Die Trennung von Pixar hat Disney hart getroffen. Härter als die zufriedenen Gesichter nach Zurkenntnisnahme des ordentlichen US-Einspielergebnisses von „Himmel und Huhn“ vermuten lassen. Der Name Disney zieht die Besucher immer noch ins Kino, aber die Qualität von Mark Dindals CGI-Kinderabenteuer versetzt die Maus-Oberen sicher nicht in Feierlaune. Das Murren eines Großteils der US-Kritik war nicht zu überhören. Bei aller Perfektion der Technik wurde einfach vergessen, eine spannende Geschichte mit sympathischen Charakteren zu erzählen. „Himmel und Huhn“ ist für Kinder bis acht Jahre eingeschränkt zu empfehlen, für Erwachsene sind dagegen beim Kinobesuch gute Nerven und Durchhaltevermögen gefragt. Deshalb zog Disney auch gleich die Notbremse und kaufte Pixar im Anschluss an diese Produktion auf, und damit große Kompetenz ein.
Hühnchen Junior (deutsche Stimme: Kim Frank) gehört an seiner High School zu den Losern - ebenso wie seine einzigen Freunde: das hässliche Entlein Susi Schnatter (Verona Pooth), das fette Schweinchen Ed von Speck (Manuel Straube) und der stumme Fisch Luigi Forello. Ein gewisser Vorfall ruiniert Hühnchens Ruf vollends. Nachdem er denkt, der Himmel stürze ein, löst er mit seinem Alarm eine Massenpanik in der Stadt aus. Seinem Vater, dem legendären Baseballspieler Bruno Hühnchen (Markus Maria Profitlich), ist sein Sohn nur noch peinlich. Selbst die Bemühungen, im Baseball-Team Fuß zu fassen, sind dem Papi unangenehm. Nicht einmal vorübergehender Erfolg in der Mannschaft schützt Hühnchen vor dem nächsten Imagedesaster. Als die Außerirdischen, die er beim ersten Mal bereits bemerkt hatte, sich erneut blicken lassen, löst Hühnchen die zweite Panik aus, hat aber keine Beweise...
Der erste komplett am Computer entstandene Spielfilm aus dem Hause Disney: Technisch ist an „Himmel und Huhn“ nicht das geringste auszusetzen. Dementsprechend stolz ist die Maus-Company in dieser Hinsicht auch auf ihr Produkt - zu Recht. Eine Entwicklungszeit von fünf Jahren, in dem das Geschlecht der Titelfigur übrigens von weiblich zu männlich wechselte, garantiert eine große Sorgfalt und Qualität. Leider ist das alles ziemlich wertlos, weil technische Perfektion bei einer CGI-Komödie einfach vorausgesetzt wird. Auch das von Disney Animations gefeierte Entwickeln von neuer Software ist bei der Konkurrenz ebenso Standard. Die Achillesferse von „Himmel und Huhn“ ist eindeutig die Geschichte, die lose auf einer Fabel aus dem ländlichen England des 18. Jahrhunderts beruht.
Die Dramaturgie ist für Kinder im Vor- bis Grundschulalter angelegt. Hühnchen Junior wird von allen missverstanden und muss bis zum Happy End warten, um rehabilitiert zu werden – immer haarscharf an der Gerechtigkeit vorbei. Das fällt dem erwachsenen Betrachter gehörig auf die Nerven und dürfte den jungen Filmfreund aufgeregt im Kinosessel auf und ab hüpfen lassen. Schlimmer noch ist aber die Konturlosigkeit der Figuren. Sie definieren sich nicht über ihren Charakter, sondern über Äußerlichkeiten. Charme kommt hier überhaupt nicht auf. Und Hand aufs Herz: Richtig sympathisch ist keiner der Protagonisten. Hühnchen Junior ist als CGI-gewordener Jonathan Lipnicki (der obersüße Fratz aus Jerry Maguire und „Stuart Little“) zu konstruiert, um berühren zu können. Die Brille über den Kulleraugen ist einfach zu viel des Guten. Seine Mitstreiter bleiben auch kaum im Gedächtnis – höchstens negativ, wie das dicke, nervende Schwein Ed zum Beispiel. Der Vater-Sohn-Konflikt zwischen Bruno Hühnchen und Hühnchen Junior bietet auf den ersten Blick den pädagogisch wertvollen Teil der Geschichte. Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich aber selbst dieser Aspekt als moralisch ungeeignet für Kinder. Nachdem zunächst korrekterweise gepredigt wird, dass es vorbildlich ist, mit seinen Eltern über Probleme zu reden, vermittelt „Himmel und Huhn“ den Eindruck, dass diese Diskussion völlig sinnlos ist – es sei denn, Sohnemann rettet mal eben die Welt. Dann beginnt selbst der Vater langsam, seinem Kind zu glauben.
Dieses Manko wird die ganz Kleinen, für die der Film überwiegend gedacht und konsumierbar ist, aber nicht weiter stören. Mit großem Tempo hetzt Regisseur Dindal („Ein Königreich für ein Lama“) seine Figuren durch die Abenteuer. Für Kinderaugen fällt einiges an Witz ab, die Ausbeute für die Erwachsenen ist da schon wesentlich geringer, um nicht zu sagen, sehr mager. Die üblichen Zitate quer durch die Filmgeschichte, von „Indiana Jones“ über King Kong und Zurück in die Zukunft bis zum zentralen Krieg der Welten, sind bieder, brav und mau. Die kindgerechte sanfte Parodie auf „Krieg der Welten“ dominiert die zweite Filmhälfte, ohne allerdings überzeugen zu können, vielmehr drängt sich Albernheit auf.
Bei der Wahl der Synchronstimmen konnte Buena Vista der großen PR-trächtigen Verlockung nicht widerstehen und beging damit einen kapitalen Fehler. Deutschland besitzt die beste Synchronindustrie der Welt, aber wer wird als Sprecher besetzt? „Echt“-Sänger und Aushilfsmime Kim Frank (NVA), die Society-Erscheinungen Verona Pooth und Boris Becker, Münchens Oberbürgermeister Christian Ude sowie Regisseur Leander Haußmann (Sonnenallee, Herr Lehmann, NVA) - allesamt unausgebildete Sprecher. Das ist leider offensichtlich und so lenken ihre Stimmen mehr ab, als dass sie hilfreich sind. Einzig TV-Comedian Markus Maria Profitlich (Die Unglaublichen) erweist sich als Profi trefflich gewählt. Dem Fass den Boden aus schlagen jedoch die Schlussszenen, in denen die Außerirdischen plötzlich anfangen, fiesestes Rheinisch zu sprechen. Das ist schlicht peinlich und eines Disney-Films nicht würdig.
„Himmel und Huhn“ wird seine Zuschauer in die Kinos locken, das ist sicher. Aber an die gigantischen Erfolge von Findet Nemo, Die Monster AG, „Toy Story“ oder „Das große Krabbeln“ wird die Animationskomödie nicht anknüpfen können, was sich bereits in den USA zeigte. Von dem Charme und der Herzenswärme dieser Produktionen ist bei Disneys Solo sehr wenig zu spüren. Inspiration, Originalität, Verve oder Innovation? Fehlanzeige! Am Reißbrett für den einfachen, anspruchslosen Erfolg entworfen, erfüllt „Himmel und Huhn“ seine Schuldigkeit an der Kinokasse, aber das allein kann nicht der Anspruch von Disney Animation Studios sein. Die Etikettierung „Walt Disneys jüngstes, computeranimiertes Meisterwerk“ im Presseheft von Buena Vista ist schon eine Frechheit für sich, aber vielmehr noch stellt dies eine Beleidigung der tatsächlichen Disney-Meisterwerke dar, die dieses Prädikat wirklich verdient haben.