Wenn zeitgenössische Horrorfilme achtbare Box-Office-Erfolg verbuchen, sind baldige Fortsetzungen reine Formsache. Doch dem war nicht immer so. Die ersten lukrativen Franchises mit Serienschlächter waren die „Halloween"- und „Freitag der 13."- Reihen. Während die Studios heute feste Serien-Routinen haben – man beachte nur die Abwicklung der „Saw"- oder „Paranormal Activity"-Reihen –, war das Fortsetzungsgeschäft in den frühen 80ern noch Neuland und es ist gerade aus heutiger Sicht interessant, die keineswegs reibungslosen Ummodelierungen abgeschlossener Filme in Serien nachzuvollziehen. Mit „Halloween 2" etwa wurde die Geschichte mit höherem Budget, professionellerer Ausführung und doch ohne die Originalität des Erstlings unmittelbar weitergeführt – angesiedelt in der gleichen Nacht wie der Erstling. Beim zweiten „Freitag der 13." wurde gar der Schlitzer selbst ausgetauscht. In der Regel galt allerdings: Mehr vom gleichen. Einen Sonderstatus in der Geschichte der frühen Sequel-Manie nimmt dabei die erste Fortsetzung von Wes Cravens Überraschungserfolg „Nightmare – Mörderische Träume" ein. Die von Horror-Newcomer Jack Sholder inszenierte Fortführung der Freddy-Krueger-Saga ist ein skurriler, in der Summe seiner weitestgehend gescheiterten Experimente aber auch ausgesprochen reizvoller Treppenwitz der Horror-Geschichte.
Fünf Jahre stand das Haus an der Elm Street nach den dramatischen Ereignissen um den irren Traummörder Freddy Kruger leer – bis Familie Walsh das einstige Heim von Nancy Thompson und ihrer unglückseligen Familie bezieht. Bald jedoch wird auch Sprößling Jesse (Mark Patton) von Albträumen geplagt, in denen er vom verbrutzelten Bad Guy Krueger (Robert Englund) bedrängt wird. Kruger will Jesses Körper als Avatar benutzen, um in der realen Welt Schandtaten zu vollführen. Nachdem er in Jesses Gestalt bereits den despotischen Coach Schneider (Marshall Bell) ermordet hat, scheint es, als würde ihm dies auch gelingen. Mit Hilfe seines besten Kumpels Ron (Robert Rusler) und seiner Freundin Lisa (Kim Myers) versucht Jesse nun, Freddys teuflischen Fängen zu entkommen...
Eines kann man von „Nightmare 2 – Die Rache" gewiss nicht behaupten: Dass es sich Jack Sholder leicht gemacht und sich zu sklavisch am Original orientiert hätte. Stattdessen wagt er Neuerungen, die oft mehr schlecht als recht funktionieren und von seinen Serien-Nachfolgern auch wieder verworfen wurden. Seine Pionierhaltung verdient dennoch Respekt. So steht hier keine junge Scream-Queen im Mittelpunkt, sondern ein verschüchterter und etwas verzärtelter Knabe. Mit einem derartig gezeichneten männlichen Protagonisten bekommen die Franchise-Themen Traum und Trauma einen neuen Dreh – was zu gehörigen freud'schen Versprechern bei allen Beteiligten führt und „Nightmare 2" zu einem der homoerotisch aufgeladensten Genre-Filme überhaupt macht. So gibt der tatsächlich homosexuelle Hauptdarsteller Mark Patton eine geradezu hysterische Scream-Queen-Performance ab und auch sonst deutet vieles in Richtung „Gay Horror".
Da verschmäht Jesse immer wieder die „Freundin" Lisa, um mit Kumpel Ron rumzuhängen, schlafwandelt (!) in eine Schwulenkneipe (!!), wo er von seinem despotischen Sportlehrer aufgegabelt (!!!) wird, der wiederum später nackt, gefesselt, ausgepeitscht und massakriert endet. Desweiteren gibt es einen deutlich „queeren" Tanz zu bestaunen – und wenn Freddy in einer Schlüsselszene förmlich aus Jesse herausbricht, fällt es schwer, nicht an das Sinnbild vom „Coming Out" zu denken. Reiz und Faszination des Film rühren daher, dass dieser Subtext allem Anschein nach nicht beabsichtigt war, sondern wohl einfach aus kollektiver Unbedarftheit erwachsen ist. So oder so nimmt „Nightmare 2" einen Sonderstatus im sonst so verklemmt-heteronormativen Genre-Kino ein. Hiergegen wirkt selbst „Top Gun" strikt heterosexuell.
Abseits dieser Eskapaden wird etwas ungelenk versucht, den Mythos des Erstlings fortzuführen, indem schlichtweg der vorige Schauplatz wieder aufgegriffen wird. Darüber hinaus wissen Sholder und Drehbuchautor David Chaskin, der sich danach flugs ins Karriere-Nirgendwo verabschiedet hat, nicht viel mit dem Szenario anzufangen. Warum hier plötzlich ein mutierter Vogel durch die Gegend fliegt oder Freddy im Schlussakt eine Gartenparty aufmischt, wissen höchstens die Traumgötter – die Macher aber ganz offenbar nicht. Dafür jedoch übt sich Sholder in Ökonomie und treibt die Geschichte schnell und effizient voran, während Robert Englunds Bösewicht Krueger spürbar mehr Leinwandzeit spendiert bekommt und Freddy ausbauen kann, hier noch ohne dass der Schlitzer dabei zur Witzfigur verkommt, wie es ab Teil 4 der Fall war.
Auch die Spezialeffekte, die in bester 80er-Manier noch wunderbar handgemacht sind, überzeugen. Insbesondere die Szene, in der sich Freddy aus Jesses Körper schält, ist ein echtes Effekt-Highlight und hält dank der engagierten Arbeit des Make-Up-Gurus Mark Shostrom sogar einem Vergleich mit den großartigen Transformations-Sequenzen aus „American Werewolf" stand. Zwischen unkontrolliert ausschlagendem Subtext und gelungenen Horror-Momenten versprüht „Nightmare 2" so einen betagten und in vielerlei Hinsicht zweifelhaften Charme. Ein guter Film sieht anders aus, auf eine schräge Art unterhaltsam ist Sholders Freddy-Auslegung so aber dennoch, insbesondere für Genre-Historiker. Vor dem Hintergrund einer Zeit, in der Horror-Sequels im Prinzip noch austauschbare Remakes ohne Mut zur Variation sind, ist der konfuse und antiklimatisch ausklingende „Nightmare 2" dann doch angenehm anders.
Fazit: Beim seltsam kurzweiligen „Nightmare 2" wird kaum ein Fettnäpfchen ausgelassen. Dennoch muss man den Filmemachern hinter Freddys zweitem Streich ihre Risikobereitschaft hoch anrechnen – ein solches Wagen und Scheitern wäre heute undenkbar.