Ferien im Wohnmobil. Jedes Land der Welt hat dazu seine eigenen Klischees und Gags. Was für uns Deutsche der käseessende Holländer ist, ist für den Amerikaner der durchgeknallte Hillbilly. Wer freiwillig seinen Jahresurlaub in diesen unförmigen Kastenwägen mit der Aerodynamik eines Kreuzfahrtschiffes und dem Charme einer osteuropäischen Jugendherberge verbringt, kann ja auch schließlich nicht ganz zurechnungsfähig sein. „Men In Black“-Regisseur Barry Sonnenfeld nimmt sich mit „Die Chaoscamper“ genau dieses Themas an. Er schickt Klamauk-Urgestein Robin Williams mit seiner Filmfamilie auf einen aberwitzigen Camping-Trip und lässt dabei kein einziges Klischee aus. Hört sich grausam an, ist aber nicht halb so schlecht wie befürchtet.
Bob Munro (Robin Williams) ist ein ganz armer Hund. Das Verhältnis zu seiner Frau Jamie (Cheryl Hines, Herbie: Fully Loaded) ist über die Jahre mächtig abgekühlt, seine 15-jährige Tochter Cassie (Joanna „JoJo“ Levesque, Aquamarin) hält ihn für einen Versager und der 12-jährige Sohn Carl (Josh Hutcherson, Zathura) befindet sich in einer Art vorgezogener Midlife-Crisis. Kommuniziert wird im Hause Munro kaum. Und wenn, dann wird modern per E-Mail zum Abendessen geladen. Höchste Zeit, dass die Familie wieder mehr Zeit miteinander verbringt. Doch auch im Beruf läuft es für den Marketingexperten Bob alles andere als rund. Gerade hat ihm sein unfähiger Chef Todd (Will Arnett) mit Laird (Richard Cox) ein Greenhorn von einer Elite-Universität vor die Nase gesetzt. Der hat zwar vom richtigen Leben so viel Ahnung, wie ein Pferd vom Eierlegen, entwickelt sich aber zu einem ernsthaften Konkurrenten. Um seinen Job zu retten, soll Bob die Übernahme eines Getränkeherstellers in Colorado in trockene Tücher bringen. Warum nicht zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen? Es muss ja nicht immer Hawaii sein. Also mietet er kurzerhand ein luxuriöses Wohnmobil und beginnt mit seiner wenig begeisterten Familie einen aberwitzigen Roadtrip.
Mit Robin Williams ist es so eine Sache. An richtig guten Tagen ist der ehemalige Stand-Up-Comedian (seine frühen „Saturday Night Life“-Auftritte sind legendär) zu Großem fähig. Filme wie Barry Levinsons Good Morning, Vietnam, Terry Gilliams Der König der Fischer oder Peter Weirs Der Club der toten Dichter sind auch wegen Robin Williams unbedingt sehenswert. Dann gibt es aber auch die gemeinhin überschätzte Durchschnittskost aus der Familienunterhaltung („Mrs. Doubtfire“, „Hook“) und den groben Unfug aus einer der unteren Schubladen („Flubber“, „Patch Adams“). „Die Chaoscamper“ ist irgendwo dazwischen anzusiedeln. Weit davon entfernt physische Schmerzen zu bereiten, plätschert der Film vor sich hin und hat doch irgendwo für jeden etwas zu bieten. Die elendig-schlechte Fäkalepisode mit der verstopften Abflussleitung des Wohnmobils sei hier ausdrücklich ausgeklammert.
„Und wenn ich jemanden Banjo spielen höre, ziehen sich bei mir die Arschbacken zusammen.“ Diese kleine Anspielung auf John Boormans „Beim Sterben ist jeder der Erste“ wird vom Publikum des Films in der Regel zwar nicht verstanden werden, steht jedoch exemplarisch für die Qualität des Films. Immer wieder flackert hier und da etwas auf, das tatsächlich unterhaltsam ist. Die zynischen Sprüche des chronisch genervten Nachwuchses gehören auch dazu. Der als zentrales Handlungselement aufgebaute Konflikt zwischen den Munros und der Hillbilly-Familie Gornicke hingegen weniger. Zunächst ist dieser Culture-Clash mit all seinen auf die Spitze getriebenen Klischees noch ganz nett anzusehen, lässt allerdings mit zunehmender Spielzeit nach und lebt letztendlich nur noch von einem glänzend aufgelegten Jeff Daniels (Der Tintenfisch und der Wal, Speed), der sich für nichts zu schade ist. Das Drehbuch von Geoff Rodkey (Der Kindergarten Daddy, Shaggy Dog) ist an Vorhersehbarkeit natürlich nur schwer zu überbieten (das Ende ist nach zwei Minuten klar), hat aber seine lichten Momente. Und das ist mehr, als Rodkey in seiner ganzen bisherigen Karriere zustande brachte.
Vieles an „Die Chaoscamper“ ist dermaßen belanglos, dass der Zuschauer es nach wenigen Minuten wieder vergessen haben dürfte. Was allerdings zurückbleibt, ist eine gewisse Überraschung. Die Inhaltsangabe liest sich natürlich so schlecht, dass einem ganz Böses schwant. Und davon ist Sonnenfelds Williams-Vehikel eine ganze Ecke entfernt. Für einen Familienausflug ins Kino taugen „Die Chaoscamper“ auch mangelnder aktueller Konkurrenz allemal. Aber apropos Vehikel: Hinter dem Originaltitel „RV“ verbirgt sich die Kurzform von recreational vehicle, also der amerikanischen Bezeichnung des Wohnmobils. Und hier sind wir bei einer ganz netten Anekdote. Irgendein britischer Marketing-Mensch kam auf die glorreiche Idee, dass er RV auch mit Runway Vacation übersetzen könnten. Und einem australischen Kollegen gefiel die Idee so gut, dass er sie auch noch übernahm. Das Problem der dämlichen Übersetzungen von Originaltiteln hat die deutsche Filmindustrie also doch nicht exklusiv für sich selbst gepachtet, auch wenn sie in dieser Disziplin immer noch Weltspitze ist...