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    Déjà Vu - Wettlauf gegen die Zeit
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Déjà Vu - Wettlauf gegen die Zeit
    Von Christoph Petersen

    Als im Herbst 2005 die Dreharbeiten zu dem Sci-Fi-Actionthriller „Déjà Vu“ in New Orleans beginnen sollten, machte Hurrikan „Katrina“ der Produktion einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Nun stand für Produzent Jerry Bruckheimer und Regisseur Tony Scott die schwierige Entscheidung ins Haus, ob man dem ursprünglich geplanten Produktionsort – trotz aller Ungewissheit über die Zukunft der Stadt - die treue halten oder sich nach einem neuen umsehen sollte. Man entschied sich dafür, ohne einen Neustart der Dreharbeiten fest zu terminieren, auf die Erholung New Orleans zu warten. Und tatsächlich war die Infrastruktur der Metropole bereits im Frühjahr 2006 schon wieder soweit hergestellt, dass das Filmprojekt viel früher als gedacht – und als erstes der Post-Katrina-Ära - von neuem beginnen konnte. Die Macher begründen dieses Vorgehen mit der speziellen Atmosphäre der Stadt, die mit ihrem französischen Viertel und den zahlreichen Sümpfen schlicht einzigartig ist. Aber es gibt auch noch einen anderen Grund: New Orleans war eine der ersten Städte Amerikas mit einem öffentlichen Kameraüberwachungssystem, was eng mit der Story von „Déjà Vu“ zusammenhängt, welche im Endeffekt auch als eine radikale Weiterentwicklung von Scotts Verschwörungsthriller „Der Staatsfeind Nr.1“ zu verstehen ist.

    New Orleans. Eine Fähre voller feiernder Navy-Angehöriger, eine gigantische Explosion und 543 Tote. Um diesen Terroranschlag aufzuklären, setzen die leitenden FBI-Agenten McCready (Bruce Greenwood, The Riverman) und Pryzwarra (Val Kilmer) eine neuentwickelte Technologie ein, mit der man genau viereinhalb Tage in die Vergangenheit schauen kann – allerdings in jeder Sekunde nur aus einer einzigen Perspektive und zwar ohne die Möglichkeit vor- oder zurückzuspulen. Um dieses System möglichst effektiv nutzen zu können, holen sie sich den ortskundigen ATF-Agenten Doug Carlin (Denzel Washington) mit ins Boot, der ihnen dabei helfen soll, zur richtigen Zeit den richtigen Ort im Auge zu behalten. Und wirklich sitzt der Terrorist Carroll Oerstadt (Jim Caviezel) bald hinter Gittern. Als Carlin jedoch herausfindet, dass man mit der Technologie nicht nur in die Vergangenheit blicken, sondern diese auch beeinflussen, ja sogar Gegenstände in diese zurücksenden kann, will er mehr, als einfach nur den Killer zu schnappen. Deshalb stellt er sich trotz aller Risiken selbst als Versuchskaninchen zur Verfügung, um zurückzureisen und den Anschlag so doch noch verhindern zu können…

    Um „Déjà Vu“ wirklich genießen zu können, bedarf es einer gehörigen Portion an „Suspension Of Disbelief“ (Auslöschung des Unglaubens), sprich der Bereitschaft des Zuschauers, der Story ihre Theorien zur Zeitreise abzunehmen und die aberwitzigen Over-The-Top-Technologien als Teil der imaginären Filmwelt zu akzeptieren. Kann man dies nicht, wird man gut zwei Stunden lang einfach nur genervt mit dem Kopf schütteln und sich über den präsentierten physikalischen Schwachsinn zu Tode ärgern. Schafft man es aber, wird man dafür mit einem superspannenden Thrillervergnügen belohnt, das in sich und seinen Theorien absolut schlüssig daherkommt. Lediglich die Auflösung fällt hier ein wenig aus dem Rahmen – denn auch wenn man sie in der jetzigen Form ohne große Anstrengung in die Regeln der Filmwelt hineinpressen kann, wäre ein konsequenterer Abschluss nicht nur noch stimmiger gewesen, sondern hätte auch eine noch intensivere Wirkung erzielen können.

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    Scotts letzter Film Domino war mit seinen ultraschnellen Schnittfolgen und der bis ins Absurde hochstilisierten Optik ein solch extremer Fall von „Form über Inhalt“, dass er die Zuschauer unerwartet radikal in zwei Lager spaltete. Auch wenn sich Scott natürlich nie mit schlichten oder gar einfach strukturierten Aufnahmen zufrieden geben würde, hält er sich bei „Déjà Vu“ zumindest im Vergleich zu seinem Vorgänger doch erheblich zurück. Vor allem die Bilder in der Realität kommen – für einen Tony-Scott-Film – unerwartet ruhig daher, wobei sich Scott bei denen aus der Vergangenheit, die das FBI-Team wie bei der Kameraeinstellung in einem Computerspiel aus einer beliebigen Perspektive einfangen kann, dafür in gewohnter Manier austobt – Fans seines fiebrigen Hochgeschwindigkeitsstils werden also trotz allem auf ihre Kosten kommen. Angereichert wird die eh schon spannende Inszenierung noch durch einige extrem abwechslungsreiche Action-Sequenzen, wobei schon die gewaltige Explosion zu Beginn ein eindrucksvolles Ausrufezeichen setzt. Höhepunkt im Actionsegment des Films bleibt aber eine aberwitzige Autoverfolgungsjagd, bei der McCready auf einem Auge die taghelle Gegenwart und auf dem anderen die nächtliche, verregnete Vergangenheit sieht.

    Wie bereits angedeutet, war die Entscheidung, „Déjà Vu“ trotz des Hurrikans in New Orleans zu drehen, eine richtige. Zum einen gab es so die Möglichkeit, die Auswirkungen eines Terroranschlags mit denen einer Naturkatastrophe direkt in Beziehung zu setzen. So erinnern zum Beispiel die Ufer des Mississippi, nachdem die Überbleibsel der Fähren-Explosion angeschwemmt wurden, offensichtlich an die bekannten Post-„Katrina“-Aufnahmen. Oder auch in der Presseansprache von FBI-Agent McCready werden deutliche Parallelen gezogen. Zum anderen wird aber auch auf New Orleans Status als eine der ersten Städte mit Kameraüberwachung der öffentlichen Plätze Bezug genommen. Denn auch wenn die Technologien hier für etwas rein Positives eingesetzt werden, entwirft Scott im Endeffekt doch die erschreckende Utopie eines Überwachungsstaats, der selbst die in „1984“ und „Brave New World“ beschriebenen Beobachtungsszenarien in seiner Radikalität – wenn natürlich auch nicht in ihrer Präzision - noch übertrifft. Denn das die Haltung des Duos Scott/Bruckheimer in Bezug auf öffentliche Überwachungssysteme nicht die unkritischste ist, haben sie mit „Der Staatsfeind Nr. 1“ schon hinlänglich bewiesen.

    „Déjà Vu“ ist, auch wenn er im Vergleich mit den meisten seiner Blockbuster-Konkurrenten intelligenter als üblich daherkommt, ein astreiner Hollywood-Actionthriller. Dementsprechend sucht man so etwas wie differenzierte Charakterentwicklung hier auch absolut vergebens. Vielmehr müssen die Darsteller das Publikum allein mit ihrer schieren Leinwandpräsenz für sich einnehmen. Dass dies Denzel Washington (Inside Man, Die Akte) – wie eigentlich immer – anscheinend spielend gelingt, wird da kaum noch jemanden überraschen. Aber auch der übrige Cast kann voll überzeugen, allen voran Val Kilmer (Kiss, Kiss, Bang, Bang, The Doors), der für seine Rolle als FBI-Agent mehr als nur das eine oder andere Kilo zugelegt zu haben scheint. Lediglich die Rolle des Terroristen, die von Jim Caviezel (Die Passion Christi, Montecristo) mit einer kaum greifbaren Intensität ausgefüllt wird, ist vielschichtiger angelegt. Dabei ist es äußerst begrüßenswert, dass sich die Macher nicht mit einem 08/15-Terroristen aus dem Nahen Osten begnügten, sondern die Figur stattdessen um einiges komplexer angegangen haben. So bekommen wir einen fehlgeleiteten Patrioten als Monster serviert, das seine Taten genau mit den gleichen hohlen Phrasen rechtfertigt, mit denen Bush die Kriege in Afghanistan und im Irak legitimiert hat – gerade für einen Blockbuster dieser Größenordnung eine ebenso erfrischende wie mutige Abwechslung.

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