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    Die Peter Berlin Story
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Die Peter Berlin Story
    Von Björn Becher

    In den 70er Jahren war er eine Legende, eine Ikone der Schwulenszene: Peter Berlin. Grund genug für Regisseur Jim Tushinski zu fragen, wer dieser Mann war und wer er heute ist. Dazu interviewt er Peter Berlin, der mittlerweile Ende 60 ist, sowie Freunde, Weggefährten und Fans von ihm. Darunter auch „Pink Flamingos“-Regisseur John Waters, der auch schon in den Dokumentationen Inside Deep Throat und Midnight Movies zu sehen war. Mit diesen Interviews, sehr vielen Bildern der einstigen Ikone und zahlreichen alten Filmaufnahmen zeichnet Tushinki das Porträt eines Mannes, der auch heute noch ein ausgeprägter Narzist ist, der sich selbst zu inszenieren weiß und der noch immer eine immense Ausstrahlung besitzt.

    Peter Berlin, mit bürgerlichem Namen Armin von Hoyningen-Huene, hat als Fotograf angefangen, bevor er zum Sexsymbol wurde. Dies erweist sich als ungemeiner Vorteil für die spätere Karriere. Denn Berlin war der Sex selbst nie wichtig, wichtiger war ihm seine Darstellung als Sexsymbol. So hat Berlin auch nur in zwei Pornofilmen mitgespielt (Projekte, die er selbst komplett kontrolliert hat) und hat sich stattdessen selbst vielmehr durch erotische Bilder ins rechte Licht gerückt. Es gibt unzählige Photographien von ihm, oft von Berlin selbst aufgenommen oder zumindest unter strenger Anweisung von ihm. Zu sehen ist meist ein nackter, muskulöser Body und eine ausgebeulte, enge Hose, dazu die blauen Augen und das blonde Haar. Nur selten hat sich Berlin ganz nackt fotografieren lassen. Sein Zauber war mehr das Spiel mit den Fantasien der Betrachter, dem Ausmalen, was sich unter der engen Jeans verbergen mag.

    Auch heute bestimmt dieser Weg noch Berlins Leben. Sein Haus gleicht einem Peter-Berlin-Museum. Die Wände sind voll mit seinen Fotos, die ganze Wohnung scheint sich um Peter Berlin zu drehen. Mittendrin sitzt er, der sich noch erstaunlich gut gehalten hat, und erzählt in – trotz der vielen Jahre in den USA – noch sehr akzentreichem Englisch. Er zeigt alte Bilder, blättert durch Alben, referiert. Alte Filmausschnitte werden ausgegraben und dem Zuschauer vorgeführt. Regisseur Tushinski gibt Peter Berlin allen Raum, den er braucht. Es scheint so, dass auch Peter Berlin heute noch alles kontrolliert. So wie er zu seinen Glanzzeiten dafür gesorgt hat, dass er immer ins richtige Licht gerückt wird, so scheint er auch noch diese Dokumentation selbst zu inszenieren. Doch erstaunlicherweise gereicht das dem Film kaum zum Nachteil.

    Regisseur Tushinski stellt an seine Dokumentation gar nicht den Anspruch, hinter das Phänomen Peter Berlin zu blicken, sondern begnügt sich vielmehr damit, die Faszination zu vermitteln, die von dieser Person ausgeht. Das gelingt ihm. Selbst als Heterosexueller spürt man die ungemeine Aura, welcher dieser Mann auch heute noch ausstrahlt. Und obwohl Berlin optisch genau das homosexuelle stereotype Klischeebild verkörpert, das man in jedem oberflächlichen Comic finden würde (ironischerweise gibt es sogar einen mit ihm in der Hauptrolle), erfüllt er diese Klischee dann irgendwie wieder doch nicht, was gerade seinen Zauber ausmacht.

    Tushinkis Dokumentation fehlt es zwar an einer kritischen Distanz, trotzdem ist sie beeindruckend und sehenswert. Das Porträt eines Mannes, der sich selbst als „private Person“ bezeichnet, vom Sex Abstand hält und meint, er sei schüchtern. Das Porträt eines Mannes, der sich selbst öffentlich ausgestellt und ins rechte Licht gerückt hat, so zu einer Ikone und dem Sexsymbol einer ganzen Generation von Homosexuellen wurde. Somit ist „Die Peter Berlin Story“ vor allem ein Film für alle, die damals das Phänomen Peter Berlin selbst erlebt haben und es noch einmal erleben wollen.

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