„Oh god!“ „God´s dead!“
Roman Polanski ist einer der kontroversesten Figuren in der Filmbranche. Während er immer wieder großartige Filme drehte, sieht sein Privatleben deutlich dunkler aus. Eine Unzahl an Vorwürfen gegen ihn bezüglich Vergewaltigungen von Minderjährigen, machen es schwer ihn von seiner Kunst zu trennen. Und dennoch versuche ich genau das, da ich sehr an seinen Werken interessiert bin. Eines dieser Werke ist „Rosemaries Baby“ von 1968.
Ein Horrorfilm, der das Genre und auch den Rest der Filmlandschaft prägte. Die Verfilmung des Romans von Ira Levin ist in meinen Augen aber vor allem eins: Seiner Zeit voraus. Polanskis Film ist eine überraschend gut gealterte Kritik an vielen Dingen, die in den 60ern als „normal“ angesehen wurden. Dabei ist es nicht nur das Thema rund um Satanismus, sondern vor allem ein feministischer Blick auf die Rolle der Frau. „Rosemaries Baby“ ist einer dieser Horrorfilme, die mehr als nur Horror sind: Es ist eine Vermischung von Realismus und dem Übernatürlichem und am Ende steht die Frage: Wer ist das wahre Monster?
Die Story spielt Mitte der 60er als Rosemary Woodhouse und ihr Mann Guy in eine neue Wohnung ziehen. Die Vormieterin ist im Krankenhaus gestorben, weswegen das Ehepaar so schnell an ein derart großes und schickes Apartment gelangen konnten. Doch die Vergangenheit des Hauses ist relativ düster: Mehrere Morde sind dort passiert. Das schreckt das Ehepaar Woodhouse nicht wirklich ab, aber als Rosemary und ihr Mann eines Tages die älteren Nachbarn Minnie und Roman Castevet kennen lernen, beginnen erste Zweifel zu entstehen…
Was nach einem typischen Horror-Streifen klingt, ist alles andere als typisch. Selbst für die heutige Zeit, ist „Rosemaries Baby“ noch extrem frisch in seiner Aussagekraft. Und vor allem ist der Film einfach richtig gut gemacht. Nicht nur die Regie von Polanski ist beeindruckend, auch sein Drehbuch. Die Dialoge sind umwerfend authentisch und dennoch künstlerisch anspruchsvoll. Alle Figuren sind wunderbar dreidimensional und die schauspielerische Leistung aller Darsteller ist famos. Mia Farrow hätte hierfür einen Oscar verdient, zumindest eine Nominierung. Den gab es zumindest für Ruth Gordon und ihre starke Performance als unberechenbare Minnie. Der Star ist und bleibt aber Farrow, die wirklich alles gibt und ihre Figur so erschreckend echt wirken lässt.
Aus heutiger Sicht sind Themen wie Feminismus und Kritik an der Kirche nichts Neues. Aber führt man sich vor Augen, wann dieser Film heraus kam, ist das was ganz anderes. 1967 wurde der umstrittene Hays Code eingestellt und nur ein Jahr später provoziert Polanski das Publikum mit allen möglichen „Tabuthemen“ wie Sex, Satanismus oder Gewalt in der Ehe. Dabei ist es vor allem die Kritik an der Gesellschaft, die den Film so außergewöhnlich macht: Rosemary als Frau hat im Laufe der Geschcihte immer weniger Freiheiten. Es wird immer mehr und mehr über sie bestimmt, gerade in ihrer Schwangerschaft. Für viele Zuschauer ist besonders das der wahre Horror des Films. Polanski wollte eben auch so wenig übernatürliche Elemente wie möglich. Und auch das tut dem Ganzen unfassbar gut. Es gibt viele Strecken im Film, in denen man selbst nicht weiß, was wahr ist und was nicht. Wer ist das wahre Monster in der Geschichte? Und kann man die Liebe zum Bösen in der Story als eine gekonnte Metapher für den Kapitalismus und die Unterdrückung der Frau sehen?
Und dennoch macht der Film mir auch eine wirkliche Angst vor Sekten aller Art, denn „bösen“ Leute in der Geschichte sind trotzdem sehr zuvorkommend und lieb, wenn auch auf eine sehr aufdringliche Art und Weise. „Midsommar“ von Ari Aster (2019) behandelt eine sehr ähnliche Thematik!
Aber der Film beeindruckt auch im technischen Bereich: Die Kamera von William Fraker ist kraftvoll, besonders die Traumsequenzen sind visuell beeindruckend verstörend (großes Lob auch an den Schnitt von Sam O´Steen und Bob Wyman). Und der düstere und wilde Score von Christopher Komeda unterstützt das dunkle Treiben auf eine ganz besondere Art.
Fazit: „Rosemaries Baby“ ist nicht ohne Grund ein Klassiker. Ein bahnbrechender Film, der seiner Zeit Jahrzehnte voraus war und nicht nur das Genre veränderte. Ein Horror-Meisterwerk mit grandiosen Darstellern, tollen Dialogen und einer teuflisch guten Story. Ein Muss!