Egal ob Malerei, Schauspiel oder klassische Musik – die schönen Künste haben gerade im französischen Kino eine lange und erfolgreiche Tradition. Allein im neuen Jahrtausend kamen mit Jacques Rivettes leichtfüßiger Theater-Komödie „Va Savoir“, Jacques Audiards Gangster-Drama Der wilde Schlag meines Herzens, dessen Protagonist sich nicht nur Schutzgeld sondern auch dem Piano widmet, und dem Liebesfilm Malen oder Lieben der Geschwister Larrieu schon mehrere Meisterwerke zu diesen Themen aus Frankreich. Daniéle Thompsons Ensemble-Komödie „Ein perfekter Platz“ kümmert sich nun sogar um alle auf einmal. Dabei feiert sie die Schönheit der Kunst an sich genauso gekonnt, wie sie den ganzen überflüssigen Apparat drum herum bissig zu hinterfragen versteht.
Ein kleines Bistro in der luxuriösen Avenue Montaigne: Die hysterische Schauspielerin Catherine (Valérie Lemercier), die ihren Ruhm vor allem ihrer Darstellung einer herzensguten Bürgermeisterin in einer melodramatischen Human-Touch-Soap verdankt, träumt von anspruchsvollen Kinorollen. Der erfolgreiche Konzerpianist Jean-Francois (Albert Dupontel) hat den ganzen Schicki-Micki-Rummel um seine Musik satt, er will endlich wieder für normale Menschen spielen. Und der in die Jahre gekommene Kunstsammler Jacques (Claude Brasseur, „La Boum – Die Fete“) lässt sein komplettes Lebenswerk auf einer Auktion verramschen, um gemeinsam mit seiner jungen Geliebten Valérie (Annelise Hesme, „Tanguy“) noch einmal so richtig frei zu leben.
Wirklich Schwung kommt in diese illustere Gesellschaft aber erst, als die neue Kellnerin Jessica (Cécile de France) in diesen Mikrokosmos hineinplatzt und alle Beteiligten mit ihrer lebenshungrigen, aufgeschlossenen Art anzustecken scheint. Ihre Großmutter (Schauspiel-Urgestein Suzanne Flon, die kurz nach den Dreharbeiten verstarb und der der Film nun gewidmet ist) hatte ihr immer davon vorgeschwärmt, wie sie einst als Zimmermädchen in den teuersten Pariser Hotels gearbeitet hat und so den Luxus anderer Leute bewundern konnte. Jessicas eigener Ausflug in die Welt der Reichen verläuft aber zunächst wenig erfolgreich, kann sie sich doch nicht einmal ein eigenes Zimmer in dem superteuren Viertel leisten und schleicht sich deshalb nachts in die Umkleiden eines Konzerthauses. Aber schließlich lernt sie bei ihrer Odyssee durch die facettenreiche Künstlerwelt auch Jacques erwachsenen Sohn Frédéric (Christopher Thompson, Lushins Verteidigung) näher kennen…
Mit seinen Sinnkrisen, seinen Streitereien, seinen Affären und vor allem seinen rotweingefüllten Kristallgläsern könnte man „Ein perfekter Platz“ fast als anspruchsvolle französische Kinoversion solcher Luxus-Soaps wie etwa „Reich und Schön“ oder ähnlicher Bügelfernsehn-Vertreter bezeichnen – wobei hier natürlich im Gegensatz zum Trash-TV mit geschliffenen-schnittigen Dialogen, einer fließenden Inszenierung und vor allem grandiosen Darstellern geglänzt wird. Trotzdem trägt das Serienhafte nicht unerheblich zum speziellen Charme des Films bei: Durch die ständigen Wechsel zwischen den verschiedenen Story-Arcs, durch die Unzähligen Überschneidungen und Wechselwirkungen erreicht der Film trotz seinen ausführlichen Dialoge eine unheimliches Tempo, ohne dabei aber je abgehakt oder gar hektisch zu wirken.
Auch wenn „Ein perfekter Platz“ die großen internationale Stars fehlen, hat sich hier doch die Creme de la Creme der französischen Schauspielkunst versammelt. Die energetische Cécile de France, die in Deutschland vor allem durch ihren sympathischen Auftritt in Cédric Klapischs L´Auberge Espagnole und ihre Rolle als Killerin in Alexandre Ajas High Tension Bekanntheit erlangte, rast als unbedarfter Wirbelwind Jessica durch die Luxusszenerie und ermöglicht so dem Zuschauer den Zugang in die Welt hinter den glänzenden Marmorfassaden der Avenue Montaigne. Und der Rest des beeindruckenden Ensembles, aus dem vor allem Valérie Lemercier („Sabrina“) als hektische, überambitionierte Soap-Darstellerin und Albert Dupontel (Mathilde – Eine große Liebe, Irreversible) als nachdenklicher Pianist noch herausstechen, steht ihr in nichts nach. Als besonderes Schmankerl für den geneigten Kinofan gibt es dann auch noch einen urkomischen Auftritt von Hollywood-Regisseur Sydney Pollack (Die Dolmetscherin, Die Firma, Die drei Tage des Condor), der als Brian Sobinski in Paris das bewegte Liebesleben von Jean-Paul Sartre zu verfilmen versucht.
„Ein perfekter Platz“ hat alles, was man für eine gelungene Ensemble-Komödie unbedingt braucht: Eine sympathische Darstellerriege voller echter Typen, ebenso bissige wie humorige Dialoge und ein gesundes Maß an Lebensweisheit und ehrlichem Optimismus. Dazu kommt noch eine ernst gemeinte, aber nie naive Ode an die Kunst, die Liebe und das Leben. Die ganz lauten Lacher lassen sich hier zwar nur schwer finden, dafür schwebt der Zuschauer aber geradezu mit einem Dauerlächeln durch die kurzweiligen 105 Minuten dieses wunderbaren Films.