Nach all den Jahren gehört dieser Film für mich weiter zu den ganz Großen, zu denen, für die Kinoleinwände erschaffen wurden. Visuell ist er ein Fest, und zu den Darstellerleistungen haben zahlreiche Preise bereits ein ausreichendes Urteil gefällt. Die - hier natürlich zentrale - Filmmusik ist ebenso filigran wie schlicht, und beim Anhören des soundtracks stellen sich schnell Ermüdungserscheinungen ein. Aber die Stücke unterstreichen die Emotionen des Films hervorragend, und erfüllen damit ihre Aufgabe erstklassig.
Was Das Piano für mich zu einem herausragenden Film macht, sind neben den Darstellerleistungen Drehbuch und Regie. Sie erzeugen eine in meinen Augen glaubhafte Liebesbeziehung zwischen zwei sehr ungleichen Menschen. Und obwohl Harvey Keitel sicher für viele nicht den klassischen Schönheitsidealen entspricht, vermittelt der Film glaubhaft die Anziehungskraft auch auf Seiten von Ada. Mit anderen Worten werden wir hier nicht einfach nur durch einen schönen Schauspieler eingelullt. Stattdessen erschafft der FIlm einen tiefgründigen und anziehenden Bates und MACHT diese Figur dadurch erst attraktiv. Die Szene, in der er Ada - im völligen Gegensatz zu seinen ersten plumpen Annäherungsversuchen - sein Herz offenbart, ist perfekt inszeniert und wunderbar gefühlvoll. Man vergleiche das einem Film wie Jane Eyre (2011), der sich letztlich auf die Attraktivität seines männlichen Hauptdarstellers verlässt, und dessen Liebesszenen daher letztlich nicht berühren.
Ich teile auch nicht die Verwunderung eines anderen Kommentars hier über die Szene mit dem Piano im Meer. Dass sich Ada hier - beinahe - das Leben nimmt, ist konsequent: Sie zweifelt daran, ob sie trotz ihres Geliebten jemals glücklich werden kann. Schließlich ist das Pianospiel in ihrem Leben mindestens genauso wichtig wie die Liebe, aber sie sieht sich dieser Leidenschaft unwiderbringlich beraubt. Dass dies ihr Motiv ist, wird deutlich sichtbar an der Kamerafahrt während ihres Versinkens in der Tiefe, die am Ende über ihren verstümmelten Arm hinweggleitet. Diese Szene ist nicht nur konsequent (und wunderschön), sie ist sogar zentral: Sie stellt uns die Frage, ob es nicht neben der Liebe zu einem anderen Menschen auch noch andere Dinge gibt, die letztlich unser Leben ausmachen, und deren Verlust durch nichts aufzuwiegen ist. Dass der Film hier eine Antwort gibt, tut dabei nicht wirklich etwas zur Sache. Jeder ist angehalten, diese Frage für sich selbst zu beantworten.