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    Apocalypto
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Apocalypto
    Von Deike Stagge

    Über Mel Gibson redeten in letzter Zeit eigentlich nur die Klatsch-Blätter. Von armselig-erbärmlichen antisemitischen verbalen Entgleisungen und übereifrigem Alkoholgenuss samt anschließender Therapie war da in aller Ausführlichkeit zu lesen. Zum Starttermin des Action-Abenteuers „Apocalypto“ dürfte wohl wieder das Fachliche im Mittelpunkt stehen, denn Gibson bringt einen eindrucksvollen Film über einen Maya-Krieger, der die Anfänge des Untergangs seiner Zivilisation miterlebt, ins Kino.

    In nur zweieinhalb Jahren brachte es das Team von der ersten Arbeit am Drehbuch bis zum fertigen Film. Das Wissen über die Kultur und Lebensweise der Maya-Zivilisation holte sich der Regisseur bei dem renommierten Archäologen Dr. Richard Hanson, der sich intensiv mit den Maya beschäftigt. Trotzdem hat „Apocalypto“ keinerlei historisch-faktische Ansprüche. Stattdessen konzentriert sich das Werk auf die Erzählung der packenden Geschichte eines Kriegers namens Pranke des Jaguars.

    Nach einem Überfall auf sein Dorf wird Pranke des Jaguars (Rudy Youngblood) wie die Mehrheit der Bewohner verschleppt und versklavt. Er kann seine hochschwangere Frau und den gemeinsamen Sohn in einem tiefen Erdloch verstecken, aus welchem die beiden sich jedoch ohne fremde Hilfe nicht mehr befreien können. Die gefangenen Maya werden von den kriegerischen Holcane unter der Führung von Leitwolf (Raoul Trujillo) in eine Bergstadt gebracht, wo sie einem Gott geopfert werden sollen. Pranke des Jaguars kann aus einem Spiel, bei dem die Maya als Zielübung für die Holcane herhalten müssen, ausbrechen. Da er um zu entkommen den Sohn von Leitwolf getötet hat, verfolgt dieser ihn mit einer Gruppe von Kriegern um den grausamen Giftige Schlange (Rodolfo Palacios) gnadenlos. Ein brutaler Wettlauf beginnt, während die Zeit für die Familie von Pranke des Jaguars langsam knapp wird.

    Mel Gibson hat einfach ein Faible für epische Themen mit skandalträchtigem Potential. Zuletzt mit Die Passion Christi bewies der Schauspieler und Oscar-prämierte Regisseur (Braveheart), dass er mit Vorliebe kompromisslose und aneckende Filme inszeniert. Die Diskussion um den hohen Gewaltanteil von „Die Passion Christi“ sowie deren explizite Darstellung klingt uns noch im Ohr, da wirft „Apocalypto“ noch einen Scheit ins Feuer. Denn auch in diesem Action-Abenteuer fließt das Blut in Strömen - und die Kamera ist überall hautnah dabei und hält immer schön direkt drauf. Daher sei vorab gesagt: Wer die Blut-Dosis in „Die Passion Christi“ schon zu hoch fand, wird ganz sicher auch mit „Apocalypto“ nicht glücklich werden.

    Man kann gewiss darüber streiten, ob eine explizite knapp fünfminütige Massenenthauptungsszene für einen Action-Thriller notwendig ist oder schon an den Rand der Gewaltverherrlichung geht. Aber für Mel Gibson gehört diese Darstellung zum immanenten Konzept seiner Filme. „Apocalypto“ steht für eine Rückkehr zur rauen Welt von „Braveheart“, in der sich sein Protagonist ständig in den brutalsten Prüfungen bewähren muss. Eine gewaltige Portion marzialisch aufgemachter Action ist im Standard-Repertoire des Regisseurs unbedingt enthalten.

    Das ist aber auch nicht unpassend für den Filmstoff. Das Drehbuch entwickelt sich komplett um den jungen Maya-Krieger herum und wächst mit ihm. Das Herzstück des Films bildet die nervenaufreibende Verfolgungsjagd durch den Dschungel, die für Pranke des Jaguars zur absoluten Bewährungsprobe wird. Ganz dem Prinzip des Running Man folgend, gibt der ungleiche Wettlauf der verfeindeten Krieger einen fesselnden Filmstoff ab, dessen Beiwerk sich auf das Wesentliche begrenzt: keine großen digitalen Effekte, sondern rasante Bilder bestimmen das Vorankommen der Handlung. Diese Reduktion tut „Apocalypto“ sehr gut. Die Geschichte bleibt nah am Protagonisten und steuert zielsicher auf den Showdown hin.

    Die handwerkliche Umsetzung von „Apocalypto“ ist schlichtweg meisterhaft. Gedreht wurde im Regenwald Mexikos vor atemberaubender Kulisse, die den visuellen Eindruck des Films bestimmt. Gibson arbeitet eben nur mit den Besten ihres Fachs. Der Look, die Kostüme und die Kamera sind einfach umwerfend gut und ziehen den Zuschauer zielsicher in die Atmosphäre des Films hinein. Allen voran macht die großartig geführte Kameraabeit von Oscar-Preisträger Dean Semler (Der mit dem Wolf tanzt, xXx - Triple X) das Abenteuer zum Erlebnis. Sie wird liebevoll ergänzt durch den Schnitt, der besonders durch die Einbindung komplett unscharfer Bilder und den schnellen Wechsel der Einstellungen zur gehetzten Stimmung der Menschenjagd auf Pranke des Jaguars beiträgt. Auch die Musik von James Horner (Titanic, A Beautiful Mind, Braveheart) passt sich hervorragend in den Gesamteindruck des Films ein.

    Der Action-Thriller wurde mit Laiendarstellern aus der indigenen mexikanischen Bevölkerung gedreht, die ihre Textzeilen auf mp3-Playern zum Nachsprechen bekamen. Sicherlich war schauspielerische Erfahrung am Set Mangelware, aber die Natürlichkeit der Darsteller und ihre physische Präsenz auf der Leinwand bewähren sich als Erfolgsrezept. Vor allem Rudy Youngblood als Pranke des Jaguars sorgt mit seiner Athletik für einen bleibenden Eindruck. Der Cherokee-Nachfahre ist die perfekte Besetzung für den Naturburschen und sorgenden Familienvater, der in der Not über seine Fähigkeiten hinauswächst.

    Nur zwei Dinge kann man „Apocalypto“ eigentlich vorwerfen. Das eine ist, dass man durch die Untertitelung des komplett in einem Maya-Dialekt gedrehten Films ständig die Augen vom Geschehen abwenden muss. Allerdings wirkt der Film durch die Sprachwahl noch eingängiger - und außerdem werden während der Verfolgungsjagd kaum Worte gewechselt. Aber vielleicht hätte am Anfang des Films noch etwas Information über die Halcone-Krieger einfließen können. Weder wird ihre Herkunft noch ihr Verhältnis zu den anderen Stämmen aufgeklärt, so dass man ihnen als Zuschauer etwas ratlos gegenübersteht. Über diese Informationslücke kann man jedoch hinwegsehen und die brillant gefilmte Action genießen.

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