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    Lovesong für Bobby Long
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Lovesong für Bobby Long
    Von Nicole Kühn

    Louisiana ist vor allem eines: drückend heiß. Entsprechend behäbig und gelassen geht das Leben dort vor sich. Mit ihren gerade einmal 17 Jahren glaubt Purslane Homity Will (Scarlett Johansson), diese Welt weit hinter sich gelassen zu haben und mit ihrem Freund Lee (Clayne Crawford) ihr Leben im gemeinsamen Wohnwagen im Griff zu haben. Erst der Tod ihrer Mutter führt sie zurück zu ihren Wurzeln – und das mit ungeahnter Wucht.

    Nicht nur, dass sie die Beerdigung ihrer Mutter verpasst, weil ihr Freund die Nachricht für zu unbedeutend hielt, um sie ihr umgehend mitzuteilen. Schlimmer noch, das ehemals schmucke Häuschen ist in einem traurigen Zustand, dem seine beiden Bewohner Bobby (beeindruckend: John Travolta) und Lawson (Gabriel Macht) in nichts nachstehen: Die körperliche Verwahrlosung der beiden verrät allzu deutlich, dass hinter dem mühsam zelebrierten Künstlerleben nicht mehr steckt als die Perspektivlosigkeit ihrer je eigenen persönlichen Sackgasse. Was sie zusammenhält, ist in Wahrheit nicht das Projekt einer Biographie über den einst erfolgreichen Literaturprofessor Bobby, die sein Zögling Lawson ihm zu Ehren schreiben will. Vielmehr ist es die Tatsache, dass keiner von beiden den Mut hat, sich seiner eigenen Lebensgeschichte zu stellen. Bobbys Geschichte scheint so schwerwiegend zu sein, dass er sie lieber totschweigt, während Lawsons Geschichte noch gar nicht so recht angefangen zu haben scheint. Seine lockere Liaison zu Georgianna (Deborah Kara Unger) ist auf jeden Fall nicht für die Zukunft gemacht.

    Mit diesen beiden grandios gescheiterten Lebenskünstlern soll Purslane das geerbte Haus aus Kindertagen fortan teilen. Obwohl auch sie bisher kaum etwas aus ihrem Leben gemacht hat, prallen Welten aufeinander. Vielleicht ist es sogar gerade die Ähnlichkeit, die dem jungen Mädchen vor Augen führt, wie sie in ein paar Jahren auf jeden Fall nicht leben möchte. Also ändert sie einiges an der gemeinsamen Behausung, bringt Ordnung und Farbe in das düstere Domizil, das symbolisch für seine Bewohner steht. Die Wirkung lässt nicht lange auf sich warten. Nach anfänglich energischem Widerstand fangen die beiden Männer den Ball auf, den Purslane ihnen zugeworfen hat, und spielen ihn zurück – gar nicht zur Freude der Dame. Das Trio pendelt sich langsam und mit vielen aufreibenden Auseinandersetzungen unerwartet einfühlsam aufeinander ein.

    Und doch ist alles nicht so einfach. Purslanes verstorbene Mutter Lorraine, der Anlass für ihr Kommen, ist allgegenwärtig und zugleich nie wirklich greifbar. Wie sehr auch sie sich nach einer eigenen Geschichte sehnt, die sich nicht in die verborgensten Winkel der Seele zurückzieht oder dorthin verdrängt wird, begreift Purslane nur langsam. Entsprechend vorsichtig lässt sie sich auch auf diese neue Welt ein. Irgendetwas steht zwischen den Menschen, die durch das alte Haus verbunden sind. Der Schlüssel zu diesem Etwas scheint in der Person von Lorraine zu liegen. Erst ein Eklat bringt Purslane dazu, sich entschlossen auf die Suche nach ihrer eigenen Geschichte zu machen – mit allen Konsequenzen, nicht nur für sie.

    Shainee Gabels erster Spielfilm nach mehreren Erfahrungen im Dokumentarbereich und als Autorin für mehrere Produktionsfirmen ist die Erfüllung eines lang gehegten Wunsches. Man merkt dem Ergebnis an, dass sie sich intensiv mit einer glaubhaften Figurenentwicklung, auch im Bezug zueinander, beschäftigt hat. Klugerweise lässt sie den Darstellern genügend Raum und Zeit, die unausgesprochenen Dinge über das Zusammenspiel zu transportieren. Den großen Coup landet dabei John Travolta („Basic“, „Im Feuer“), der mit dieser Rolle sein Repertoire erneut um eine ganz neue Figur erweitert. So fetzig er in „Saturday Night Fever“ über die Tanzfläche fegte, so resigniert schlurft er als abgehalfterter Möchtegern-Dandy durch die Straßen seiner neuen Heimat. Neben ihm muss sich Scarlett Johansson („Lost In Translation“, „Reine Chefsache“) ganz schön ins Zeug legen, um nicht zu verblassen. Der zum Teil recht bedeutungsschwangeren Story begegnet sie mit angenehmer Abgeklärtheit. Es gelingt ihr dabei aber leider nicht immer, die heftigen Emotionen ihrer Figur nachvollziehbar zu gestalten. Eine vergebene Chance ist die Rolle der lasziven Barkeeperin Georgianna. Die Dame hätte durchaus mehr Impulse in die Geschichte tragen können, und Daborah Kara Unger („The Salton Sea“, „The Game“) ist fast zu schade für eine solche Randfigur.

    Ein Glücksgriff ist die Wahl des Drehortes. Den gleichermaßen pittoresken wie verwahrlosten Charakter des amerikanischen Südens integriert Gabel wunderbar in den Verlauf der Geschichte. Die drückende Hitze wird auf der Leinwand fast so präsent wie die Menschen, die sich mit ihr arrangiert haben. Es ist dieses einzigartige, schwerfällige und dabei keineswegs bedrückende Flair, das dem Film das letztlich gewisse Etwas gibt. Bei aller Genauigkeit der Beobachtung und Stimmigkeit der Charaktere bleibt die Story über weite Strecken und vor allem an den entscheidenden Punkten klischeehaft. Die Extremsituationen, denen die Protagonisten ausgesetzt werden, sind vor allem in ihrer Anhäufung überflüssig und tendieren dazu, das Ganze unglaubwürdig zu machen. In diesen Szenen erwies sich die Romanvorlage von Ronald Everett Capps als nur schwer adaptierbar. Das gilt auch für die wunderbaren Zitate aus der Weltliteratur, die beide männlichen Hauptfiguren gerne zu Hilfe nehmen, um Emotionen und Zwischenmenschliches auszudrücken. Gerade weil sie in der Situation oft so treffend tiefsinnig daherkommen, möchte man an der einen oder anderen Stelle gerne zurück spulen, um noch mal nachhören zu können. Dafür ist das Buch das eindeutig bessere Medium.

    Diese Schwierigkeiten der Romanvorlage macht Gabel mit ihrem Team visuell wett. Die detailgenaue Ausstattung schafft, eingefangen von der ruhigen, durch die Straßen und Lebensräume der Figuren streifenden Kamera von Elliot Davis, eine sehr authentische Atmosphäre, die den Zuschauer unmittelbar an den Ort des Geschehens versetzt. So verlässt man das Kino mit einem Hauch von Wehmut, sich nicht auch so träge durchs Leben treiben lassen zu können, gemischt mit der Gewissheit, dass das Leben Eigeninitiative erfordert. Was bleibt, ist ein diffuses, seufzendes Gefühl von innerem Frieden, zu dem die Geschichte von Purslane, Lawsaon und Bobby bald verschwimmt.

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