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    Flatliners
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Flatliners
    Von Björn Helbig

    Die „Flatline“ ist jene Linie, die anzeigt, dass das Herz aufgehört hat zu schlagen. Für gewöhnlich bedeutet sie den Tod und damit das Ende. In Joel Schumachers Fantasy-Thriller aus dem Jahre 1990 ist das Ableben seiner Protagonisten allerdings erst der Anfang für eine ultraspannende Geschichte um eine Gruppe von Jungwissenschaftlern, die mit künstlich herbeigeführten Nahtoderfahrungen experimentieren. Doch dabei geht etwas ganz schrecklich schief. Oder mit den Worten von Nelson Wright: „Somehow we've brought our sins back physically. And they're pissed.“

    Der angehende Arzt Nelson Wright (Kiefer Sutherland) ist besessen davon heraus zu finden, was nach dem Tod ist. Zu diesem Zweck trommelt er eine Handvoll Kollegen zusammen und überredet diese, mit ihm ein Experiment durchzuführen: Rachel (Julia Roberts), David (Kevin Bacon), Joe (William Baldwin) und Randy (Oliver Platt) sollen ihn in den Zustand des klinischen Todes versetzen und ihn dann nach einer bestimmten Zeit wieder zurückholen. Anfangs ist die Gruppe skeptisch bis ablehnend, aber nach und nach lassen sie sich von Nelsons Idee faszinieren. Das Experiment wird durchgeführt. Und gelingt. Nachdem Nelson von den Toten zurückgekehrt ist und von seinen Erfahrungen berichtet, werden die anderen neugierig. Einer nach dem anderen lässt sich in den Zustand des Todes versetzen und zurückholen. Was Nelson seinen Freunden allerdings verschwiegen hat, ist, dass er seit dem Experiment unter schweren Halluzinationen leidet – die so real sind, dass er sogar Verletzungen davon trägt.

    „Today is a good day to die“ (Nelson)

    „Flatliners“ ist neben Falling Down, Die Journalistin und „The Lost Boys“ mit Sicherheit Joel Schumachers stärkster Film geworden. Zwar hatte der Regisseur auch noch ein paar andere solide Filme wie die Grisham-Adaptionen (Der Klient, 1994 und „Die Jury“ 1996) abgeliefert, aber er hat ebenfalls schon mit Batman und Robin bewiesen, dass er richtig schlechte Filme machen kann. Glücklicherweise ist von Schumachers künstlerischen Tiefen, die erst noch kommen sollten, nicht viel zu merken. Im Gegenteil – bei „Flatliners“ stimmt so gut wie alles. Schon die Grundidee – Wissenschaftler, die sich absichtlich in den Zustand des Todes versetzen, um so eines der letzten Mysterien zu erkundschaften – ist einfach wie brillant und äußerst zugkräftig. Das Drehbuch von Peter Filardi verschenkt nichts von seinem Stoff, sondern konstruiert um diese Idee einen sehr spannenden Thriller, der an die Urängste und -hoffnungen der Menschen anknüpft. Zu Schumachers Gespür dafür, wie man eine solche Geschichte umzusetzen hat, steuert Jan De Bont, als Kameramann sicherlich erfolgreicher, denn als Regisseur und für den Look von Klassikern wie Basic Instinct, Stirb langsam und „Black Rain“ verantwortlich, die passenden Bilder bei. Auch wenn dem einen oder anderen die Dark-Neon-Optik vielleicht mitunter etwas zu aufdringlich erscheinen mag, so erfüllt sie doch ihren Zweck und schafft eine permanent unheimliche Atmosphäre.

    Ein Stelldichein geben sich in „Flatliners“ eine ganze Handvoll von (damaligen) Jungstars, von denen beinahe jeder eine große Karriere vor sich haben sollte. Angefangen mit Kiefer Sutherland (Dark City, Nicht auflegen! , Eine Frage der Ehre, The Sentinel), der zurzeit in der Serie „24“ den Terroristen dieser Welt heftig zusetzt. Sicherlich hat Sutherland mit seinen Rollen nicht immer Glück, dass er aber ein großer Schauspieler ist, dem vor allem die zwielichtigen Rollen besonders liegen, stellt er hier schon früh unter Beweis. Sutherlands Fähigkeit, die Figur des Nelson mit der richtigen Portion aus Charisma, Besessenheit und Egoismus darzustellen, ist einer der wesentlichen Faktoren für das Gelingen des Films. Zumal er mit seinem Charakter gleichzeitig noch ein kritisches Sinnbild für die moderne Wissenschaft an sich abgibt. Aber auch die anderen Darsteller überzeugen in ihren Rollen durch pointiertes Spiel: Julia Roberts (Erin Brockovich, Hautnah) als vom Tod faszinierte Rachel, Kevin Bacon (The Woodsman, JFK) als der Mann mit Gewissen, Oliver Platt (Pieces Of April, „Funny Bones“) als der Chronist des Todes und William Baldwin (Virus, „Sliver“) als sexbesessener Joe sind ein verdammt gutes Team. Kiefer Sutherland und Julia Roberts haben sich während der Dreharbeiten übrigens so gut kennen gelernt, dass sie 1991 beinahe geheiratet hätten.

    „Everything matters, everything we do matters.“ (Nelson)

    „Flatliners“ ist vielschichtig und bietet verschiedene Interpretationsansätze. Man kann ihn durchaus als warnenden Wissenschaftsthriller verstehen, der zeigen will, dass es Geheimnisse gibt, die zu erforschen man sich vorher gut überlegen sollte. Auch möglich ist ein psychologischer Zugang, bei dem man die Geschichte vom Aspekt der Verdrängung sowie deren negativen Folgen her aufrollen könnte. Ebenfalls durchaus drin – und das wird Schumachers Werk häufig vorgeworfen – ist eine moralapostelige Lesart, die den Film als Warnung an ein sündhaftes Leben sieht – ein solches, so könnte man „Flatliners“ verstehen, wird sich irgendwann rächen. Den erhobenen Zeigefinger kann man in dem Film sehen – man muss es aber nicht. Solche und andere kleinere Mängel, wie die etwas aufdringliche Ästhetik der 80er Jahre oder die Tendenz zum Kitsch, die sich vor allem in der rührseligen Storyline um Rachels Visionen zeigt, sind jedenfals angesichts des riesigen Pluspunktes von „Flatliners“ schnell vergessen: Denn der Film ist schlicht und einfach unglaublich spannend.

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