Es war einmal ein Kaiserreich, fern, fern im Osten. Dort lebte ein berühmter General, der in einem Krieg viele Sklaven für den Sieg opferte. Einer jedoch, schnell wie der Wind, sollte entkommen ob seiner Flinkheit. Alsbald diente er treu an der Seite seines Generals, der sein Talent erkannt hatte. Verletzt nach einem Kampf gegen einen übermächtigen Feind aus dem Dunkel, schickte der General seinen Sklaven, getarnt in purpurroter Rüstung, als heimlichen Vertreter zum Kaiser, der nach ihm gerufen hatte. Als er am Hofe ankam, geschah es um das Herz des Sklaven, als er die Prinzessin und in ihr das Antlitz vollkommener Schönheit erblickte. Diese aber war in die Ungnade des Herrschers gefallen, und der Sklave rettete sie selbstlos, indem er den Kaiser tötete. Doch eines Fluches aus der Kindheit der Schönen wegen sollte die junge Liebe im Moment ihres Aufblühens sogleich zerrissen werden... Und so weiter. Ja, Chen Kaiges „Wu Ji - Die Reiter der Winde“ ist ein Märchen. Eine farbenprächtige und poetische Geschichte über Helden, Loyalität und die grenzenlose Macht der Liebe.
Das Setting fällt dementsprechend phantastisch aus und ist gleichzeitig, ähnlich wie schon aus Hero und Tiger und Dragon bekannt, chinesisch-traditionalistisch angelegt. Furchtlose Krieger kämpfen gegeneinander vor archetypischen Blütenmeeren, Dschungeln und Wüsten schwerterschwingend und doch leichtfüßig springend und levitierend, um Wahrheit, Gerechtigkeit, Stolz und – natürlich – um die Gunst des Weibes (gespielt von der bildschönen Cecilia Cheung, die im Großen und Ganzen auch keine Aufgaben im Film zugesprochen bekommt, die über Bildschönsein hinausgehen). Akrobatik und Geschwindigkeit wechseln sich dabei ab mit spiritueller Ruhe und philosophischen Dialogen, die trotz aller Formelhaftigkeit durch ihre unwiderstehliche asiatische Weisheit zu faszinieren vermögen. Ebenso wie bei „Hero“ hat auch bei „Wu Ji“ die Farbdramaturgie eine sprichwörtliche Leuchtkraft, wenngleich hier mit dem Charakter des Erzbösen Wuhuan (Nicholas Tse) und seines vielschichtigeren, schwarz verhüllten Handlangers Guilang (Liu Ye) eine nicht unwesentlich düstere Atmosphäre erzeugt wird.
Von einer Ausnahme abgesehen, bleiben die Charaktere, wie man es von einem Märchen erwarten würde, eher eindimensional. Etwas komplizierter wird es da schon mit dem Verständnis ihrer Handlungen und ihrem Verhältnis zueinander. Des Öfteren kommt es vor, dass man mit einem Fragezeichen auf der Stirn verfolgt, was plötzlich gerade vor sich geht und erst später lüftet sich der Schleier der Rätselhaftigkeit (eine weitere Parallele zu „Hero“). Dass die Handlung, trotz ihrer prinzipiellen Einfachheit, dann und wann für Verwirrung sorgt, mag auch daran liegen, dass die Fassung für den europäischen Markt 25 Minuten gekürzt wurde. Verschlimmeinfacherung? Was man „Wu Ji“ hier und da leider anmerkt, ist die Tatsache, dass ein Fantasyfilm dieses Kalibers schlicht und ergreifend ein größeres Budget gebraucht hätte. Obwohl er mit einem Umfang von umgerechnet rund 35 Millionen US-Dollar zu den teuersten Filmen den chinesischen Filmgeschichte gehört, hätte derselbe Film in der Traumfabrik nach Regisseur Chen Kaige locker das drei- bis vierfache Budget in Anspruch genommen. Deswegen sehen die Computereffekte manchmal auch aus wie Computereffekte und stören empfindlich die phantastische Illusion.
Unter Umständen wäre hier weniger manchmal mehr gewesen, nicht zuletzt auch in der Dramaturgie. So ist „Wu Ji“ ohne Zweifel größtenteils sehr schön anzusehen, doch leuchtet einfach doch etwas zu oft der Kitschalarm auf. Die überschwängliche Musik in Kombination mit der x-ten (vorherdagewesenen und vorhersehbaren) Wendung der Ereignisse machen gegen Ende das entscheidende Quäntchen zuviel aus. „Wu Ji“ tut und sagt kaum etwas (besser), das zuvor nicht schon woanders getan oder gesagt worden ist. So verhält es sich auch mit der persönlich inspirierten Moral von der Geschicht’ nach Regisseur Kaige, der vor seiner Arbeit als Filmschaffender selbst als Soldat auf dem Land diente: „You can only change destiny with love.“ Aber sei’s drum. Wer Märchen mag und „Hero“ mochte (und ein wenig Kitsch verkraften kann), macht hier garantiert nichts falsch.