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    Antares
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Antares
    Von Lars Lachmann

    Man nehme einen episodischen Aufbau mit sich teilweise durchdringenden Handlungssträngen à la „Amores Perros“ oder „Mystery Train“, bei dem die Beziehungen dreier Paare jeweils im Mittelpunkt stehen, und verpflanze das Ganze in eine Wohnblocksiedlung im Vorort einer österreichischen Großstadt. Angereichert mit ein paar krassen Sexszenen, ex-jugoslawischer Subkultur sowie einem Hauch von Psycho-Drama ergibt sich daraus Götz Spielmanns „Antares – Studien der Liebe“. Und die Liebe ist bekanntlich ein seltsames Spiel...

    Diese kommt und geht schon mal vom einen zum anderen. So auch im Fall der Krankenschwester Eva (Petra Morzé), die sich aus ihrem lauen Ehealltag heraus lieber in eine Affäre (oder Gspusi, wie der Österreicher sagt) mit ihrem Bekannten Tomasz (Andreas Patton) stürzt, der sich als Arzt auf der Durchreise einige Tage in der Stadt aufhält. In Tomasz‘ Hotelzimmer wird dann ordentlich buseriert. Um dem Erlebnis noch einen besonderen Kick zu geben, lässt sich Eva von ihrem Lover dabei auch mal fotografieren, die Augen verbinden oder – abgesehen vom Kinopublikum – von Angestellten des Hotelpersonals zusehen. Ihr nichts ahnender Ehemann Alfred (Hary Prinz) versucht indessen vergebens, seine Frau für gemeinsame Konzert- und Kinobesuche zu erwärmen und für die Familie eine neue Wohnung zu finden, um frischen Wind in die stagnierende Ehe zu bringen.

    Auch Sonja (Susanne Wuest), die als Verkäuferin im Supermarkt arbeitet, fühlt sich von ihrem Freund Marco (Dennis Cubic), dem Sohn von Einwanderern aus dem ehemaligen Jugoslawien, vernachlässigt. Um ihn fester an sich zu binden, erzählt sie ihm, sie sei schwanger. Dieser führt sie zwar in die örtliche „Jugo-Disco“ aus und tapeziert in seiner Freizeit Sonjas Wohnung – was ihn jedoch nicht davon abhält, sie weiterhin mit einer anderen Frau zu betrügen. Doch Sonja wittert Verdacht und beginnt sich in eine ernsthafte Krise hinein zu steigern. Ein weiterer im Grunde schon pathologischer Fall ist der cholerische Immobilienvertreter Alex (Andreas Kiendl). Seitdem sich Nicole (Martina Zinner) von ihm getrennt hat, steht der uneinsichtige Prolet dennoch täglich vor ihrer Tür, um sie mit Blumensträußen und seinem neuen Cabriolet davon zu überzeugen, was für ein toller Hecht er doch sei. Als seine Bemühungen nicht fruchten wollen, lässt er seiner Wut freien Lauf, indem er die Nachbarn, seine Kunden sowie Prostituierte auf dem Kiez bepöbelt. Die Situation beginnt zu eskalieren, als er schließlich versucht, Nicole mit Hilfe von roher Gewalt zur „Räson“ zu bringen.

    Nach Spielmanns eigener Aussage („Die Liebe ist keine Illusion, sondern eine Utopie“) habe er mit „Antares“ keinen negativen oder pessimistischen Film über die Unmöglichkeit von Liebe machen wollen. Genau diesen Eindruck erweckt dieser Film jedoch zwangsläufig. Es sei denn, man versteht beispielsweise das Ausleben von Evas und Tomasz‘ sexuellen Phantasien als eine Art utopos, einen Raum jenseits der gesellschaftlichen Norm, der sich im Nachhinein letztlich als instabil und temporär herausstellt. Abgesehen von den expliziten Sexszenen wirkt der Umgang zwischen den beiden zudem nicht unbedingt wie der zweier Liebender, sondern vielmehr distanziert und unsicher. Wenn es sich in diesem Beispiel um eine utopische Liebe handeln soll, vermittelt die Darstellung in diesem Punkt entweder nicht alles oder viel zu viel.

    Wenngleich es Götz Spielmann bisweilen gelingt, die drei Handlungsstränge des Dramas geschickt miteinander zu verknüpfen, indem gewisse Szenen in späteren Episoden wieder auftauchen und im erweiterten Kontext eine neue Bedeutung erlangen, weist die Dramaturgie innerhalb der knapp zweistündigen Spielzeit dennoch deutliche Redundanzen auf. Vor allem innerhalb der einzelnen Episoden ähneln sich bestimmte szenische Abläufe recht stark. Weshalb beispielsweise sieht man Alex in zwei verschiedenen Szenen am Straßenstrich vorbeifahren, während er mit der gleichen Prostituierten beide Male nahezu die gleichen Repliken wechselt? Selbst im Hinblick darauf, dass es sich bei diesen wiederholten Handlungsmustern um ein bewusst eingesetztes Stilmittel handeln mag, mit welchem die Eintönigkeit oder die Ausweglosigkeit des Gewohnten zum Ausdruck gebracht werden soll, wirkt dieses Verfahren auf den Zuschauer in diesem Ausmaß im Laufe des Films eher ermüdend.

    Auch die Darstellung der einzelnen Figuren wirkt unter diesen Voraussetzungen zum Teil recht hölzern oder im Fall von Andreas Kiendl als Alex overacted, dessen Gebaren im Laufe der letzten Episode das Nervenkostüm des Zuschauers arg strapaziert. Dieses Manko ist allerdings eher der Regie als den Schauspielern anzurechnen, von welchen Martina Zinner in der Rolle der Nicole insgesamt noch am ehesten überzeugen kann.

    Vor ein oder zwei Jahrzehnten hätte ein Film wie „Antares“ mit seinem episodischen Aufbau vielleicht noch innovativer und mit seiner expliziten Darstellung von Sex und Gewalt schockierend gewirkt. Nach heutigen Maßstäben fehlt es dem Drama jedoch ein wenig an einem individuelleren Konzept, vor allem was die Ausformung der einzelnen Charaktere betrifft. Weshalb Österreich ausgerechnet diesen Film als Vorschlag für den Oscar in der Kategorie „Bester nicht-englischsprachiger Film“ eingereicht hat, lässt sich unter diesen Umständen schwer nachvollziehen.

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