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    Open Water
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Open Water
    Von Carsten Baumgardt

    Erfolgsgeschichten wie die von Chris Kentis’ düsterem Hai-Schocker „Open Water“ sind selten, aber es gibt sie immer wieder. Für lächerliche 130.000 Dollar drehte er seinen spartanischen psychologischen Thriller, der die Reduzierung der Mittel zur Kunst erhebt und dadurch eine umso größere Wirkung beim Publikum erzielt. Der mit einer Digitalkamera gefilmte Albtraum wurde beim Sundance Film Festival gefeiert und spielte an der US-Kinokasse sensationelle 30 Millionen Dollar ein.

    Susan (Blanchard Ryan) und Daniel (Daniel Travis) sind erfolgreich und haben ihr Leben voll im Griff. Doch vor lauter Arbeit ist ihre Beziehung fast zur Nebensache geworden. Um wieder zueinander zu finden, beschließen sie, einen romantischen Urlaubstripp nach Jamaica zu unternehmen. Selbstverständlich steht auch ein Tauchausflug auf dem Programm. Allerdings entpuppt sich dieser schon bald als Katastrophe. Das Unheil nimmt seinen Lauf, als der Tauchlehrer sich beim Durchzählen der Gäste irrt und dabei Daniel und Susan übersieht. Während der Tauchzeit sind die beiden die ganze Zeit unter Wasser und bekommen nicht mit, was an der Oberfläche um sie herum geschieht. Beim Auftauchen ist die Überraschung groß: Weit und breit ist nichts von ihrem Boot oder anderen Tauchern zu sehen. Sie wurden einfach vergessen. Nach einigen Stunden überkommt Susan und Daniel langsam aber sicher die Panik. Zudem wurden beide schon von einer Feuerqualle attackiert und die ersten Haie beginnen, sich für das Paar zu interessieren...

    Regisseur, Autor, Kameramann und Produzent Chris Kentis („Grind“) machte bei „Open Water“, selten war ein Filmtitel treffender, eine Not zur Tugend. Da er keine großen finanziellen Mittel oder gar die Kompetenz eines Studios hinter sich hatte, verzichtete er notgedrungen auf jegliche Spezialeffekte. Ebenso wenig hatte er Geld, um auf 35 Millimeter zu drehen, deshalb musste es eine Digitalkamera tun. Wer nun gleich an den Sensationserfolg „Blair Witch Project“ denkt, ist allerdings nicht ganz an der richtigen Adresse. „Open Water“ ist keine Pseudo-Dokumentation und auch die gewollt verwackelten Bilder der Handkamera finden sich hier zur Freude des Betrachters nicht wieder. Dennoch ist die Kamera immer direkt am Geschehen, macht die Zuschauer durch die Nähe zu Komplizen und lässt sie gnadenlos mitleiden.

    Während in Steven Spielbergs Der weiße Hai die Raubfische als Bestien stilisiert werden, ist bei Kentis Authentizität angesagt. Die Tiere folgen nur ihren Instinkten... und die sagen ihnen, dass der Mensch in solch hilfloser Lage durchaus auf ihrem Speiseplan stehen kann. Die Angriffe der Haie sind nicht inszeniert, sie spielen sich vor allem im Kopf des Zuschauers ab, der lediglich die Flossen durch das Wasser schneiden sieht und anschließend die Reaktionen der Protagonisten. Die Dramaturgie der Hai-Attacken hebt sich wohltuend vom Standard Hollywoods ab. Sie sind nicht das Hauptereignis des Films, sondern nur ein zwangsläufiger Teil dessen. Den größten Unterhaltungswert bietet „Open Water“ in der psychologischen Auslotung der albtraumhaften Situation. Das war es auch, was den passionierten Unterwasser-Fan Kentis auf die Idee brachte, den Film zu drehen. Er hatte einen Artikel über vergessene Taucher gelesen und war von der Schauderhaftigkeit der Vorstellung so beeindruckt, dass er diese Ausgangslage als Konzept für seinen No-Budget-Film nahm.

    Insgesamt 120 Stunden verbrachten seine beiden Hauptdarsteller Blanchard Ryan („Super Troopers“) und Kinodebütant Daniel Travis während der Dreharbeiten im Wasser. Die letzte Stunde des Films zeigt nahezu die gesamte Dauer über die beiden Protagonisten bei ihrem Überlebenskampf im nassen Element. Deswegen war es wichtig, dass Kentis inhaltlich einiges zu bieten hat. Zunächst wirkt der Film bis zu dem tragischen Vorfall des Zurücklassens wie eine Art Homevideo, das ein Paar beim Urlaubsausflug begleitet. Doch das bildet nur die Basis für das Folgende. Beeindruckend schält Kentis die Charaktere der beiden nach und nach aus und zeigt, wie sie sich unter dem immer größer werdenden Druck und dem nahen Tod verändern. „Open Water“ spielt sehr geschickt mit den Urängsten der Menschen. Zunächst füllt Daniel die klassische Beschützerrolle des Mannes aus, bekommt aber später einen Tobsuchtsanfall, der das Paar beinahe noch auf dem Wasser auseinander bringt. Während Susan an Stärke gewinnt, baut Daniel ab. Zu verraten, in welche Richtung sich die Geschichte und die Charaktere weiterentwickeln, wäre eine Schande und würde die Freude an „Open Water“ ruinieren. Die Mischung aus Ereignissen, die dem Paar widerfährt und der psychologischen Qual, die sie erleiden müssen, ist exzellent getroffen, sodass Kentis die Spannung bei diesem psychischen wie physischen Martyrium immer hoch hält.

    Chris Kentis hat alles aus der Idee und seinen sehr begrenzten Möglichkeiten herausgeholt, was möglich war. In eindrucksvoller Manier zeigt er dem konventionellen Hollywood, was mit Vorstellungsvermögen und einer intelligenten Umsetzung seiner Vision machbar ist. „Open Water“ begeistert trotz seiner limitierten Mittel durch seine ungeheure, puristische Intensität: Ein Film, der packt und dabei geschickt die Sehgewohnheiten des Mainstream-Besuchers attackiert - in aller sympathischer Konsequenz...

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