Roland Emmerich ist ein bekennender Gigantomane. Der schwäbische Regisseur, der seit 1992 sein Brot in Hollywood verdient, hat noch nie gekleckert – Klotzen im ganz großen Stil ist seine Devise. Mit dem Katastrophen-Action-Thriller „The Day After Tomorrow“ versucht er, sich selbst in den Schatten zu stellen und den Begriff des Sommer-Blockbusters neu zu definieren. Mit atemberaubenden Effekten will er die Welt verblüffen. Das gelingt sogar teilweise, aber das apokalyptische Weltuntergangsszenario „The Day After Tomorrow“ scheitert im Kern wieder einmal an Emmerichs Achillesferse: Die Story ist so lausig und klischeebeladen, dass sich das Vergnügen an der knalligen Destruktionsorgie in überschaubaren Grenzen hält.
Der anerkannte Klimatologe Jack Hall (Dennis Quaid) warnt seit jeher vor den Folgen der globalen Ausbeutung der Ressourcen und dem damit einhergehenden Eingriff in das Klimagefüge der Erde. Laut seiner Theorie steht der Menschheit sogar eine neue Eiszeit bevor – allerdings rechnet er damit erst in Jahrzehnten, wenn nicht gar Jahrhunderten. Die Realität holt den Professor früher ein, als er es sich in seinen kühnsten Albträumen vorgestellt hätte. Innerhalb von Wochen gerät das Weltklima vollkommen aus den Fugen. Tornados toben rund um den Erdball, über Tokio geht ein mörderischer Hagelsturm nieder und in Neu-Delhi fängt es plötzlich an zu schneien. Trotz der Warnungen Halls sieht die amerikanische Regierung keinen Grund zum Handeln und nimmt seine Vorhersagen nicht ernst. Erst als es fast zu spät ist, sollen Hall und sein Team, retten, was zu retten ist. Während der Klimaexperte mit der Koordination der Maßnahmen beschäftigt ist, muss er sich auch noch große Sorgen um seinen 17-jährigen Sohn Sam (Jake Gyllenhaal) machen. Der steckt in New York, das gerade von einer gigantischen Flutwelle heimgesucht wurde, fest. Durch einen endzeitlichen Kälteeinbruch droht der Big Apple zum tödlichen Mega-Gefrierschrank zu werden. Hall will sein Versprechen, seinen Sohn aus der Eishölle herauszuholen, nicht brechen...
Als sparsamer Schwabe machte sich Roland Emmerich in Hollywood beliebt. Sein größter Erfolg, der Alien-Actioner „Independence Day“ kostete 70 Millionen Dollar, sah aber doppelt so teuer aus. Die Zerstörung und Rettung der amerikanischen Kultur spielte weltweit über 900 Millionen Dollar ein. Bei seinen Folgewerken „Godzilla“ und „Der Patriot" fielen die Erfolge jedoch weit geringer aus, dazu gab es Prügel von der internationalen Kritik. Emmerichs penetranter US-Hurra-Patriotismus stieß besonders dem Alten Europa sauer auf. Einen Grund, seine Arbeitsweise zu ändern, sah der versierte Pyrotechniker allerdings nicht.
„The Day After Tomorrow“, mit 125 Millionen Dollar fürstlich budgetiert, trägt unzweifelhaft die Handschrift des sympathischen Exil-Schwaben. Alle Zutaten des Emmerich’schen Destruktionsuniversums sind beigemengt: Gigantische, atemberaubende Spezial-Effekte, der unvermeidliche US-Patriotismus, eine zackige Heldenmoral ... und leider auch wieder eine holprige, hanebüchene Handlung. Die größten bzw. beinahe einzigen Trümpfe, die „The Day After Tomorrow“ interessant machen, sind ohne Zweifel diese größtenteils grandios konstruierten Bilder der globalen Zerstörung vor dem Hintergrund weltbekannter Monumente und Kulissen: Hagelkörner so groß wie Basebälle prasseln auf Tokio nieder, Los Angeles wird von einer Tornado-Serie dem Erdboden gleichgemacht und eine monströse Flutwelle überschwemmt die Straßen von New York, das anschließend einer neuen Eiszeit entgegen gehen zu scheint und dem gigantischsten Wettertief aller Zeit trotzen muss. In diesen Szenen entfaltet der Film seine brutale, mitreißende Wucht. Der Zuschauer kann sich genüsslich an der Katastrophe weiden und seinem Voyerismus, der wohl in jedem steckt, nach Herzenslust frönen. Hurra, es ist Weltuntergang und du bist dabei...
Doch leider ist die großartige technische Umsetzung, die nur von gelegentlich zu erkennenden CGI-Hintergründen gestört wird, nur die eine Seite der Medaille. Seine große Schwäche hat Emmerich immer noch nicht in den Griff bekommen: das Drehbuch. Diesmal schrieb er nach einer eigenen Idee mit Jeffrey Nachmanoff am Script. Das ist allerdings nicht besser als bei einem durchschnittlichen TV-Katastrophen-Thriller auf B-Movie-Niveau. Alle Klischees, die auch nur denkbar sind, packen die beiden Autoren in ihre Reißbrettgeschichte. In Ermangelung eines menschlichen (oder wahlweise außerirdischen) Feindes wollten sie scheinbar andere inhaltliche Reizpunkte setzen. Die fallen jedoch so platt aus, dass es weh tut. Der Charakter des US-Vize-Präsidenten (undankbar: Kenneth Welsh als stoischer Pappkamerad) ist so schreiend dämlich und unrealistisch, dass dieser Umstand für Verärgerung sorgt: ein sturer, arroganter Top-Politiker, der alle Warnungen der Experten in den Wind schreibt und sein ganzes Land beinahe in die Katastrophe führt - wie originell.
Die Hauptcharaktere setzen sich ebenfalls aus den üblichen verdächtigen Stereotypen zusammen. Dennis Quaid („Traffic", „Alamo") ist als besessener Wissenschafter, der nie Zeit für seinen Sohn hat, maßlos unterfordert. Doch sein Charisma bewahrt ihn vor dem Schiffbruch, auch wenn er dadurch nicht alles überspielen kann. Der hochtalentierte Jake Gyllenhaal („Donnie Darko“, „Moonlight Mile") ist ebenso verschenkt, aber wenigstens weckt er Sympathie und somit ist sein Minimalauftrag glanzlos erfüllt. Ian „Bilbo“ Holm („Herr der Ringe“, „Der fünfte Element“), der irgendwann kommentarlos von der Bildfläche verschwindet und seinem Leinwandschicksal überlassen wird, liefert nichts Außergewöhnliches, spielt aber solide. Der Rest ist keiner Erwähnung wert.
Was „The Day After Tomorrow“ wirklich zum Ärgernis macht, ist die schlampig gezeichnete Geschichte, die Emmerich und Nachmanoff um die Destruktionsorgien gezimmert haben. Der Ansatz, eine aktuelle Thematik wie die globale Klimazerstörung zu verarbeiten, ist durchaus lobenswert. Und den Anspruch auf Realismus erhebt der Regisseur schon gar nicht. Die vordergründige, Zeigefinger hebende Ökobotschaft des Films darf ebenfalls nicht ernst genommen werden, da sie nur als Vehikel für das Leinwand-Inferno dient. Theoretisch könnten diese Ereignisse stattfinden, allerdings nicht innerhalb von Wochen, sondern von Jahrzehnten oder Jahrhunderten. Die beste Devise: Gehirn an der Kinokasse abgeben und bloß nicht drüber nachdenken. Doch wenn die Logiklöcher im Verlauf des Films beängstigende Dimensionen annehmen und Dennis Quaid zur hanebüchenen Rettungsmission in Richtung verlorenem Sohn aufbricht, bleibt eigentlich nur lachen oder weinen. Mit eingestreuten, trockenen Onelinern gelingt es Emmerich wenigstens, das Szenario, das ansonsten bierernst verkauft wird, aufzulockern. Dazu gefällt der nette Seitenhieb auf die umgekehrte Einwanderungswelle: Die westlichen Staaten suchen in der Dritten Welt Asyl. Der typische Emmerich-Patriotismus inklusive heftig flatternder Fahnen ist noch spürbar, aber nicht ganz so störend wie zum Beispiel in „Independence Day“ („Dein Vater ist tot, aber du kannst stolz auf ihn sein, Junge“).
Eine Bewertung von „The Day After Tomorrow“ fällt nicht einfach aus. Das Maximum für die visuelle Umsetzung, das Minimum für die Rahmenhandlung. Die Zeit zwischen den Verwüstungen ist oft recht lang – um nicht zu sagen langweilig, so dass der Film lediglich ein zweifelhaftes Vergnügen bietet und den Ärger auf sich zieht, weil mit einem vernünftigen Drehbuch ein richtig guter Katastrophen-Actioner möglich gewesen wäre. So ist „The Day After Tomorrow“ ein gigantischer, funkelnder Hohlkörper von Film: äußerlich tadellos, brillant und sehenswert, innerlich leer und ereignislos. Wer es auf der Leinwand nur richtig krachen sehen will, wird sicherlich zufrieden aus dem Kino gehen – wer ein Fünkchen mehr erwartet, wird dagegen enttäuscht.