Mein Gott, wirklich! "Königreich der Himmel" hat damals schlechte Kritiken bekommen - zurecht, aber es war nicht Scotts Schuld, denn die Version der Schaffenden wurde extrem verstümmelt, um 2004/2005 nicht für Unmut in einem Clash der Kulturen zu sorgen. Aber wie kann ein Film, in dem es um Christen und Muslime geht, auch NICHT politisch sein? Das war schon damals Unsinn, und so kann man sich nur ärgern, nicht die wundervolle Director's Cut Version anzusehen, was ich gerade wieder getan habe. Es ist unglaublich! NIEMALS sollte man sich die Standardversion anschauen (wenn sie bspw. im Fernsehen läuft oder so). Nicht umsonst wird "Königreich der Himmel" von vielen Filmkritikern als der vielleicht beste DC überhaupt (!) angesehen. Und das völlig zurecht. Aber ich will hier nicht über die Unterschiede der Versionen referieren. Der alte Scheiß gehört in die Tonne. So einfach ist das!
Mich fasziniert an "Königreich der Himmel" neben der wundervollen Ausstattung, Musik, Kamera, Action (also alles, was bei Ridley Scott sowieso immer auf höchstem Niveau ist) vor allem das Gefühl, was der Film vermittelt. Es ist selten, dass, gerade ein Hollywood-Film, das Gefühl für die Vergangenheit vermitteln kann und sie trotzdem mit modernem Denken mischt. Natürlich muss man bei der anvisierten Breite an Publikum Zugeständnisse machen. Dennoch: Man spürt warum Figuren wie Balian, Tiberias, König Balduin oder Saladin Jerusalem so wichtig ist. Warum Christen ins heilige Land ziehen und sich dort Erlösung versprechen - und warum es tatsächlich so schön sein muss, trotz all der Wirren, trotz all des Streits. Der Bischof stellt später infrage, ob Männer besser kämpften könnten nur weil sie plötzlich Ritter seien? Balian antwortet schlicht: Ja. Ohne irgendeinen Firlefanz. Und das ist für mich ein sehr tolles Beispiel für dieses wunderbare Feeling. Unbedingt auch auf den Hospitaler-Charakter von David Thewlis achten!
"Königreich der Himmel" kann man immer wieder sehen. Das Thema ist hochaktuell und zeitlos. Historisch bestimmt keineswegs korrekt, ist es mehr eine Art Fabel, ein Essay im Abenteuergewand, wie das Streben für die richtige Sache, im Namen Gottes, und mit dem eigenen Lebenssinn, alle umtreibt. Ich finde, wenn man diesen Film gesehen hat, weiß man, warum man die Konflikte um Jerusalem nicht einfach wegwischen kann, und warum es immer wieder Menschen gibt, die dafür kämpfen; ja, warum man sie sogar dafür bewundern kann.
So gern ich dem Film auch 5 Sterne gegeben hätte, so hat er auch einige kleinere Schwächen: Orlando Blooms Figur ist etwas unrund, und als Hauptrolle taugt er zwar im Großen und Ganzen, doch z.B. Christian Bale, der seinerzeit auch im Kommen war, hätte sicher mehr herausgeholt. Zudem ist es schade, dass Guy de Lisgnan und Renald de Chatillon ein wenig klischeehaft als Bösewichte herausarbeitet werden. Natürlich gibt es auf der anderen Seite solche Figuren auch, und man kann nachvollziehen, dass differenzierte christliche Kriegstreiber für noch mehr Ärger gesorgt hätten. Der Film hätte allerdings durchaus noch mehr an Tiefe gewonnen, zumal diese beiden Charaktere zwar Arschlöcher sein müssen, sie aber definitiv in vielem richtig liegen. Es ist aber schön zu sehen wie gut der Film mit den Muslimen umgeht und zeigt wie Machtstreben auf beiden Seiten alles vorantreibt. Schließlich mag auch die ein oder andere Dialogzeile manchmal zu bedeutungsschwer herüberkommen.
Fazit: "Königreich der Himmel" ist im Director's Cut ein verkanntes Meisterwerk. Historisch nicht akurat, kann der Film dennoch eine wunderbare Aura verbreiten, die in die Konflikte von damals einfühlen lässt. Dadurch nimmt man sogar genug für die Gegenwart mit.