Anfang 2012 rief die erfolgreiche Neuauflage der "Muppets" den viel zu frühen Tod ihres geistigen Vaters Jim Henson in Erinnerung: Mit nur 53 Jahren erlag der legendäre Puppenspieler 1990 einer Lungenerkrankung. Welche Projekte er noch hätte verwirklichen können kann man nur ahnen, doch dass seine Ambitionen über Kermit und Co. hinausgingen, ist gewiss. Denn schon in den 1980ern hatte Henson mit zwei aufwändigen Fantasyfilmen ernstere Töne angeschlagen: Zuerst 1982 mit dem epischen "Der dunkle Kristall" in dem ausschließlich Puppen vor der Kamera agierten, und 1986 mit "Die Reise ins Labyrinth", der damals zwar an den Kassen floppte, inzwischen aber zum Kult-Klassiker geworden ist.
Die 14-jährige Sarah (Jennifer Connelly) zieht sich gerne in ihre Phantasiewelt zurück. Dort ist sie sicher und wird nicht vom Geschrei ihres kleinen Bruders Toby (Toby Froud) genervt, für den sie oft den Babysitter spielen muss. Als sie eines Abends das Weinen des Säuglings besonders stört, wünscht sie sich, die Kobolde würden kommen und ihn holen – einen Moment später ist das Kinderbett tatsächlich leer. Der Koboldkönig Jareth (David Bowie) erscheint im Zimmer und bietet Sarah einen Handel an: Sie hat 13 Stunden Zeit Toby aus seinem Schloss zu befreien, dass inmitten eines riesigen Labyrinths steht. Schafft sie es nicht, muss Toby für immer bei den Kobolden bleiben. Sarah zögert keine Sekunde und läuft los. Auf ihrem Weg durch das Labyrinth muss sie viele gefährliche Hindernisse überwinden und begegnet einer Menagerie seltsamer Wesen, aber auch neuen Freunden wie dem grantigen Gnom Hoggle, dem zotteligen Untier Ludo und dem wieseligen, aber edelmütigen Sir Didymus. Mit ihrer Hilfe kämpft sie sich Stück für Stück näher an das Schloss heran...
Von der Titelsequenz, in der eine (nach heutigen Maßstäben) ungelenk computergenerierte Eule durch die Nacht fliegt, bis hin zu David Bowies Songs und seinem exzentrischem Strumpfhosen-Kostüm lässt dieser Film keinen Zweifel daran, aus welchem Jahrzehnt er stammt: Obwohl er bis auf die Szenen in Sarahs Elternhaus komplett in einer, im Studio entstandenen, Phantasiewelt spielt, ist die Ästhetik der 1980er stets präsent. Auch wohlmeinende Gemüter, werden daher zugeben müssen, dass man dem Film sein Alter ansieht.
Doch das ist angesichts der zeitlosen Story zweitrangig. Die klassische Coming of Age-Geschichte, die Sarah durchlebt, bewegt sich im Geist von Vorbildern wie "Der Zauberer von Oz" oder "Alice im Wunderland". Hier wie dort dienen die phantastischen Wesen und Landschaften der Bebilderung von Sarahs Innenleben, die lernen muss, ihre kindliche Selbstbezogenheit zu überwinden und Verantwortung zu übernehmen, ohne dabei ihre Kreativität einzubüßen. Besonders deutlich wird dies in einer surrealen Traum-Sequenz, in der auch Sarahs sexuelles Erwachen angedeutet wird. Wie so oft in diesem Sub-Genre krankt der Plot dabei an einer gewissen Episodenhaftigkeit: Zwischen den einzelnen Aufgaben und Gefahren, die Sarah überwinden muss, verliert bisweilen auch der Zuschauer das Ziel aus den Augen. Andererseits merkt man dem Drehbuch deutlich an, dass es aus der Feder von "Monty Python"-Mitglied Terry Jones stammt: Mehr als einmal blitzt in den Dialogen und absurden Situationen der subversive Humor der legendären englischen Truppe auf.
In ihrer ersten Hauptrolle gibt sich Jennifer Connelly redlich Mühe, doch neben all den phantastischen Figuren an ihrer Seite, bleibt sie eher blass. Und auch David Bowie bleibt in erster Linie David Bowie, dem man den Bösewicht nicht wirklich abkauft. Aber die wahren Stars des Films sind ohnehin das Set-Design und die zahllosen Kreaturen, die das Labyrinth bevölkern. Basierend auf Designs von Brian Froud, einem der bekanntesten Fantasy-Illustratoren, wird in jeder Szene ein Feuerwerk visueller Ideen und Einfälle abgefackelt. Seien es die Feen, denen Hoggle mit Insektenspray zu Leibe rückt, die Gesichter formenden Helfenden Hände, oder Jareths chaotischer Hofstaat: Auch im Hintergrund passiert so viel, dass man auch beim dritten oder vierten Sehen noch Neues entdecken kann. Henson und seine Truppe schöpfen ihr in 30 Jahren Puppenspiel-Erfahrung erarbeitetes Talent voll aus und demonstrieren, was diese inzwischen fast vergessene Kunstform leisten kann. Einige Jahre vor der digitale Ära entstanden, dürfte der Film daher vor allem für CGI-Verächter eine Fundgrube sein: Hier ist noch alles handgemacht und wirklich am Set entstanden, so wie es in der "guten alten Zeit" üblich war.
Fazit: Wer über den gewöhnungsbedürftigen 80's-Soundtrack hinwegsehen kann – und sich auch nicht an David Bowies prominent in Szene gesetztem Gemächt stört – der erlebt in "Die Reise ins Labyrinth" einen warmherzigen Fantasyfilm, der die Mängel seiner Story durch überbordenden Einfallsreichtum wieder wett macht. Ein Film für verregnete Sonntagnachmittage, am besten in Gesellschaft von Nichten, Neffen, oder dem eigenen Nachwuchs.