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    Walk the Line
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Walk the Line
    Von Jürgen Armbruster

    Am 12. September 2003 verstarb mit Johnny Cash eines der letzten musikalischen Schwergewichte unserer Zeit. Er prägte die Musik seiner Zeit, wie kaum ein Zweiter. Sein Tod versetzte eine ganze Nation in Trauer. Selbst die junge Generation, die mit der Musik der Country-Legende eigentlich so gar nichts anzufangen wusste, war bestürzt. Knapp zwei Jahre später versucht nun James Mangold mit seinem biographischen Drama „Walk The Line“ der legendären Karriere des Man in Black ein filmisches Denkmal zu setzen.

    Im Jahr 1968 wurde das Folsom State Prison in Kalifornien Schauplatz eines bis dato einmaligen Ereignisses. Der wegen Drogeneskapaden und familiärer Probleme ins Straucheln geratene Country-Star Johnny Cash (jung: Ridge Canipe, alt: Joaquin Phoenix) versucht mit einem Konzert vor Hunderten verurteilter Straftäter seine angekratzte Karriere in eine neue Richtung zu lenken. Das aus diesem kühnen Vorhaben hervorgegangene Album Johnny Cash At Folsom Prison ist noch heute legendär und wurde im selben Jahr mit dem Grammy als bestes Album ausgezeichnet. Mit diesem Ereignis beginnt und endet „Walk The Line“. Dazwischen erzählt James Mangold („Durchgeknallt“, „Copland“, Identität, Kate und Leopold) in teils fast schon episodenhafter Struktur die wichtigsten Ereignisse in der jungen Karriere von Johnny Cash. Auf die Geschehnisse nach 1968 wird lediglich in äußerst komprimierter Form am Ende des Films eingegangen.

    Den Schwerpunkt legt Mangold dabei vor allem auf zwei Dinge: Die mit zunehmendem Erfolg immer größer werdenden Drogenprobleme und seine anhaltende Liebe zu June Carter (Reese Witherspoon), an der letztlich auch seine Ehe mit seiner ersten Frau Viviane (Ginnifer Goodwin) zerbricht. Aber auch andere prägende Ereignisse, wie der tragische Unfalltod seines großen Bruders Jack (Lucas Till) oder das gestörte Verhältnis zu seinem Vater Ray (Robert Patrick), der ihm nur Verachtung entgegen bringt, werden verarbeitet. Der große Schwachpunkt von „Walk The Line“ liegt dabei auf der Hand: Der Film bewegt sich stets auf vorhersehbaren Bahnen. Wirklich überrascht wird das Publikum nie. Ein Grundsatzproblem von biographischen Werken. Schließlich ist dem Zuschauer in den allermeisten Fällen bewusst, dass der Protagonist letzten Endes doch noch zu Ruhm und Ehre gelangen wird.

    Dass über kurz oder lang eine Biographie über Johnny Cash den Weg auf die Leinwand finden wird, war nur eine Frage der Zeit. Dass diese nur so kurze Zeit nach dessen Tod realisiert werden konnte, ist allerdings reiner Zufall. Taylor Hackford musste 15 Jahre lang mit dem Konzept zu seinem ähnlich angelegten Drama Ray (über das Leben von Ray Charles) hausieren gehen, bis sich mit Philip Anschutz ein Produzent für den Film fand. Um „Walk The Line“ realisieren zu können, musste ein ähnlicher Spießroutenlauf hingelegt werden. Die Filmrechte lagen lange Zeit bei James Keach, einem engen Vertrauten der Cash-Familie. Es dauerte vier Jahre, bis dieser davon überzeugt werden konnte, dass es Zeit für einen Johnny-Cash-Film sei. Bis dann schließlich mit den Dreharbeiten begonnen werden konnte, vergingen weitere vier Jahre, in denen immer wieder am Drehbuch von Gill Dennis gefeilt wurde. Ein beträchtlicher Aufwand, der letzten Endes wohl auch der Grund dafür war, dass der US-Major Columbia es ablehnte, sich an diesem Projekt zu beteiligen.

    Inhaltlich bedienen sich Mangold und Dennis größtenteils bei den Biographien „The Man In Black“ und „Cash: An Autobiographie“. Als problematisch erweist sich dabei, dass selbst in der Zeit bis 1968 sehr viel im Leben von Johnny Cash passiert ist. Fast sogar zu viel für einen Film. Daher handelt Mangold einzelne Punkte teils sehr schnell ab, wodurch ein etwas unrunder Eindruck entsteht. Eben noch war Cash Soldat in der amerikanischen Besatzungszone in Nachkriegs-Deutschland und einen Schnitt später ist er verheirateter Familienvater. Auch über die musikalische Bedeutung von Johnny Cash erfährt der Zuschauer recht wenig. Zwar wird auf die Entstehungsgeschichten einzelner Songs wie „Walk The Line“ oder „Ring Of Fire“ eingegangen, aber was denn nun den Musiker Johnny Cash von anderen Musikern unterscheidet, ist eine Frage, die im Film nicht beantwortet wird. Der Fokus liegt eindeutig auf dem Menschen Cash. Und trotzdem ist der Film mit satten 135 Minuten recht üppig geraten. Es ist zwar schade, dass auf die Zeit nach 1968 kaum eingegangen wird (auch die rätselhafte Krankheit, an der er letztlich verstarb, wird mit keiner Silbe erwähnt), aber zu ändern war dies wohl nicht.

    Dass „Walk The Line“ trotz diverser kleiner Mängel prächtig funktioniert, ist vor allem ein Verdienst der glänzend aufgelegten Hauptdarsteller. Mit ihnen steht und fällt der Film. Betracht man nur das äußerliche Erscheinungsbild, ist Joaquin Phoenix (Signs, Gladiator, The Village) im Grunde eine Fehlbesetzung. Mit der wuchtigen Erscheinung von Johnny Cash kann dieser einfach nicht mithalten. Doch da sich Cash vor seinem Tod selbst für diese Besetzung stark gemacht hat, kann die Entscheidung so falsch nicht gewesen sein. Und in der Tat, bereits nach wenigen Minuten ist man über die anfängliche Verwirrung hinweg und akzeptiert Phoenix als das, was er nun einmal ist: ein verdammt guter Schauspieler. Die Wandlung vom schüchternen Newcomer, über den selbst zerstörerischen Musik-Star hin zum geläuterten Mann ist zu jeder Zeit ganz großes Kino. Auch der zweite Besetzungscoup überrascht zunächst. Ausgerechnet Reese Witherspoon („Eiskalte Engel“, Natürlich blond, Natürlich blond 2, Sweet Home Alabama) soll also als starke Frauenrolle in einem großen Film über einen großen Mann glänzen? Doch auch ihr gelingt es in kürzester Zeit, alle Bedenken vergessen zu lassen. Bereits mit Vanity Fair bewies sie, dass sie eben mehr kann, als nur das blonde Naivchen zu spielen und dabei gut auszusehen. Bitte mehr davon! Ganz stark ist auch der Auftritt von Robert Patrick (Terminator 2) als von Missgunst zerfressener Vater. Da hat sich wohl jemand an die guten Tage der jetzigen B-Movie-Ikone erinnert. Eine interessante Randnotiz: Robert Partrick hat nun die Filmväter von Johnny Cash und Elvis Presley (in der Mini-Serie „Elvis“) verkörpert. Ein etwas undankbarer Part kommt Ginnifer Goodwin (Mona Lisas Lächeln) zu. Ihre Rolle von Johnny Cashs erster Ehefrau gibt nicht all zu viel her, um sich in den Vordergrund spielen zu können.

    Musikalisch ist „Walk The Line“ natürlich ein absoluter Hochgenuss. Dabei beschreitet James Mangold einen gänzlich anderen Weg als Taylor Hackford in Ray. Hackford entschied sich dazu, nicht seine Schauspieler singen zu lassen, sondern auf Archivaufnahmen zurück zu greifen. Mangold hingegen vertraut voll dem Gesangstalent seiner Darsteller. Joaquin Phoenix und Reese Witherspoon sangen alle ihre Lieder selbst. Ein mutiger Schritt, der voll aufgeht. In den zahlreichen Gesangspassagen kommt eine unglaublich intensive Stimmung auf, die voll zu begeistern weiß. Mitunter sind es gar richtiggehend magische Momente, wenn Joaquin Phoenix mit einem „Hello, I’m Johnny Cash“ zu einem neuen Konzert lädt. Lobend sollte auch erwähnt werden, dass der Film keinesfalls vor den weniger ruhmreichen Abschnitten im Leben von Johnny Cash halt macht. Im Gegenteil. Diese stehen eigentlich im Mittelpunkt. Sicherlich: Kleine Mängel lassen sich nicht wegdiskutieren. Trotzdem ist James Mangold mit „Walk The Line“ die würdige Verfilmung des Lebens eines großen Mannes gelungen. Daumen hoch! Link-Tipp: CD-Kritik „Walk The Line“-Soundtrack

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