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    Das Haus aus Sand und Nebel
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Das Haus aus Sand und Nebel
    Von Claudia Holz

    Vollkommen naiv und dünnhäutig. Das sind die Attribute, die der Besucher für „Das Haus aus Sand und Nebel“, das Erstlingswerks des gebürtigen Ukrainers Vadim Perelman, im besten Falle als Einstellung mitbringen sollte. Der Film wirkt in seiner Einfachheit, in seiner Unvorhersehbarkeit und in seiner Emotionalität und schleicht sich langsam in den Kopf des Zuschauers, nur um dann von hinten anzugreifen und auch lange nach dem Kinobesuch nicht mehr loszulassen. Da sich der Film also am ehesten genießen lässt, wenn die Vorstellung möglichst unwissend besucht wird, raten wir deshalb jetzt allen Lesern an dieser Stelle die Kritik abzubrechen, vielleicht noch einen flüchtigen Blick auf die Wertung zu werfen und dann ab ins Kino zu gehen. Was, ihr seid immer noch da? Dann habt ihr entweder den Film schon gesehen, seid von der neugierigen Sorte oder lasst euch von eurem Online-Magazin nicht so leicht aus der Ruhe bringen. Natürlich soll auch „Das Haus aus Sand und Nebel“ ausführlich besprochen werden. Aber Vorsicht! Vergesst jetzt bitte alles, was ihr über Filme wisst und lasst euch nicht von der plakativen Inhaltsangabe abschrecken, denn die Atmosphäre und die Schauspieler sind es, die den Film zu einem interessanten Kinoerlebnis werden lassen.

    Kathy Nicolos (Jennifer Connelly) Ehe ist kaputt, sie versucht ihre Alkoholsucht in den Griff zu bekommen und trotzdem spielt ihr das Leben einen gemeinen Streich: Das Haus, welches sie von ihrem Vater geerbt hat, wird aufgrund eines Missverständnisses an die Stadt San Francisco überschrieben und zu einem Spottpreis versteigert. Für einen ehemaligen Colonel aus dem Iran (Ben Kingsely) und dessen Familie, wird dieses Haus zu einem Statussymbol. Mit dem Kauf des Hauses beginnen die Behranis, endlich die Leiter zu dem sozialen Wohlstand zu erklimmen, den sie im Iran vor langer Zeit genossen und von dem sie in Amerika bislang nur geträumt hatten. Behrani zieht mit seiner Frau (Shohreh Aghdashloo) und seinem Sohn (Jonathan Ahdout) in das Haus mit Meerblick, doch Kathy würde alles tun, um ihr Eigentum wieder zu bekommen. Leider ist dies nicht so einfach, denn ohne Behranis Zustimmung kann das Missverständnis nicht gelöst werden. Ein Polizist (Ron Eldard) schlägt sich auf Kathys Seite im beginnenden Streit um das Haus und auch er hat persönliche Motive. Als gutmütiger Mensch und mit einer großen Sehnsucht im Herzen, verliebt er sich in Kathy und verlässt sogar wegen ihr seine Frau und seine Kinder. Doch die Tragweite der Konsequenzen, die aus dem Kampf um Gerechtigkeit zwischen Kathy und Behrani entbrennen, kann niemand erahnen...

    Zunächst klingt das alles nicht besonders spektakulär, doch genau die simple Struktur des Drehbuches und die banal wirkende Geschichte verwandeln sich durch die Komplexität der Charaktere, deren Einfluss aufeinander und schließlich der sensiblen Umsetzung in einen Film der besonderen Art. Zunächst gibt es zwar keine Identifikationsfigur, denn sowohl Kathy als auch Behrani werden parallel und unabhängig von einander eingeführt. Doch schon ihre Geschichten allein sind interessant genug, um sich gerne darauf einzulassen. Behranis Leben als Tagelöhner und Vater einer Familie, wird Kathys Rauswurf aus ihrem Haus entgegengesetzt. Von beiden erfahren wir zunächst nichts über ihre Vergangenheit und erst mit dem Aufeinandertreffen ihrer Leben, schält sich, wie bei einer Zwiebel, das Schicksal der beiden Menschen heraus. Schon ab diesem Punkt werden die Ziele von Kathy und Behrani gegeneinander gesetzt und es wird klar, dass sie sich bekämpfen werden - ja sogar bekämpfen müssen, um zu überleben. Es ist die Geschichte von Menschen wie du und ich und deshalb lässt sich die Sehnsucht, die sie spüren so deutlich nachvollziehen. Alle haben einen Traum, ob groß oder klein, ob amerikanisch oder iranisch und der einzige Fehler, den sie begehen ist, sich ihre Träume nicht nehmen zu lassen. Basierend auf dem Roman von Andre Dubus III erzählt Drehbuchautor und Regisseur Vadim Perelman in seinem Film die emotionalen Fallhöhen von ganz gewöhnlichen Leuten und schafft es trotzdem, ein Stück Weltliteratur sehr kunstvoll, einnehmend, atmosphärisch und letzten Endes tragisch zu inszenieren. Dabei sind alle Schauspieler, die Kamera, der Schnitt und die Musik perfekte Instrumente in diesem melancholischen Orchester.

    Ben Kingsley ist wie immer phantastisch und erschafft eine unkonventionelle Figur. Sein Behrani ist ein weiser, stolzer Mann, der viel Grausamkeit in seinem Leben gesehen hat, Respekt gewohnt ist und trotzdem fähig zu Mitleid und bedingungsloser Liebe ist. Das alles sind Attribute, die sich in Kingsleys Darstellung nicht ausschließen, sondern seinen Charakter nur noch reicher machen. Seine Figur ist stets im Zwiespalt über seine Ziele und Motive, doch Kingsley überrascht uns in jeder Szene, ohne seine Statur zu verlieren. Jennifer Connelly als Kathy hat es etwas leichter, da ihr Charakter viel gradliniger erzählt wird, doch auch hier werden wir Zeuge unverhoffter Eigenschaften und Stärke, als Kathys Welt beginnt, sich um sie herum aufzulösen. Ebenfalls erwähnenswert ist Shohreh Aghdashloo als Behranis Frau, die es schafft, dass jedes Mal, wenn sie auftritt, das Heimweh dieser Ausländerin schmerzhaft greifbar wird. Obwohl sie nun ein langersehntes zu Hause besitzt, wird mit ihrer Figur klar, was Kathy ihrerseits an Stabilität verloren hat.

    Die Atmosphäre von „Das Haus aus Sand und Nebel“ ist melancholisch bis zuletzt, was vor allem durch die schlichte Kameraarbeit eines großartigen Roger Deakins nur noch hervorgehoben wird. Hier ist keine Einstellung zu viel und die Lichtsetzung unterstreicht die ungewöhnliche Erzählweise des Films. Mal in Nebel getaucht, mal mit Regen, dann wieder Sonnenschein und unwirkliche Schattenspiele im Haus. Deakins spielt mit einem großen Repertoire an Stimmungen und bleibt dicht an den Figuren, um auch ihre Stimmungen einzufangen. James Horners Musik erwirkt diesen Effekt ebenfalls, obwohl vielleicht an manchen Stellen auch der O-Ton gereicht hätte. Doch das bleibt reine Geschmackssache.

    Das Ende des Films ist überraschend, tragisch, dramatisch und befriedigend zu gleich und wird wahrscheinlich viele Fragen und auch Diskussionen aufwerfen. Doch die Unverblümtheit und Konsequenz mit der der Film endet, verdient Lob. Dennoch: Es tut körperlich weh, Zeuge dieses Finale zu sein und leider gibt es sowohl für die Figuren, als auch für den Zuschauer keine Gnade. Ob nun dieser kleine, bescheidene Film nur ein oberflächliches Melodram ist oder ein vielschichtiges Meisterwerk (beide Seiten werden von verschiedensten Kritikern vehement verteidigt), wir laden dazu ein, sich selbst davon zu überzeugen. Wer also an einem Freitagabend so richtig depressiv drauf ist und dies auch möglichst bleiben will, dem sei „Das Haus aus Sand und Nebel“ herzlich zu empfehlen.

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