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    Flags of Our Fathers
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Flags of Our Fathers
    Von Carsten Baumgardt

    Was für eine spannende Idee: Altmeister und Academy-Liebling Clint Eastwood erzählt die Geschichte der erbitterten Kämpfe um die japanische Garnison Iwojima zu Ende des Zweiten Weltkriegs in zwei Filmen. Das erste Kriegsdrama, „Flags Of Our Fathers“, schildert die US-amerikanische Sicht der historischen Ereignisse, das zweite, Letters From Iwo Jima, die japanische. Leider drängt sich nach „Flags Of Our Fathers“ der Verdacht auf, dass sich Eastwood mit seinem ambitionierten Konzept zumindest teilweise selbst ausgebremst hat.

    Zweiter Weltkrieg: Am 19. Februar 1945 landen die Amerikaner mit 30.000 Mann auf der japanischen Pazifikinsel Iwojima, die sie drei Tage lang zuvor bereits von See aus mit schwerem Geschütz beschossen hatten. Doch der Angriff endet zunächst sehr verlustreich, weil sich die Japaner bestens auf die Attacke eingestellt haben und den Berg der Insel hartnäckig verteidigen. Nach einigen Tagen können die US-Soldaten wenigstens die Anhöhe erklimmen, dabei entsteht eines der berühmtesten Fotos der Militär-Geschichte, als fünf Marines und ein Navy-Sanitäter unter Mühen die US-Flagge hissen. Siebzehneinhalb Stunden nach der Aufnahme erscheint das Bild in den Tageszeitungen. Die Militärführung ist begeistert, vermittelt das Foto doch eine Aufbruchstimmung, die das Volk davon überzeugen soll, den Krieg zu gewinnen. Es fehlen satte 14 Milliarden Dollar, um die weitere Kriegsführung zu finanzieren. Die drei Überlebenden der Fahnengruppe, der Sanitäter John „Doc“ Bradley (Ryan Phillippe), der Indianer Ira Hayes (Adam Beach) und der Kriegskurier Rene Gagnon (Jesse Bradford), werden in die Heimat beordert, um dort mit ihrer Heldengeschichte Spendengelder in der Öffentlichkeit zu sammeln. Die Aktion hat nur einen bitteren Beigeschmack. Die „Helden“ posierten nur für die zweite Flaggenhissung, beim ersten Mal war keine Kamera dabei...

    Die Schlacht um Iwojima (19. Februar bis 22. März 1945) gilt als die blutigste des Pazifikkrieges. Knapp 20.800 Japaner (von 21.000!) und rund 7.000 Amerikaner verloren dabei ihr Leben. Die USA wollten diesen strategisch wichtigen Vorposten unbedingt einnehmen und brachten insgesamt 100.000 Mann und 900 Schiffe zum Einsatz. Fast alle japanischen Soldaten kamen um, nur 216 ergaben sich in Kriegsgefangenschaft. Doch „Flags Of The Fathers“ ist, obwohl von Steven Spielberg mitproduziert, nicht Der Soldat James Ryan. Clint Eastwood erzählt kein Schlachtenepos, sondern eine andere Geschichte. Die Kämpfe auf der Insel dienen nur als Hintergrund und Aufhänger. Der Regisseur stellt die Bemühungen der US-Regierung an der Heimatfront mit den Helden des Krieges die Fortführung zu realisieren noch vor der Mitte des Films in den Brennpunkt. Die Idee, Joe Rosenthals Pulitzer-Preis-prämiertes Foto in die Handlung einzubinden, ist elegant. Dabei demontiert Eastwood seine Protagonisten, zeigt, wie sie für hehre Zwecke missbraucht werden und hinterfragt das Verhalten der Regierung. Nicht der einzelne ist der Held, sondern immer die Gruppe - was allerdings zu einem hübschen Widerspruch führt. Auf der einen Seite schwört Eastwood dem Kriegspathos ab und prangert es an, auf der anderen Seite zelebriert er die Kameradschaft im Kampf und landet dann ungewollt doch wieder bei der patriotischen Heldenverehrung. Er dreht sich im Kreis.

    Die stilisierten Bilder, die Kameramann Tom Stern (Million Dollar Baby, Mystic River, Der letzte Kuss, Der Exorzismus von Emily Rose) für die Schlacht findet, sind fast ausgebleicht, schwarz-weiß, monochrom. Bildgewaltig und brutal wird der viel zitierte Schrecken des Krieges eingefangen, ohne jedoch die finale Intensität eines „Saving Private Ryan“ zu erreichen, was besonders bei der ähnlich gelagerten Landungsszene augenscheinlich wird. Da bringt es auch wenig, dass Eastwood zwischendurch recht unmotiviert abgetrennte Köpfe und Gliedmaßen serviert. Erstmals in seiner Karriere macht der Seniorchef (Jahrgang 1930) des neuen Arthouse-Mainstreams ausgiebig Gebrauch von dominanter CGI-Technik im großen Stil. Zwar durfte die Crew sich die Originalschauplätze ansehen, gefilmt werden musste aber auf Island, wo die Szenerie nachgestellt wurde. Die Künstlichkeit der Bilder ist unübersehbar, fügt sich aber trotzdem prima in die grandiose Optik des Films und das Bildkonzept der Stilisierung ein.

    Zu Beginn steht die Schlacht noch im Zentrum des Interesses, erst danach wird die Handlung mehr und mehr in die USA verlegt, und immer wieder durch Sprünge in die Gegenwart unterbrochen. „Flags Of Our Fathers“ basiert auf dem gleichnamigen Bestseller (dt.: „Die Flaggen unserer Väter“) von James Bradley, dem Sohn des Fahnenhissers John Bradley, der die Geschichte seines Vaters rekonstruierte. Für den Film erweist sich dieser Bruch als unvorteilhaft. Während die Aufarbeitung der Kriegshandlung durchgehend packend inszeniert ist, hat Eastwood in der Folge große Mühe, die Aufmerksamkeit des Publikums auf demselben Level zu halten. Weder die beiden Sauber- und Biedermänner Bradley und Gagnon, noch der dauersaufende Indianer Hayes haben das Zeug dazu, die Story zu tragen. Die Schauspieler sind auch keine große Hilfe. Sonnyboy Ryan Phillippe (L.A. Crash, Gosford Park), Adam Beach (Windtalkers) und Jesse Bradford („Girls United“) bleiben zu blass, es fehlt die angemessene Kragengröße, einen derartigen Film beherrschen zu können. Den Mimen gelingt es nicht, die Zuschauer zu berühren, die Charaktere bleiben seltsam fremd. Der bewusste Verzicht auf Stars macht sich im Endeffekt negativ bemerkbar. Am besten gefällt noch Barry Pepper (25 Stunden, Der Soldat James Ryan, Wir waren Helden), der als Sergeant Strank (einer der getöteten Fahnenhisser) am meisten Charisma aufbieten kann.

    Dramaturgisch hat sich Eastwood diesmal ein wenig verhoben. Das Mixen von verschiedenen Zeitebenen wirkt weniger filigran denn wirr, der Film tut sich schwer damit, ein eigenes Zentrum zu finden. Am Ende wird James Bradley (Tom McCarthy) als Erzähler plötzlich bestimmender, was für den Rhythmus nicht sonderlich förderlich ist. Ein weiterer Kritikpunkt ist Eastwoods Ansatz geschuldet, die Geschichte in zwei Filmen zu erzählen (Letters From Iwo Jima wurde in einem Rutsch mitgedreht). Die japanischen Soldaten treten als gesichtslose Masse auf. Außer einigen Schreien beim Töten und Getötet werden, ist nichts zu hören und sehen. Es bleibt deswegen hochspannend, wie sich das Bild zusammenfügt, wenn Eastwood 2007 mit der japanischen Version an den Start geht.

    „Flags Of Our Fathers“ ist nicht das erhoffte Meisterwerk, dazu fehlt es an einem tragfähigen Gesamtkonzept für den ersten Film. Es bleibt zunächst der Eindruck hängen, dass Eastwood besser beide Aspekte in ein wirklich großes Epos gepackt oder gar einen Dokumentarfilm als Ansatz gewählt hätte. „Flags Of Our Fathers“ krankt an den eigenen Ambitionen, zu viel zu wollen. Die traditionell kriegsbegeisterte US-Presse hat sich daran jedoch nicht gestört. In den USA erhielt das Werk überwiegend gute Besprechungen, nur die Zuschauer wollen nicht ganz Schritt halten - an der Kasse blieb das Kriegsdrama hinter den Erwartungen zurück.

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