einfach alles, irgendwie. Oder? Nun, nicht ganz. Der einst als Musiker unter dem Namen Mr. Oizo bekannt gewordene Quentin Dupieux nimmt seit einigen Jahren nämlich auch auf dem Regiestuhl Platz – und erinnert uns mit seinen Filmen regelmäßig daran, dass dem Kino praktisch keine Grenzen gesetzt sind. Und wenn doch, haben wir sie noch lange nicht erreicht.
Wer also Spaß daran hat, wenn Realität, Traum und Film miteinander verschwimmen („Reality“) oder wenn es mal kein maskierter 08/15-Meuchelmörder ist, der auf die blutige Jagd geht, sondern ein Autoreifen („Rubber“) oder eine Lederjacke („Monsieur Killerstyle“) vor sich hin metzeln, sollte unbedingt auch den neuesten Geniestreich des französischen Regie-Exzentrikers auf dem Schirm haben: Nach zwei vollen Jahren fand „Eine Fliege kommt selten allein“ jetzt endlich den Weg in die Heimkinos! Der Film feiert am 8. Dezember 2022 seine hiesige Heimkino-Premiere als Limited Edition im Mediabook inklusive DVD und Blu-ray, parallel erscheint der Film aber auch als Stream:
» "Eine Fliege kommt selten allein": DVD & Blu-ray* / Prime Video*
Für die vielen Filmfans mit einem Faible für abseitige Kost hat das Warten also endlich ein Ende. Nachdem der Film bereits im September 2020 – damals noch unter seinem Originaltitel „Mandibules“ – seine hiesige Festival-Premiere im kleinen Kreis feierte, gibt es das kurzweilig-abstruse Unikat von einem Film nun endlich auch ganz offiziell für zu Hause. Ihr habt mal wieder Bock auf „etwas Anderes“ fernab des gewohnten Kino-Einheitsbreis? Dann solltet ihr den neuen Dupieux-Film ganz weit oben auf eure Watchlist setzen…
"Eine Fliege kommt selten allein": Ein Film wie kein anderer
Während der deutsche Titel des Films noch an beliebte Klassiker der US-amerikanischen Film- und TV-Landschaft wie „Ein Duke kommt selten allein“ oder „Ein Zwilling kommt selten allein“ erinnert und damit eine gewisse Massentauglichkeit suggeriert, stellt „Eine Fliege kommt selten allein“ schnell klar, dass die Verwandtschaft zu derart berühmten Hollywood-Produktionen beim Titel endet.
Alleine schon die Laufzeit von knackigen 77 Minuten zeigt, dass Dupieux konsequent nach seinen eigenen Regeln spielt – und so auch gar nicht daran denkt, den aktuellen in der Traumfabrik praktizierten Trend zur Überlänge mitzumachen. Oder irgendeinen anderen Trend. Dupieux beugt sich keinerlei Konventionen, genau das macht seine Filme auch so erfrischend.
Der Plot von „Eine Fliege kommt selten allein“ dreht sich um die beiden Kleinkriminellen Jean-Gab (David Marsais, „Die verrückte Reise von Max & Leon“) und Manu (Grégoire Ludig, „Die Wache“), die nicht gerade die hellsten Kerzen auf der Torte sind. Als die beiden eines Tages ein Auto klauen, in dessen Kofferraum sie eine gewaltige Fliege entdecken, kommt ihnen so auch die semi-brillante Idee, das Rieseninsekt (das sie übrigens auf den Namen Dominique taufen) abzurichten und künftig für Überfälle zu nutzen. Als ihnen dann allerdings auch noch der Sprit ausgeht, haben sie Glück im Unglück: Sie treffen auf Cécile (India Hair), die Manu mit einem alten Schulfreund verwechselt – und damit geht das große Chaos erst so richtig los…
In Erinnerung bleibt der Film – Dupieux-typisch – vor allem mit allerhand skurrilen Ideen, mit denen er seine Geschichte anreichert. Da hätten wir etwa David Marsais und Grégoire Ludig als ebenso sympathisches wie grenzdebiles, vom Unglück verfolgtes Gaunerduo und natürlich die titelgebende Fliege, die im Zuge ihrer Ausbildung zum ultimativen Bankräuber für reichlich Lacher sorgt. Über zwei Jahre nach seinem Kinobesuch kann der Autor dieses Artikels (in dessen Jahres-Top-10 „Eine Fliege kommt selten allein“ übrigens einen Platz ganz weit vorne hat) aber bestätigten, dass sich eine andere Sache noch stärker ins Gedächtnis brennt – oder besser gesagt schreit – als alles andere.
Die vor allem aus dem Arthouse-Juwel „Blau ist eine warme Farbe“ bekannte Adèle Exarchopoulos gibt als Petztante, die sich seit einem schweren Unfall nur noch schreiend ausdrücken kann, buchstäblich in jeder Szene den Ton an, in der sie was zu tun kriegt. Und zwar lauthals. Das ist natürlich alles andere als politisch korrekt, aber eben trotzdem „zum Schreien komisch“, wie unser Chefkritiker Christoph auch schon in der FILMSTARTS-Kritik zu „Eine Fliege kommt selten allein“ festhielt.
Und genau das macht „Eine Fliege kommt selten allein“ auch so besonders: Er lässt nicht nur eine Zwerchfellattacke nach der anderen auf sein Publikum los, sondern macht ihm danach auch noch ein schlechtes Gewissen! Egal. Eine Fortsetzung, in der Dominique ihre Bankräuber-Karriere startet, würden wir dennoch nur zu gerne sehen…
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