+++ Meinung +++
Es ist stets ein Jammer, wenn gute Filme floppen, weil sie nicht dem Zeitgeist entsprechen. „Crimson Peak“ ist ein solcher Film: Nicht hart genug, um die Gewaltsüchtigen unter den Horrorfans zu befriedigen. Zu sehr an schwelgerischen Emotionen orientiert, statt an intellektuellen Gesellschaftskommentaren, um als „Elevated Horror“ ein ansonsten nicht Genre-affines Publikum anzusprechen. Und die Freakshow, die sich Teile des Publikums von Guillermo del Toro erhofften, bot „Crimson Peak“ auch nicht wirklich – da bekam „Shape of Water“ zwei Jahre später mit seiner Monster-Erotik schon eher die entsprechende Mundpropaganda.
Selbst das Staraufgebot rund um Tom Hiddleston („Loki“), Jessica Chastain („X-Men: Dark Phoenix“) und Charlie Hunnam („Sons Of Anarchy“) half dem Film nicht: Bei einem Budget von 55 Millionen Dollar spielte der romantische Grusel 2015 etwas weniger als 75 Millionen Dollar ein.
Am heutigen Freitag, am 9. Dezember 2022 um 22.00 Uhr, läuft „Crimson Peak“ auf ZDFNeo. Solltet ihr die TV-Ausstrahlung verpassen, könnt ihr den Film bei Anbietern wie Amazon als VoD streamen oder auch als DVD/Blu-ray bestellen.
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„Crimson Peak“ ist jedenfalls viel besser, als sein schwaches Kinoergebnis vermuten lässt. Denn Guillermo del Toro ist mit diesem opulent ausgestatteten Film eine wunderbare Gothic Story gelungen.
Darum dreht sich "Crimson Peak"
Die von einer Karriere als Schriftstellerin träumende Edith Cushing (Mia Wasikowska) weiß seit ihrer frühesten Kindheit: Geister existieren! Denn einst hatte sie Kontakt mit ihrer verstorbenen Mutter, die sie vor Crimson Peak warnte. Diese Warnung erschließt sich Edith erst im Erwachsenenalter, nachdem sie dem geheimnisvollen Sir Thomas Sharpe (Tom Hiddleston) verfiel, den ihr Vater (Jim Beaver) sowie ihr Kindheitsfreund Dr. Alan McMichael (Charlie Hunnam) verachten.
Denn der Adelige führt Edith in sein heimisches England, wo sie zusammen das große, düstere Anwesen beziehen, in dem Sir Thomas zuvor allein mit seiner Schwester Lucille (Jessica Chastain) lebte. Der Grund und Boden, auf dem sich das Anwesen befindet, wird gemeinhin Crimson Peak genannt. Und neben der unnahbaren, missgünstigen Lucille warten dort verstörende Geistererscheinungen und nicht minder schreckliche Geheimnisse…
Gotisch, romantisch, schauderhaft
Guillermo del Toro und der für „Crimson Peak“ mitverantwortliche Autor Matthew Robbins breiten hier vor ihrem Publikum eine dramatisch-sehnsuchtsvolle Gothic Romance aus. Und das in zwei Facetten zugleich: Mit dem galant-dunklen Pathos ausgestattet, das unter anderem Hitchcocks „Rebecca“ oder solche Brontë-Verfilmungen wie „Die Waise von Lowood“ ausmacht, geht es um eine Liebesbeziehung, die überdeutlich einem fatalen Ende geweiht ist. Gehüllt wird dies aber in das geisterhafte, betörend-schaurige Gewand, das frühe Gruselklassiker populär machte, vor allem klassischen Universal-Horror wie die kultgewordenen Adaptionen von „Dracula“ oder „Frankenstein“, die viel Herz für ihre grotesken Gestalten haben, und mindestens so sehr von unerfüllter Sehnsucht handeln wie von Angst und Schrecken.
Aber del Toro wäre nicht del Toro, würde er reine Hommagen aneinanderreihen. Er adaptiert die gotische, zum Scheitern verdammte Romanze neu, indem er mit schonungsloser Direktheit die Tabus anspricht, die im alten Hollywood bestenfalls scheu angedeutet wurden. Zugleich verhärtet er den Horror mit sporadischen Schreckeffekten und rar gesäten, sehr akzentuiert eingesetzten, ekelig-blutig-expliziten Todesszenen.
Während die Geistererscheinungen leider ab und zu in wackligen Computereffekten auf uns und Edith einprasseln, begeistert „Crimson Peak“ sonst mit einer haptischen, ausschweifenden, detailreichen Ausstattung mit berückend-verfallenen Kulissen sowie filigran-fiesen Kostümen. Man kann sich förmlich in den Schauplätzen des Films verlieren – und würde es, ganz gleich wie abschreckend sie wirken, glatt auch wollen. Denn del Toros Liebe zum Abseitigen trieft ebenso sehr aus jeder Pore des Films, wie der blutrote Ton aus der Erde des titelgebenden Anwesens schwitzt.
Garstig, inbrünstig, sehnsüchtig
In dieser sehr atmosphärischen, makaber-sinnlichen, zugleich verrottenden Welt spielt vor allem Jessica Chastain brillant auf. Die zweifach Oscar-Nominierte, die wenige Jahre nach „Crimson Peak“ in ihrer „X-Men: Dark Phoenix“-Schurkenrolle leider ungeheuerlich blass blieb, glüht förmlich als von Eifersucht zerfressene, gallig-garstige Lucille, die Edith mit einer brodelnden Inbrunst verabscheut und Thomas unangenehm nahe steht. Der wiederum ist mit Tom Hiddleston ideal besetzt worden.
Es ist natürlich ziemlich naheliegend, den Loki-Darsteller als oberflächlich-eleganten, aber auch überdeutlich unehrlichen, Unheil versprechenden Herren von (Unter-)Welt zu besetzen – aber er füllt dieses Rollenschema einfach zu gut aus, um sich darüber zu beschweren. Und „Alice im Wunderland“-Mimin Mia Wasikowska hält den ganzen Film zusammen:
Man kauft ihr ab, dass sie Sir Thomas trotz der klaren Warnzeichen verfallen ist, und hat Verständnis dafür, wieso sie sich als von einer engstirnigen Gesellschaft missachtete Frau in die Gesellschaft unangenehm enger Geschwister flüchtet. Doch statt als Edith hilflos und orientierungslos in ihr Verderben zu stolpern, lässt Wasikowska aus der scheuen Edith sukzessive eine mutigere Protagonistin werden, die sich vorsieht und für sich einsteht. Und anders als bei Burtons „Alice im Wunderland“ ist dieses Wachstum bei „Crimson Peak“ glaubhaft skizziert.
„Crimson Peak“ macht Lust auf dunkelromantischen, klassischen Horror und auf behutsame Modernisierungen von Genreklassikern. Er kitzelt mit seinen wenigen, aber harten Gewaltspitzen Blutlust wach. Und er weckt den Wunsch, nach noch mehr Schauergeschichten mit so dermaßen gut geschriebenen Frauenrollen.
Wegen absurder Fragen: "Wednesday"-Macher musste Tom Cruise aus einem seiner besten Filme streichen!Dies ist eine Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.
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