Sein Regiedebüt war gleich ein Volltreffer. Vor 13 Jahren landete Kevin Costner mit dem Indianer-Epos Der mit dem Wolf tanzt einen weltweiten Blockbuster (US-Einspiel: 185 Mio Dollar) und gewann obendrein noch sieben Oscars, darunter den für die beste Regie und den besten Film. Mit seinem Zweitwerk - dem postapokalyptischen Western Postman (1997) der keinesfalls so mies war, wie es gemacht wurde - setzte es für Costner einen derben Kassenflop (17 Mio Dollar US-Einspiel). Die Besinnung auf alte Tugenden bringt ihn nun wieder zurück ins Geschäft. Mit dem klassischen Western „Open Range" knüpft er an bessere Tage an. In den USA war der lediglich 26 Millionen Dollar teure Film ein Erfolg und spielte knapp 60 Millionen Dollar ein. Der grundsolide, sorgsam gezeichnete und gut gespielte „Open Range" gewann damit den Kampf im diesjährigen Western-Duell gegen Ron Howards misslungenen „The Missing" sowohl bei den Kritikern als auch an der Kinokasse.
1882: Boss Spearman (Robert Duvall) und Charley Waite (Kevin Costner) ziehen schon seit zehn Jahren gemeinsam durch die Weite des amerikanischen Westens. Die beiden Freunde treiben mit ihren Angestellten Mose (Abraham Benrubi) und Button (Diego Luna) Rinderherden über das offene Weidelande (englisch: Open Range). Das stößt bei dem Bewohnern der nahen Stadt Harmonville zunächst auf wenig Gegenliebe. Der Großrancher Baxter (Michael Gambon) hetzt seine Leute auf die so genannten Freegrazer. Mit der Unterstützung des Sheriffs (James Russo) lässt er Mose zusammenschlagen. Spearman und Charley bringen ihn zu Dorfarzt Barlow (Dean McDermott), Waite verliebt sich sofort in Sue (Annette Bening), die Schwester des Doktors. Allerdings geht er noch davon aus, dass die beiden verheiratet sind. Nach der nächsten Provokation durch Baxter hat Boss die Nase voll - der Viehbaron ließ Mose umbringen, Button wurde angeschossen und schwer verletzt. Spearman und Waite bringen ihn zum Doc zurück und fordern Baxter zum Kampf um Leben und Tod heraus.
Durch das sehr moderate Budget, Costner verzichtete auf seine Gage, war das Risiko der Produktion von „Open Range" relativ gering. Viel mehr Sorgen musste sich der „Dances With Wolves"-Regisseur um seinen guten Ruf machen. Mit seinem Erstlingswerk hatte er Maßstäbe gesetzt, mit dem Folgefilm seine Lorbeeren fast schon wieder verspielt. So schlägt „Open Range" eher in die Richtung von „Der mit dem Wolf tanzt". Zwar erreicht der Film nie die Qualität des Meisterwerks, aber das war wohl auch gar nicht die Absicht Costners. Er nimmt sich Zeit, viel Zeit, um seine Geschichte zu erzählen. Über satte 139 Minuten gibt er seinen Charakteren viel Raum, sich zu entfalten. Zwar kommt „Open Range" nicht um einige Klischees und eine konsequente im Western-Genre übliche Schwarz-Weiß-Zeichnung herum, aber das ist zu verschmerzen. Der guruhafte, gradlinige Gutmensch Spearman wird von Robert Duvall („Der Pate", „Nur noch 60 Sekunden") mit Ruhe, Sachlichkeit und gewohnter Präsenz gespielt. Kevin Costner hat sich die vielschichtigere Rolle ausgesucht und überzeugt als zerrissener Held, der von den Geistern der Vergangenheit geplagt wird. Im amerikanischen Bürgerkrieg wurde er für das Töten bezahlt, nun will er sein altes Leben endgültig hinter sich lassen und hofft, mit der schönen Sue, die sich auch in ihn verliebt hat, neu anfangen zu können. Doch dazwischen steht der tödliche Konflikt mit dem Großfarmer Baxter - solide gespielt von Michael Gambon („Harry Potter und der Gefangene von Askaban"). Annette Bening („American Beauty") fällt ebenso wie Gambon weder positiv noch negativ auf.
Costner versteht sein Handwerk als Regisseur. In wunderschönen Landschaftsaufnahmen nutzt er die Schauwerte der amerikanischen Weite. Gemächlich, aber stetig entfaltet er Charaktere und Geschichte. Alles läuft - ähnlich wie bei „12 Uhr mittags" - auf den großen sich ankündigenden Showdown zwischen Gut und Böse hinaus. Wer bis dahin seine Aufmerksamkeit aufrecht erhalten hat, wird belohnt. Bewegte sich „Open Range" bis dahin auf solidem Niveau, serviert Costner am langen Ende doch noch die erhoffte Action. Seine finale Auseinandersetzung entschädigt dann für eine gewisse Zähigkeit der Geschichte. Auf einmal bringt er neben der ausgefeilten Charakterarbeit auch Spannung in seine Inszenierung. Er lässt den Zuschauer mit seinen Einstellungen physisch spüren, was es heißt, von einer Kugel getroffen zu werden. Packend löst er seine Geschichte auf, bleibt dabei aber seinem klassischen Rollendenken treu. Auf der einen Seite die good guys, auf der anderen die bad guys. Hier hätte es auch gern etwas differenzierter sein dürfen.
Trotz einiger kleiner Längen ist „Open Range" in seiner Summe ein überzeugender, klassischer Western, der durch seinen starken Showdown zusätzlich punktet. Costner verweigert sich jeglichen Experimenten und inszeniert sein Western-Drama als schwermütigen Abgesang auf das Genre.