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    Goldenes Gift
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    5,0
    Meisterwerk
    Goldenes Gift
    Von Björn Becher

    Wenn über die Highlights des Film Noir gesprochen wird, dann fallen immer wieder Titel wie Die Spur des Falken, Boulevard der Dämmerung, „Frau ohne Gewissen“ oder auch Im Zeichen des Bösen. Selten genannt wird dagegen „Goldenes Gift“, ein schon zu seiner Veröffentlichung 1947 unterschätzter Film, der auch heute noch im Vergleich zu anderen Werken aus der „Schwarzen Serie“ ein Schattendasein fristet und das obwohl Filmexperten und Filmkenner mit der Zunge schnalzen, wenn sie den Titel hören. Denn Jacques Tourneurs erster Ausflug in das Genre bietet alles, was man erwarten darf, vor allem eine spannende Geschichte und eine erstklassige Inszenierung.

    Film-Noir-typisch stehen ein Detektiv und eine Femme Fatale im Mittelpunkt. Jeff Bailey (Robert Mitchum) betreibt allerdings mittlerweile eine Tankstelle in einem kleinen Ort, hat seine Vergangenheit als Detektiv Jeff Malcom in der Großstadt hinter sich gelassen und bandelt gerade mit der braven Schönheit Ann Miller (Virgina Huston) an. Doch sein früheres Leben holt ihn ein. Joe Stephanos (Paul Valentine), ein unangenehmer Bekannter aus jener Zeit, sucht ihn auf und bestellt ihn zu seinem Boss Whit Sterling (Kirk Douglas). Gemeinsam mit Ann macht sich Jeff auf den Weg und erzählt ihr dabei seine Geschichte. Einst sollte er für den reichen Gangsterboss Sterling, dessen mit 40.000 Dollar durchgebrannte Freundin Kathie Moffat (Jane Greer) ausfindig machen. In Mexiko wurde er fündig, doch er verliebte sich in die atemberaubende Femme Fatale. Er floh mit ihr gemeinsam vor Sterling, bis es zu einem tödlichen Zwischenfall kam, der ihn in sein neues Leben als Tankstellenbesitzer flüchten ließ. Nun trifft er nicht nur Sterling, sondern auch seine einstige Geliebte wieder und als er dabei erkennt, dass er im Zentrum eines tödlichen Plans steht, ist schon längst eine Kette von Ereignissen mit fatalem Ausgang in Bewegung.

    Ein ähnliches Schattendasein wie sein Film fristet auch Regisseur Jacques Tourneur im Vergleich zu anderen großen Namen seiner Zeit. Dabei hat er in seiner Filmographie nicht nur „Goldenes Gift“ als Highlight vorzuweisen, vor allem seine Durchbruchsfilme „Katzenmenschen“ und „Ich folgte einem Zombie“ gaben ihm einen Ruf als Meister des Horrorgenres. Schon mit „Katzenmenschen“ bewies Tourneur, dass er ein Poet der Leinwand ist. Das Spiel von Licht und Schatten, seine Darstellung der Räume, die unglaubliche Kraft, die von seinen Schwarz-Weiß-Bildern ausgeht, ist enorm wichtig für das Gelingen des Films, steht dabei aber im Dienst der Geschichte und der Atmosphäre. Bei „Katzenmenschen“ stieß dieser Stil zuerst auf Widerstand, so dass Tourneur schon nach wenigen Tagen abgesetzt werden sollte und es nur dem Einsatz seines Produzenten, dem großen B-Horror-Movie-König der 40er Jahre, Val Lewton, verdankte, dass er weitermachen durfte. Auch Kritiker reagierten zuerst ablehnend, revidierten aber nach und nach ihre Meinung. Beim Publikum schlug der Film ein wie eine Bombe und sorgte über einen langen Zeitraum für volle Kinosäle.

    Für „Goldenes Gift“ haben Tourneur und sein Kameramann Nicholas Musuraca (die leider nur diese beiden Filmen zusammen inszenierten) diesen Stil noch einmal weiter perfektioniert und Bilder geschaffen, deren ganze Brillanz und Kraft man beim ersten Sehen noch gar nicht erfassen kann. Zumal auch die Story nicht die einfachste ist. Gekonnt hat Buchautor Daniel Mainwaring bei der Adaption seines eigenen Werkes die großen Themen des Film Noir miteinander verknüpft: die Femme Fatale und der Held, der seiner Vergangenheit nicht entkommen kann. Mainwaring war sich dabei nicht zu schade, sein eigenes Werk an den richtigen Stellen zu straffen und so von überflüssigem Ballast zu befreien. Das gereicht dem Film zum Vorteil, der in den entscheidenden Momenten genau auf den Punkt kommt, nie zu ausschweifend wird und trotzdem nie zu knapp ist. Diese inhaltliche Perfektion ließ den Buchautor, Filmexperten und Kunstgeschichteprofessor Tom Gunning zu Recht vom „idealen Film Noir“ sprechen. [1]

    Die nötige Komplexität verleiht die Erzählstruktur. Die große Rückblende zu Beginn mit der Erzählung durch Mitchums Charakter wirkt sich positiv auf die Spannung auf. Auch dann ist die Anordnung der verschiedenen Zeitebenen nicht nur wichtig, sondern immerzu spannungsfördernd. Die Wendungen der Geschichte werden geschickt eingeleitet und umgesetzt. Der Zuschauer wird so früh an das Schicksal des Protagonisten gefesselt und begleitet diesen mit voller Aufmerksamkeit auf seinem Weg in den selbst gewählten Abgrund.

    Robert Mitchum (Fluss ohne Wiederkehr) spielt diesen Helden in seiner bis dato besten Filmrolle (gemeinsam mit seinen perfiden Darstellungen in Charles Laughtons „Die Nacht des Jägers“ sowie in J. Lee Thompsons „Ein Köder für die Bestie“ auch die einprägsamste Rolle in seiner ganzen Karriere) mit einer gekonnten Mischung aus Pfiffigkeit und Trägheit, aus hartem Kerl und naivem Opfer einer Schönheit der Damenwelt. Daneben gibt Jane Greer („Die rote Schlinge“) eine exzellente Femme Fatale ab. Kirk Douglas ( Wege zum Ruhm, Spartacus) in seiner zweiten Filmrolle komplettiert das erstklassige Schauspielertrio, welches für die wichtigsten Charaktere zur Verfügung stand. Trotz all dieser Klasse der drei Mimen, brennen sich aber besonders zwei Nebendarsteller ins Gedächtnis. Zum einen ist dies Virginia Huston („Eiskalte Rache“), die von Tourneur nicht nur als Symbol für die vergebliche Flucht des Protagonisten benutzt wird, sondern deren Charakter als starke und ehrliche Persönlichkeit trotz der eher kleinen Rolle ein Gegengewicht zu Jane Greers Figur darstellt. Zudem liefert sie den besten Beweis, was eine kleine Szene bringen kann. Der kurze Close-Up auf ihr Gesicht, der für einen Moment die lange Rückblende unterbricht, steigert die Intensität der Geschichte noch einmal zusätzlich. Der zweite einen bleibenden Eindruck hinterlassende Nebendarsteller ist Dickie Moore (Leoparden küsst man nicht). In der Rolle des taubstummen Helfers an der Tankstelle gibt er dem Film eine Klammer. Sowohl die erste als auch die letzte Szene zeigen ihn (beide Film-Noir-untypisch am Tag spielend). Er leitet ihn also ein und beschließt ihn, dabei ist gerade die letzte Szene noch einmal das i-Tüpfelchen auf dem sensationellen Film.

    Danach weiß man, dass man etwas Großes gesehen hat, dass Tourneurs Film ein ganz großer Klassiker ist und zu Unrecht in Relation zu anderen Werken der Schwarzen Serie ein Schattendasein fristet. Es braucht aber noch mindest ein weiteres Sehen, um die ganze Brillanz der Bildsprache und des Stils des Regiegenies zu erfassen.

    [1] So von ihm geschrieben in der 1. Auflage von „1001 Movies You Must See Before You Die“.

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