Es ist schon ein kluger Marketing-Schachzug, den sich das DVD-Label Kinowelt für das Anpreisen der Direct-To-DVD-Veröffentlichung „Spartan“ ausgedacht hat. Auf dem Frontcover prangert groß Val Kilmer mit einer Lederjacke und Sonnenbrille - die Coolness in Person. Dazu lässig auf die Schulter gelehnt ein großkalibriges Gewehr. Das sieht nach Rache aus, nach Action, nach cooler Gewalt, nach genau jenem, was bei einem Großteil der Videothekenkunden zieht. Es ist wohl der Hauptgrund, warum „Spartan“ in der ersten Woche sofort auf Platz eins der deutschen Leihcharts schoss. Nur spekuliert werden kann, wie viele Leihkunden den Film mit langen Gesichtern zurückbrachten. Denn bei dem Bild wird keiner mehr auf den Namen des Autors und Regisseurs des Films geachtet haben. Wenn einem der Name dann überhaupt etwas gesagt hätte, wäre man wohl stutzig geworden. David Mamet ist der Mann hinter „Spartan“. Er gilt als einer der besten Dialogautoren Hollywoods, hat das Theaterstück Glengarry Glen Ross geschrieben und natürlich auch das Drehbuch für die zugehörige exzellente Kinoadaption. An der Satire Wag The Dog war er maßgeblich beteiligt, das Skript für Brian De Palmas „Die Unbestechlichen“ stammt genauso wie das für Sidney Lumet ruhiges Gerichtsdrama „The Verdict“ aus seiner Feder. Dieser David Mamet soll einen Film auf den die obigen Attribute zutreffen gemacht haben? Nein, hat er natürlich nicht. Auch wenn „Spartan“ einige Actionszenen beinhaltet, so handelt es sich dabei um einen um Tiefgründigkeit bemühten Polit-Thriller, der mal wieder die Mächtigen demaskiert. Schade nur, dass dabei der Regisseur Mamet dem Autor Mamet zu oft im Weg steht.
Es geht um Desillusionierung, das perverse Spiel der Geheimdienste, um Macht und um falschen Glauben in „Spartan“, einem Verweis auf den spartanischen König Leonidas I. (siehe 300), der, wenn Nachbarvölker ihn um Hilfe baten, stets einen Mann aussandte. Jener eine Mann ist im heutigen Amerika Robert Scott (Val Kilmer), ein treuer Elitesoldat. Er fragt nicht, er befolgt Befehle und er erwartet von seinen Untergebenen dasselbe. Eben noch hat er ein paar Frischlinge ausgebildet, nun muss er schon zum nächsten Einsatz. In einer geheimen Kommandozentrale des Secret Service liegen die Nerven blank. Laura Newton (Kristen Bell), die Tochter des Präsidenten, ist verschwunden. 48 Stunden Zeit bleiben, sie zu finden, dann bekommt die Presse Wind davon. Mit dem gerade von ihm ausgebildeten Curtis (Derek Luke) nimmt Scott die Spur auf. Regeln gibt es keine: Folter, Betrug, bis hin zu Mord, jedes Mittel ist ihnen recht, Laura zu finden. Schnell verfestigt sich eine Spur zu einem Mädchenhändlerring. Und dieser scheint gar keine Ahnung davon zu haben, wer ihnen da in die Hände gefallen ist.
Natürlich ist das Ganze viel hintergründiger und es handelt sich bei „Spartan“ nicht nur um die bloße Suche nach einem Entführungsopfer. Die Handlung legt ihre Wendungen hin, wobei es vor allem ein Kunststück ist, wie unaufgeregt die erste Große davon daher kommt. Beiläufig, ohne Paukenschlag wird der Zuschauer plötzlich vor den Kopf gestoßen und alles was bisher der Plot des Films war, zählt scheinbar nicht mehr. Das ist brillant von David Mamet, der auch mal wieder mit punktgenauen Dialogen seine Klasse beweist. Er hält nichts von ausufernder Charakterbeschreibung, von ewig langen Erklärungen. Der Zuschauer wird förmlich ins kalte Wasser geworfen, er wird ab einem Punkt der Handlung Zeuge von dieser, was davor geschah, muss er aber selbst herausfinden. Mamet verschwendet zum Beispiel keine Sekunde Zeit dafür zu erklären, wer Laura Newton ist. Er lässt niemanden sagen, „Hilfe, die Präsidententochter ist entführt worden“, nein, die Leute sagen, „Laura Newton ist entführt worden“. Die Personen des Films wissen alle, wer Laura Newton ist, warum sollte es also einer dem anderen erklären, nur damit es der Zuschauer auch sofort weiß. Das ist Mamets Stil, der hat ihn zu diesem besonderen Autor gemacht, mit dem viele große Regisseure gerne zusammenarbeiten.
Sie schätzen an Mamet die Doppelbödigkeit, die Intelligenz. In „Spartan“ ist die ganze Entführungsgeschichte im Endeffekt sekundär. Sie ist das Futter für den Mainstream, die Masse. In Wirklichkeit geht es Mamet um etwas ganz anderes. Die Desillusionierung des Soldaten, der amerikanischen Werte. Scott ist Patriot durch und durch, hat nie Befehle hinterfragt, denn er hat an sein Land geglaubt. Später werden ihm die „Rules Of War“ nur noch als Zigarettenpapier dienen und er wird einen anderen beneiden, für den es Zeit ist „to go home“. Er hat derweil schon erkannt, dass er nur Spielball zwischen Mächtigen war, denen unschuldige Menschenleben nichts bedeutet haben. Er selbst hat getötet und gefoltert, doch immer im guten Glauben, damit andere zu retten. Er muss nun feststellen, dass andere für weit weniger töten und foltern lassen.
Es ist kein Zufall, dass Mamets Thriller in den USA im Jahr 2004 herauskam. 2004 war das Jahr der Präsidentschaftswahl Bush gegen Kerry. Auch in „Spartan“ steht der Präsident vor der Wiederwahl. Er ist selbst (fast) nicht zu sehen, doch es wird kein Zweifel daran gelassen, wie verabscheuungswürdig er ist und für welche Seite er steht. Da passt es ganz gut herein, dass Kerrys Tochter Alexandra eine kleine Gastrolle übernommen hat, das Projekt also unterstützt. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die liberale US-Kritik den Film, der an den Kinokassen allerdings enttäuschte, begeistert aufnahm.
Doch um in diese Lobeshymnen einzustimmen, fehlt dem Film leider etwas: Der große Regisseur! David Mamet ist kein schlechter, das haben der Con-Thriller Heist - Der letzte Coup oder die Satire State And Main bewiesen, beides sind aber auch Filme, die vor allem vom Drehbuch leben und mit einem großen Regisseur noch besser geworden wären. So auch „Spartan“. Wenn Mamet seine Unterhaltungen mittels schier endlosen Schnitt-Gegenschnitt-Montagen präsentiert, dann ist das meilenweit entfernt von dem, was modernes Kino bedeutet. Dass ist in seiner dauernden Wiederholung einfach dröge und schadet dem Film unnötig. Leider presst er den Film bisweilen auch viel zu stark in Richtung seiner politischen Botschaft und macht dafür Abstriche bei Spannungsaufbau und Glaubwürdigkeit. Schlussendlich versagt er sogar leider ein Stück weit auf seinem Kernterritorium. Die Wendungen werden schnell absehbarer, das Spiel durchschaubarer und wer am Ende schlussendlich dem Protagonisten entgegen tritt, ist auch früh zu erahnen.
Das ist auch ein Problem des Castings. Es immer begrüßenswert, wenn gute Schauspieler verpflichtet werden. Wenn Mamet dann noch einen besonders hervorragenden Vertreter seiner Zunft als guten Freund hat und es daher selbstverständlich für diesen ist, in Mamets Projekt mitzuwirken, ist das auch keine schlechte Sache. Nur weiß der Zuschauer, dass solch ein guter und mittlerweile auch prominenter Schauspieler nicht dafür verpflichtet wird, um bei allen Szenen beiläufig im Hintergrund zu stehen. Der muss irgendwann seinen großen Auftritt bekommen und schnell ist klar, dass da einfach nur die Rolle des Bösewichtes überbleibt. In der Hauptrolle ist Val Kilmer mal wieder exzellent gecastet und man kann mit Freude feststellen, dass die einst ins Stocken geratene Karriere, auch dank des Mitwirkens in solch kleineren Thrillern (z.B. auch „Wonderland“), wieder gut läuft. Für eine Überraschung sorgt Ed O'Neill, der den meisten Zuschauern wohl am ehesten als Al Bundy bekannt ist. Der beweist hier, dass er auch ernst sein kann und man bei seiner kleinen Rolle als etwas undurchsichtiger Geheimdienstchef keinen Moment an seine komische Vergangenheit denken muss. Leider befreit einen das nicht von den Gedanken, was aus diesem Stoff wohl geworden wäre, wenn Mamet das Drehbuch weiter gereicht hätte.