Robert Siodmaks Thriller "Rächer der Unterwelt" von 1946 gilt als einer der größten Klassiker des Film noir. Der im Original mit "The Killers" betitelte Film, baut auf der gleichnamigen Kurzgeschichte von Ernest Hemingway auf – dem Autor soll die Verfilmung so gut gefallen haben, dass er sich seine Privatkopie über 200 Mal angesehen hat. Für die beiden damals noch unbekannten Hauptdarsteller, Burt Lancaster und Ava Gardner, war "Rächer der Unterwelt" der Beginn ihrer Weltkarrieren.
In einer amerikanischen Kleinstadt betreten zwei Auftragsmörder am Abend einen Imbiss, um dort dem Tankwart Ole (Burt Lancaster), der von allen nur "der Schwede" genannt wird, aufzulauern. Als dieser nicht wie geplant erscheint, gehen sie zu seiner Pension. Obwohl Ole vorher gewarnt wird, unternimmt er keinen Fluchtversuch, sondern fügt sich tatenlos seinem Schicksal. Später untersucht der Versicherungsdetektiv Reardon (Edmond O‘Brien) den Fall und entdeckt ein mysteriöses Netz aus Lügen und Verbrechen, in dessen Zentrum die schöne Kitty Collins (Ava Gardner) steht.
Der Film noir entstand in den 1940ern, über die der deutsche Expressionismus weltweit seinen Schatten wirft. Die ohnehin schon schwer verdaulichen Hardboiled-Krimistorys werden dadurch ästhetisch noch zusätzlich verdüstert. Der immense Einfluss der deutschen Filmästhetik kam dabei nicht von ungefähr: Viele deutsche Filmschaffende, wie zum Beispiel Fritz Lang, emigrierten nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in die USA und brachten ihr in der Heimat erworbenes, expressionistisch gefärbtes Können mit. Einer der bekanntesten und erfolgreichsten deutschen Regisseure in Amerika, die den Film noir nachhaltig prägten, war der gebürtige Dresdner Robert Siodmak. In der zweiten Hälfte der 40er-Jahre wurde Siodmak zum erfolgreichsten und höchstbezahlten Regisseur des Filmstudios Universal. Der Film noir war zu diesem Zeitpunkt längst zur vorherrschenden Strömung des amerikanischen Nachkriegskinos geworden. Die vorherrschende pessimistische Stimmung vieler Menschen konnte damit stilistisch trefflich reflektiert werden.
Das Drehbuch von Anthony Veiller, John Huston und Richard Brooks, war für die damalige Zeit nahezu revolutionär. Anstatt den Film, wie in Hollywood bis dahin üblich, streng chronologisch aufzubauen, springt die Handlung in der Zeit immer wieder hin und her. Jede Episode stellt für die Ermittlungen Reardons und für das Verständnis des Zuschauers ein weiteres Puzzleteil dar, dessen Gesamtbild erst ganz am Ende sichtbar wird. Siodmak, der sich als Vertreter der Neuen Sachlichkeit etwas von der expressionistischen Metaphorik entfernte, gestaltete "Rächer der Unterwelt" inszenatorisch über weite Strecken eher nüchtern-dokumentarisch. Im starken Kontrast dazu stehen extreme Low-Key-Aufnahmen, also sehr dunkle und nur von vereinzelten Lichtquellen punktuell beleuchtete Kulissen. Es ist gerade der Realismus, der die bedrohliche Atmosphäre und die moralische Verkommenheit noch beklemmender macht.
Ganz in diesem Sinne ist auch der erste Auftritt Ava Gardners als Nachtklubsängerin Kitty Collins inszeniert. Kitty ist gleichermaßen schön, verrucht und potenziell gefährlich. Sie ist der Archetypus einer Femme fatale, die weibliche Verkörperung all dessen, was einen echten Film noir ausmacht. Nicht ohne Grund wurde Gardner mit ihrer Rolle als Kitty sofort zum Weltstar. Auch Ole Anderson, der ehemalige Boxer, wird magisch von dieser begehrenswerten Frau angezogen wird. Er merkt nicht, dass sie ein Spiel treibt, dem er nicht gewachsen ist. Dem Publikum ging es seinerzeit womöglich ähnlich – das macht den Erfolg von "Rächer der Unterwelt", einer der düstersten Vertreter seines Genres, noch plausibler.
Fazit: Robert Siodmak hat mit "Rächer der Unterwelt" eine sehr durchdachte und stilsicher inszenierte Film noir-Variante abgeliefert, die vor allem durch ihre schlüssige Vermischung von realistischen und düster-mysteriösen Elementen besticht.