Genau wie Die Geistervilla ist auch Gore Verbinskis Fluch der Karibik-Reihe eigentlich die Verfilmung einer Themenpark-Fahrt, sprich die Leinwandvariante einer Rummelplatz-Attraktion. Doch im Gegensatz zu Eddie Murphys Fantasie-Komödie kam der erste Teil der mittlerweile zur Trilogie angewachsenen Piratenserie überraschend spaßig und spannend daher. Einem eigentlich für immer ausgestorben geglaubten Genre wurde plötzlich und aus dem Nichts wieder neues, innovatives Blut eingeflößt. Die Fortsetzung Pirates Of The Caribbean: Fluch der Karibik 2 kam ihrem Ursprung, also dem Karussell aus einem Disney-Park, dann schon erheblich näher, und präsentierte sich als überlanger, aber temporeicher Achterbahnritt – kein wirklich guter Film, aber ein spaßiges Popcorn-Vergnügen. Die Erwartungen an den dritten Teil waren nach Sichtung der Trailer nun dahingehend gepolt, dass sich „Pirates Of The Caribbean: Am Ende der Welt“ als eine ungefähre Kopie des zweiten erweisen würde, nur dass man aus der karibischen in die tief asiatische Ecke des Freizeitparks übergewechselt wäre. Doch weit gefehlt, die fernöstlichen Einflüsse sind so minimal ausgefallen, dass im Endeffekt nun doch wirklich alles – mit Ausnahme einiger gelungener surrealer Spielereien – beim Alten geblieben ist.
Das Ende der Freibeuterära scheint näher als jemals zuvor. Der verräterische Lord Cutler Beckett (Tom Hollander) ist schließlich doch noch in den Besitz des Herzens von Tintenfischkapitän Davy Jones (Bill Nighy) gelangt und befehligt so nun das gefürchtete Geisterschiff „The Flying Dutchman“ im Kreuzzug gegen die versammelte Piratenmeute. Will Turner (Orlando Bloom), Elizabeth Swann (Keira Knightley) und Kapitän Barbossa (Geoffrey Rush) sehen ihre einzige Chance auf Rettung darin, die neun Piratenlords zusammenzutrommeln, um so mit vereinten Kräften die übermächtige Armada des Feindes zurückzuschlagen. Doch ganz so einfach gestaltet sich dieser Plan dann auch wieder nicht, immerhin hat Jack Sparrow (Johnny Depp), selbst einer der neun Lords, im Kampf mit einem riesigen Kraken den Löffel abgegeben. So müssen unsere Helden zunächst einmal ans Ende der Welt und noch weiter segeln, um den – je nach Sichtweise – besten oder schlechtesten Piraten aller Zeiten dem Totenreich zu entreißen...
Das Drehbuch von „Pirates Of The Caribbean: Am Ende der Welt“ hat zunächst einmal schwer damit zu ringen, die zahlreichen Charaktere und Handlungsstränge unter einen Hut zu bekommen. Ein gigantischer Krieg steht bevor, der Piratenrat will einberufen, Jack aus dem Totenreich zurückgeholt werden, Will versucht noch immer, seinen Vater von Bord der „Flying Dutchman“ zu retten, und Kapitän Barbossa hat sowieso noch mal ganz andere Pläne. Es dauert und dauert also, bis das dritte und längste (stolze 170 Minuten) Piratenabenteuer endlich an Fahrt gewinnt. Doch ist der Kurs dann schließlich gesetzt, weiß der Zuschauer wieder, wer wo hin will und warum wer was macht, übernehmen die typischen Fluch der Karibik-Qualitäten das Ruder. Doch auch wenn nun erneut die temporeiche Mischung aus Action, Humor und Romantik einmal mehr die Überhand gewinnt, bleiben aufgrund der Geschwätzigkeit des Films ungewohnte Längen nicht aus. Gerde weil „Am Ende der Welt“ trotz seiner extremen Laufzeit nur eine einzige wirklich große Actionsequenz auffährt, die Story nur hier und da mal durch kleinere Geplänkel ein wenig aufgelockert, ansonsten vor allem verraten und verhandelt wird, fällt die Wartezeit auf den großen Showdown nicht immer unbedingt kurzweilig aus.
Die Mischung macht`s also, doch wie sieht es mit den einzelnen Elementen des karibischen Erfolgsrezepts aus? In Sachen Humor holt einen bereits der erste Gag auf den Boden der Tatsachen zurück. Die unschuldig dreinblickende Elizabeth soll vor einer Audienz bei Singapurs Oberpirat Sao Feng (Chow Yun-Fat) ihre Waffen ablegen, schließlich liegt ein ganzes Bataillons-Arsenal auf dem Tisch – einer der ältesten Witze aus der Abenteuermottenkiste. Doch wie so vieles im Film wird auch der Humor mit der Auferstehung von Jack spürbar besser. Endlich erhalten wieder Sparrows typische ultratrockene Bemerkungen Einzug, was sich sofort positiv und deutlich in der Gag-Trefferquote niederschlägt. Ansonsten sorgen vor allem der Papagei und das gewitzte Äffchen Jack für die lauteren Lacher des Films, die Piratensidekicks Pintel (Lee Arenberg) und Ragetti (Mackenzie Crook) sind mit ihren Kalauern lediglich durchschnittlich lustig.
Was die Romantik angeht, bleibt Teil drei weit hinter seinen Vorgängern zurück. Diesmal gilt es kein Liebesdreieck aufzulösen, keine Geliebte aus den Klauen eines Widersachers zu erretten, und Keira Knightley und Orlando Bloom haben im Verlauf des Films auch kaum Szenen miteinander. Manch einer wird sich nun sicher über diese Schmalzlosigkeit freuen, aber die Auswirkungen der romantischen Bünde auf die Dramatik der beiden Vorgänger sind nicht zu unterschätzen. In „Am Ende der Welt“ nimmt die Liebe erst während des Showdowns eine dramatische Wendung, welche dann aber aufgrund der fehlenden romantisierenden Aufwärmzeit doch arg kitschig und urlaubskatalogmäßig ausfällt. Als herausstechendes romantisch-komödiantisches Highlight bleibt die Hochzeit während eines blutigen Gefechts aber unbedingt zu erwähnen.
Die Messlatte in punkto Action hat vor allem der zweite Teil extrem hoch gelegt. Es war klar, dass die aberwitzige Mühlradsequenz oder der Kampf mit dem gigantischen Kraken nur noch schwer zu toppen sein würden. Aber dass „Am Ende der Welt“ dann gar nicht erst versucht, an diese Szenen heranzukommen, enttäuscht dann doch ein wenig. Es gibt in den ganzen 170 Minuten – vielleicht mit Ausnahme der Heirat - keine einzige wirklich originäre oder sonderlich einfallsreiche Actionsequenz, zwar ist bei den Seegefechten der ein oder andere so noch nicht gesehene Move zu bewundern, aber im Endeffekt reiht sich doch nur eine Prügelszene an die andere. Gerade für den Abschluss der Trilogie hätte man sich noch einmal ein wahres Actionfeuerwerk gewünscht, stattdessen bekommt man jedoch nur Altbackenes geboten, das zwar dank seiner phänomenalen Ausstattung einmal mehr Schauwerte ohne Ende zu bieten hat, auf Dauer dann aber doch ein wenig eintönig daherkommt.
„Am Ende der Welt“ versucht also hauptsächlich, die Qualitäten der Vorgänger wieder aufzuwärmen, hat dabei aber nur eingeschränkten Erfolg. Allerdings gibt es auch zwei Bereiche, in denen der dritte Teil neue Wege beschreitet. Zum einen ist dies der asiatische Touch, der durch die Singapurer Piraten in den Film mit hineingebracht wird und sich vor allem auf die Optik von Kostümen und Settings auswirkt. Leider ist dieser Einfluss aber schlussendlich doch so gering, dass er zwar in den ersten paar Szenen für zusätzliche Schauwerte sorgt, danach aber nahe an der Grenze zur Bedeutungslosigkeit nebenher mitläuft. Anders verhält es sich mit den surrealen Sequenzen, an die sich Regisseur Gore Verbinksi hier herantraut. Der verstorbene Jack Sparrow ist in der Totenwelt dem Wahnsinn nahe und beginnt damit, Selbstgespräche mit seinen unfähigen imaginären Doppelgängern zu führen. Nebenbei bekommt er es so auch noch mit einer hartnäckigen halben Erdnuss, einer Ziege und einem Haufen weißer Kieselsteine zu tun. Diese Szenen sind zum einen urkomisch, zum anderen aber gerade für einen Mainstreamfilm dieser Proportionen auch angenehm mutig und gehören daher auf jeden Fall zu den besten der gesamten Trilogie.
Ähnlich verhält es sich mit den Darstellern und ihren Rollen, auch hier mangelt es an frischem Blut. Natürlich ist Johnny Depp (Wenn Träume fliegen lernen, Dead Man, Blow) in der Rolle des schunkelnden Jack Sparrow einmal mehr schlichtweg genial, aber in Bezug auf die anderen wiederkehrenden Charaktere ist den Autoren kaum noch etwas Neues eingefallen. Wo Keira Knightley (Domino, King Arthur, Stolz und Vorurteil) zumindest noch eine kleine Wandlung zur Piratenkönigin durchmachen darf, bleibt Orlando Blooms (Herr der Ringe - Trilogie, Troja, Königreich der Himmel) Will Turner bis zum abschließenden Showdown unerwartet deutlich im Hintergrund. Da können auch die beiden Franchise-Neueinsteiger nicht mehr allzu viel reißen. Der Auftritt von Chow Yun-Fat (The Killer, Tiger And Dragon) als hinterhältiger Sao Feng ist zunächst einmal viel kleiner, als man es vielleicht vermutet hätte, und außerdem bleibt der Hong-Kong-Star dabei auch noch so blass wie noch nie in seiner Karriere. Ganz anders wirkt da schon der Gastbesuch von Keith Richards. Hatte Johnny Depp seine Rolle ursprünglich am Auftreten des kultigen „Rolling Stones“-Gitarristen angelehnt, hat dieser nun passenderweise die Rolle als Jack Sparrows Vater übernommen. Und wie er dabei an seiner Gitarre zupfend in einem Sessel sitzt, ist schlicht unmenschlich cool.
Fazit: Fans dürften auch an der Ausstattungswut des dritten Jack-Sparrow-Abenteuers sicherlich noch einmal ihre Freude haben, ansonsten sollte das Fluch der Karibik-Franchise aufgrund der akuten Innovationsarmut von „Pirates Of The Caribbean – Am Ende der Welt“ doch bitte nun seinen nach all dem gigantischen Getöse verdienten Ruhestand antreten.