Jeff Wadlow wollte eigentlich einen Film über Lügner machen und dabei das Thema Lüge und Wahrheit ausloten; stattdessen wurde sein Horror-Thriller „Cry Wolf“ dann aber doch nur Teenie-Slasher light: Wenig Neues, wenig Spannung, wenig Pfiff. Die eigentlich interessante Grundidee verliert sich schnell in Genre-Einfallslosigkeiten. Doch selbst Liebhaber dieser Filmrichtung werden aufgrund des unglaublich geringen Body-Counts und der relativen Spannungslosigkeit kaum auf ihre Kosten kommen.
Der pubertierende Owen (Julian Morris) musste schon häufiger die Schule wechseln. Sein Daddy hat es aber gemanagt, dass er eine weitere Chance in einer elitären Privatschule, der Westlake Preparatory Academy, erhält. Dort soll er den letzten Schliff fürs College bekommen. Als Owen in der Schule ankommt, steht das Lernen allerdings im Hintergrund, denn das Leben in Westlake Preparatory Academy ist überschattet vom Tod eines jungen Mädchens aus der Umgebung. Bereits am ersten Tag lernt Owen die hübsche und clevere Anführerin des „Liar’s Club“ Dodger (Lindy Booth) kennen und wird schnell in ihre Welt eingeführt: Die Mitglieder des Clubs treffen sich regelmäßig in einer alten Kapelle und schulen sich im Lügengeschichten-Erzählen. Schnell mischt Owen richtig mit. Doch bald reicht den rich kids Spielen untereinander nicht mehr und sie beschließen, die ganze Schule mit einzubeziehen.
Schon in diesem Intro wird dem Zuschauer klar, dass dem Film nicht an interessanten Charakteren gelegen ist. Owen, zunächst als Sonderling vorgestellt, wird im Laufe des Films immer farbloser. Man versteht gar nicht richtig, warum ein so freundlicher Junge von so vielen Schulen geflogen ist. TV-Darsteller Julian Morris schafft es nicht, seiner Figur ausreichend Charisma zu geben. Und so ist schon mal der „Held“ des Films – das Zuschauerinteresse betreffend – aus dem Rennen. Besser, aber ebenfalls nicht berauschend, spielt Lindy Booth (Dawn of the Dead, Wrong Turn) ihre Dodger – wichtigste Figur des Films. Damit „Cry Wolf“ am Ende aufgeht, ist aber auch dieser Charakter nicht komplex genug angelegt. Die Nebenrollen des Films sind kaum der Rede wert, beschränken sie sich eher jeweils auf ein Attribut als dass sie die Story richtig mittragen. So ist Jared Padalecki (House Of Wax, Im Dutzend billiger) als Tom einfach ein guter Kumpel. Jon Bon Jovi kann als Journalistik-Lehrer Rich Walker auch nicht punkten. Zu blass ist die Figur, zu undifferenziert sein Schauspiel. Wenn die Figuren nicht fesseln, hofft man auf die Geschichte…
Doch auch hier Fehlanzeige. Alles entwickelt sich mehr oder weniger so, wie man es vermutet. Das Lügenspiel geht weiter. Der „Liar’s Club“ erfindet einen Serienkiller namens „Der Wolf“, welcher angeblich das Mädchen aus der Umgebung umgebracht haben soll. Sie warnen die Schule durch eine fingierte Rundmail vor den weiteren Taten des Killers. Doch plötzlich erhält Owen von jemandem Nachrichten auf seinem Computer, der sich als „Der Wolf“ ausgibt und der androht, während Halloween in der Schule ein Massaker zu verüben. Spielt ihm jemand aus dem „Liar’s Club“ einen Streich oder haben die Jugendlichen durch ihre Mail möglicherweise den echten Killer hervorgelockt?
Einmal nur die grobe Grundstory betrachtet, klingt das durchaus nach Potenzial. Es würden sich unterschiedliche Möglichkeiten bieten, einen interessanten Film herzustellen. Man könnte das Ganze entweder spannend als Thriller inszenieren (im Sinne von „wer ist der Mörder und gibt es überhaupt einen?“) oder sich auch satirisch mit dem wilden Wuchern von Gerüchten und deren unerwünschten Nebenfolgen auseinander setzen. Leider nutzen Wadlow und Bauman beide Chancen nicht. Um es kurz zu machen: Der Film ist nicht spannend. Überhaupt nicht. Es mag ein oder zwei Momente geben, bei denen ein Zartbesaiteter zusammenzucken könnte, aber selbst das ist unwahrscheinlich. Doch auch das Projekt „einen Film über Lügner zu machen“, kann als gescheitert betrachtet werden. Dazu wird zu wenig auf die einzelnen Figuren eigegangen und auch die Auseinandersetzung mit dem Phänomen geschieht allenfalls an der Oberfläche. Jeder könnte lügen und jeder die Wahrheit sagen. Tiefer wird’s nicht. Und so bleibt dem Zuschauer nicht viel anderes übrig als müde die Kapriolen von „Cry Wolf“ bis zu dessen mehr oder weniger überraschendem Finale auszusitzen.
„Clever und erschreckend“ sollte die Reise sein, auf die der Zuschauer mitgenommen wird. Beau Bauman dazu: „Cry Wolf soll die Menschen vom Anfang bis zum Schluss puzzeln lassen. Was immer der Zuschauer erwartet, der Film soll ihn überraschen.“ Leider geht das Konzept nicht auf. Der Zuschauer fühlt sich wenig motiviert mitzuraten und ist am Ende auch nur leidlich überrascht. Es ist halt eine der zwei bis drei Möglichkeiten, die sich der erfahrende Horrorfilmgucker bereits zurecht gelegt hat. Der Film stützt sich zu sehr auf bereits Vorhandenes und versucht nicht, die ihm eigene Idee richtig auszuformulieren. „Cry Wolf spielt mit den Konventionen des Horror-Genres, und ich hoffe, die Zuschauer werden das als frisch und interessant empfinden“, sagt Jeff Wadlow. Leider nein. Mag der Film auch noch so gut gemeint sein – die Teen-Horror-Konventionen zu nutzen und gleichzeitig mit ihnen zu spielen, wie es z.B. Wes Craven mit seiner Scream-Trilogie gelang, gelingt „Cry Wolf“ nicht.
„Wie bekomme ich Luft-Aufnahmen, Unterwasser-Aufnahmen und Massenszenen, Außenaufnahmen bei Nacht, einen guten Cast und alles selbstverständlich auf 36mm für
1 Million Dollar?“ skizziert Beau Bauman einige Schwierigkeiten des Films. Den Zuschauer beschleicht allerdings das Gefühl, dass die Unzulänglichkeiten von „Cry Wolf“ nichts mit dem geringen Budget, sondern eher mit fehlender Originalität und mangelndem Vertrauen in die eigene Idee zu tun haben. Der Film wird keinen bleibenden Eindruck bei Horrorfans hinterlassen und höchstwahrscheinlich auch keine neuen hinzugewinnen. Wohl möglich, dass „Cry Wolf“ nur deswegen einigen in Erinnerung bleibt, weil Jon Bon Jovi mitspielt.