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    Ultranova
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    Ultranova
    Von Christoph Petersen

    Regisseur Bouli Lanners will mit dem Drama „Ultranova“ keine Geschichte erzählen, das Drehbuch hat er aus Anekdoten und Lebensläufen von Bekannten und Freunden zusammengesetzt. Vielmehr als ums Erzählen geht es ihm ums Verpacken. Er verpackt die Tristesse der belgischen Wallonie in wunderschöne Bilder. Seinen Film betrachtet er als Gemälde, die Figuren und Storyfetzen als Pinselstriche. Geschrieben hat Lanners den Film beim Spazieren fahren, während schlichte, traurige Musik ihn inspirierte. Seine Helden sind wie kleine Sterne, deren Wärme man erst bei ihrer Implosion wahrnimmt, wie Supernovae, die vor ihrem endgültigen Tod ein letztes Mal leuchten. Lanners hat so viele zusammenhanglose Gedanken und Emotionen in seinen kleinen Film gestopft, dass man wahrscheinlich über jede Geste und jede Einstellung ein ganzes Buch schreiben könnte. An seinen Zuschauer aber hat er dabei nicht gedacht, für den bleiben nur die banalen, oberflächlichen Metaphern, dem Rest begegnet er mit Unverständnis und Langeweile.

    Dimitry (Vincent Lecuyer) ist ein introvertierter Außenseiter. Er arbeitet zusammen mit seinen beiden Kollegen Phil (Michael Abiteboul) und Verbrugghe (Vincent Berlogey) als Vertreter für Fertighäuser. Sein Privatleben besteht wenn überhaupt nur aus Zufälligkeiten. Einzig seine von Indianern faszinierte Nachbarin Jeanne (Marie du Bled) scheint ein Interesse an Dimitry zu haben, traut sich aber nicht, ihn anzusprechen. Bei ihrer Arbeit in einem Möbellager erzählt sie ihrer Freundin Cathy (Hélène de Reymaeker) von ihren Beobachtungen. Als Cathy zu einem von Jeannes Indianernachmittagen kommt, begegnet sie Dimitry vor der Haustür. Gemeinsam helfen sie einem heiseren Hundebesitzer (Philippe Grand´Henry) bei der Suche nach seinem Tier. Langsam entwickelt sich eine Freundschaft und in Dimitry keimt langsam die Hoffnung auf eine echte Beziehung…

    „Ultranova“ stellt eine Reihe lose verknüpfter Fragmente aneinander, ohne dabei auf Höhepunkte jeglicher Art zuzusteuern. So hält er sich abseits bekannter Dramaturgien und präsentiert seinen ganz eigenen Stil. Leider macht es diese Art des Filmemachens dem Zuschauer aber auch unmöglich, zu den Charakteren durchzudringen, immer steht eine Schicht Künstlichkeit im Weg. Auf ganz natürliche Weise hat Lanners einen eher traurigen Blick auf die Welt. Und so beginnt der Film mit unglücklichen Figuren, die traurig bleiben, um dann wieder unglücklich zu enden. Als Antwort auf das „Warum?“ muss man sich mit der ausgelutschten Symbolik der kargen Landschaft, die für die gefühlsleere, unterkühlte Gesellschaft steht, begnügen. Sowieso wirkt die negative Weltsicht des Film über weite Strecken gewollt und aufgesetzt, als hätte Lanners sich mit aller Kraft gegen jeden Ansatz von Fröhlichkeit zur Wehr gesetzt, weil depressive Filme im Arthouse-Genre gerade angesagt sind.

    Explodierende Airbags sind keine Fabrikationsfehler, sondern ein Zeichen des Schicksals. Mit dieser Metapher wird in „Ultranova“ der Anstoß, sein Leben in neue Bahnen zu lenken, symbolisiert. Sowieso steht der Film immer, wenn sich Lanners als Feierabendphilosoph versucht, nah an der Grenze zur Peinlichkeit. Auch seine Art von Poesie muss man wohl als Geschmackssache bezeichnen, wenn er Dimitry in einer Szene ohne Anfang und Ende am Straßenrand sich langsam eine Strumpfhose über den Arm ziehen und eine Minute lang gefühlvoll streicheln lässt. Auf die Frage, was das Ganze soll, wird auch Lanners selbst keine Antwort haben und die Sinnlosigkeit wohl noch zu einem der Grundsätze seines Films erklären. So unterscheidet er sich nur marginal von den Frauen am anderen Ende der Leitung von 0190-Wahrsager-Nummern. Die erzählen auch nur, was ihnen gerade einfällt und erklären es dann zu ihrer ganz eigenen Kunst.

    Lanners nimmt sich viel Raum für seine Nebenfiguren. Aber obwohl man ihr Verhalten meistens nachvollziehen kann, bleiben sie absolut hohl. Am Besten lässt sich das an einem von Dimitrys Arbeitskollegen verdeutlichen. Zunächst tickt er aus, weil er einem Bettler an einer Ampel kein Geld geben will. Dann tickt er aus, weil Randalierer die Abmessungen eines neuen Fertighauses umgetreten haben. Bei einem Sicherheitstraining für emotionsloseres Fahren bricht er dann in einer sehr langen Einstellung langsam in Tränen aus. In der nächsten Szene wohnen wir seiner Beerdingung bei, er hat sich offensichtlich umgebracht und seine Frau vergießt keine einzige Träne. Der Mann war also unglücklich verheiratet, ist mit sich selbst nicht mehr klar gekommen und har sich das Leben genommen. Punkt. Mehr steckt da nicht drin. Trotzdem präsentiert uns Lanners durch seine künstliche Inszenierung diese Szenen als Offenbarung. Wurde die endlose Diskussion „Form über Inhalt“ bisher immer bei neuen Werken von Brian De Palma unsinnigerweise weitergeführt, ist sie nun bei einem belgischen Erstlingsregisseur wirklich einmal angebracht. Man kann nicht sagen, dass „Ultranova“ uninspiriert sei. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. „Ultranova“ ist überinspiriertes Kunstgewerbe.

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