Die Regeln, wie man in einem Horrorfilm überlebt, dürften inzwischen hinlänglich bekannt sein. Belohnt werden „richtige“ Entscheidungen, Hilfsbereitschaft und Gutherzigkeit. Fiese Pläne, Egoismus, Alkoholkonsum und Geldgier sind dramaturgische Hinweise darauf, dass die betreffende Figur den Nachspann nicht mehr erleben wird. Auch „Anacondas: Die Jagd nach der Blut-Orchidee“ wurde nach diesem bewährten Konzept gestaltet und bietet seinen Zuschauern wenig Neues an.
Eine Gruppe von (erstaunlich jungen und äußerlich zutiefst ansprechenden) Pharmakologen entdeckt in der seltenen Blut-Orchidee einen Wirkstoff, der dem Menschen ein längeres und gesünderes Leben verspricht. Prompt wird das sechsköpfiges Team um Dr. Jack Byron (Matthew Marsden) und den Finanzexperten Mitchell (Morris Chestnut) losgeschickt, die nur alle paar Jahre blühende Pflanze im tiefsten Dschungel Borneos zu suchen. Aufgrund der Regenzeit sind sie gezwungen, das Schiff von Bill Johnson (Johnny Messner) und Steuermann Tran (Karl Yune) anzumieten und mit den beiden zusammen das Pflänzchen zu suchen.
Doch soweit kommt es gar nicht. Vor allem Dr. Byrons Raffgier – aber auch monetäre Interessen der anderen Teammitglieder - zersetzen die Gruppe und enden schließlich in einem spektakulären Bootsunfall. Bis auf die Knochen durchnässt, müssen sich die Forscher zu Fuß durch den Dschungel schlagen, nicht ahnend, dass sie mitten im Reich der Riesenanacondas gestrandet sind. Nach dem ersten Angriff, bei dem ein 12 Meter langes Prachtexemplar der Würgeschlangengattung den feschen Expeditionsarzt Ben (Nicholas Gonzales) erwischt, wird der Ernst der Lage deutlich und der Spannungs- und Spaßfaktor merklich angezogen. Denn nicht nur die hungrigen Anacondas machen der Expedition das Leben zur Hölle, auch ein Teammitglied hat sehr eigensinnige Pläne über den weiteren Verlauf der Forschungsreise. Mit einer sich ständig dezimierenden Zahl von Teilnehmern versucht die Gruppe, vom Frühstücksteller der Anacondas zu entkommen.
„Anacondas: Die Jagd nach der Blut-Orchidee“ ist die Fortsetzung des 1997 in die Kinos gekommenen Überraschungserfolgs „Anaconda“. Während der erste Streifen noch mit bekannten Größen wie Jennifer Lopez, Jon Voigt und Ice Cube operierte, wurde in der Fortsetzung auf erfolgreiche Stars komplett verzichtet und mit jungen, unbekannten Darstellern gearbeitet. Leider sind ihre Charaktere dabei sehr flach geraten, eigentlich verkörpert jede Figur nur einen einzelnen Aspekt einer Person. Das wirkt nicht immer sehr gelungen, besonders, wenn man Einzelkämpfer und Hobbycaptain Bill Johnson, dem die Anabolika schon aus dem Gesicht springen, länger als drei Sätze von seiner harten Army-Vergangenheit erzählen hört.
Die Geschichte wurde in allen Grundideen direkt vom ersten Teil übernommen. Vom Expeditionsgedanken als Auslöser der Geschehnisse bis hin zum ultrafiesen Saboteur, der sich nicht scheut, sein eigenes Team wortwörtlich den Schlangen zum Fraß vorzuwerfen, hat man alles schon in der Vorlage gesehen. Trotzdem gelingt es Regisseur Dwight Little, einige schöne Überraschungsmomente zu schaffen und eine anhaltende Spannung zu erhalten. Vor allem durch die Ruhelosigkeit der Verfolgungsjagd, bei der es kaum Unterbrechungen gibt, wird der Zuschauer bei der Stange gehalten. Dieser Trick ist auch nötig, denn die platten Figuren lassen kaum eine Identifikation zu, die zum Mitfiebern animiert.
Nach einem ziemlich unspektakulären Anfang kommt „Anacondas“ auch erst ab der Mitte des Films richtig in Fahrt. Lange Zeit spielen die Schlagen keine Rolle, obwohl in der Eröffnungssequenz schon viel nackte Schlangenhaut gezeigt wird – ein für Horrorfilme eher untypisches Vorgehen, will man doch das Publikum auf das Monster richtig neugierig machen. Das Aussehen der Riesenschlangen wurde im Vergleich zum Vorgänger deutlich überarbeitet. Eine Vielzahl von CGI-Bildern sowie kleinere lebendige Tiere ersetzen die zunächst favorisierten Animatronics. Die visuellen Effekte sind noch relativ deutlich auszumachen und vermitteln stellenweise einen leicht gekünstelten Eindruck. Aber zumindest in den schönen Außenaufnahmen der satten dschungelgrün gehaltenen Feuchtbiotope verschwinden diese Unebenheiten und erlauben ungetrübtes Sehvergnügen.
Gekünstelt erscheinen ebenfalls die Wertediskussionen, die die Charaktere zwischen den Actionsequenzen austragen, um in Anlehnung an die Überlebensregeln für Horrorfilme einen Anflug von Moral einzubauen und die Actionlastigkeit einzugrenzen. Werden alle Figuren – mit Ausnahme von Dschungelboy Tran – zunächst als geldgeile Karrieremenschen eingeführt, durchlaufen die meisten von ihnen im Verlauf der Handlung einen Charakterschub zum Guten. Besonders bei Sam (KaDee Strickland), der Assistentin von Dr. Byron, wird dies so übertrieben, dass der Zuschauer irgendwann die Schlangen wieder herbeisehnt. Natürlich wartet „Anacondas“ darüber hinaus mit dem gesamten Repertoire an Schockmomenten, plötzlichen Attacken und Täuschungsmanövern auf. Vor diesem Hintergrund ist der Film für Fans des ersten Teils auf jeden Fall zu empfehlen und kann darüber hinaus vielleicht einige der vom mit B-Prominenz überfluteten TV-Dschungelcamp enttäuschten Zuschauer für sich gewinnen.