Kaum eine Hollywoodkarriere ist so reich an Auf und Abs, kreativen Höhenflügen und Bauchlandungen, Konstanten und Wendepunkten wie die des italienischen Hengstes Sylvester Stallone. Nachdem er sich lange als darbender Nebendarsteller in Roger-Corman-Produktionen durchschlug, gelang ihm schließlich mit dem Drehbuch zum Boxer-Märchen „Rocky" der Durchbruch. Plötzlich war der einstige Underdog in aller Munde. Die Jahre, bevor er sich 1982 mit „Rambo" eine zweite Stammrolle zulegte und zu einer Ikone des 80er-Actionkinos aufstieg, sind in der Stallone-Forschung immer noch umstritten – und gerade deshalb einen Rückblick wert. Mit dem „Rocky"-Erfolg im Rücken wagte er nämlich durchaus einige Experimente. So machte er etwa einen Ausflug ins Charakterfach in Norman Jewisons Gewerkschafts-Epos „F.I.S.T.", sammelte im „Vorhof zum Paradies" erste Regie-Erfahrungen und bestand neben Michael Caine und Max von Sydow im grandios gescheiterten Kriegsgefangenen-Fußball-Drama „Flucht oder Sieg". Oft genug ist er dabei auf die Nase gefallen. Sehr wohl aber stammen aus dieser Zeit auch Stallone-Filme, die zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind. So wie Bruce Malmuths kernig-körniger Terroristen-versus-Großstadtbullen-Thriller „Nachtfalken".
In ganz Europa ist der so gerissene wie skrupellose Berufsterrorist Wulfgar (Rutgar Hauer) gefürchtet. Nachdem er von einem seiner Weggefährten verraten wurde und sich nur durch seine Kaltblütigkeit der Verhaftung durch Interpol-Agenten entziehen konnte, lässt er sich ein neues Gesicht schneidern und flieht nach New York, wo er einen weiteren Coup vorbereitet. Bald kreuzt er dabei den Pfad des urigen Cops Deke DaSilva (Sylvester Stallone), der aufgrund seines guten Rufs als Kriegsheld in eine Anti-Terror-Einheit berufen wird. Zusammen mit seinem Partner Fox (Billy Dee Williams) begibt er sich auf die Jagd nach Wulfgar...
Ein Action-Rambazamba mit hoher Dezibelzahl und einem Stallone im Rambo-Modus ist „Nachtfalken" zu keinem Zeitpunkt. Stattdessen hat Regisseur Malmuth einen kompakten, angenehm zurückgenommenen urbanen Terror-Thriller inszeniert, der wirklich Laune macht. Zu Beginn nimmt er sich bemerkenswert viel Zeit, den brutalen Alltag des Terroristen Wulfgar zu zeigen. Mit dem jungen Rutger Hauer in seiner ersten internationalen Produktion hat er dafür auch genau den richtigen Mann an der Hand. Ein wenig glaubt man noch immer den verruchten Wilden aus den Frühwerken Paul Verhoevens in seinem Schurken zu erkennen. In seinen wenigen Dialogszenen werden ihm zwar reichlich klischeehafte Terroristen-Sprüche in den Mund gelegt – „Ich bin ein Befreier!" und so weiter. Doch das kaltschnäuzige Grinsen in den Mundwinkeln des killenden Holländers spricht eine andere Sprache, die Sprache eines sadistischen Triebmörders.
Ihm steht mit Deke ein einfach gestrickter Arbeiterklasse-Held gegenüber, dem zuzusehen einen ungeahnten Spaß macht, gerade weil Stallone zu diesem Zeitpunkt noch nicht der Action-Experte war, der er zwei Jahre später mit „Rambo" werden sollte. Sein Deke ist ein leicht verstrubbelter Sponti, der im Polizeidienst einen guten Job macht, ohne in Tough-Guy-Posen zu verharren. Im Alltag wirkt der buschig-bärtige Kumpeltyp eher überfordert und ein wenig tapsig und erinnert eher an einen vergrübelten „Serpico" als an eine grimmige Ein-Mann-Armee. Stallone, dessen nennenswert großes Ego mittlerweile hinlänglich bekannt ist, spielt angenehm zurückhaltend und liefert einen fehlbaren und damit auch spürbar sterblichen Helden ab, der zum mitfiebern einlädt. Mit Billy Dee Williams steht ihm ein Sidekick zur Seite, der jedoch keine prägende Rolle spielt.
Überhaupt kommt es Malmuth nicht darauf an, seine Figuren möglichst tief zu ergründen. Vielmehr gibt er seinen Darstellern Freiraum, ihre eigenen Interpretationen auszuspielen, ohne dass dabei gleich jedes Handlungsmotiv explizit ausgesprochen werden muss. Ein Blick, ein schiefes Grinsen oder eine lapidare Geste zur rechten Zeit erzählen hier oft genug! Dieses Understatement wird auch beibehalten, wenn sich die Situation schließlich zuspitzt – hier gibt es keine markanten One-Liner, kein Augenzwinkern und keine Faxen, sondern von entschlossenen Blicken und kurzen Überraschungsangriffen geprägte Thriller-Konfrontationen. Sowohl eine blutig verlaufende Szene, in der ein erschreckend gnadenloser Wulfgar seinen Häschern entgegentritt sowie eine zielstrebig-zackig inszenierte Verfolgungsjagd durch die U-Bahn-Schächte New Yorks bleiben in Erinnerung.
Wirklich derbe gestaltet sich einzig die letzte Konfrontation zwischen Deke und Wulfgar, bei dem letzterer versucht, seines Feindes Freundin Irene – die in einer dünnen Nebenhandlung verheizte Lindsay Wagner – zu ermorden. Aus Wulfgars Perspektive sieht man einen eiskalt ausgespielten Suspense-Moment, wie ihn selbst ein Brian De Palma kaum fesselnder hätte umsetzen können, bevor die Spannung sich in einem so brutalen wie erlösenden Moment entlädt. So steht der 80er-Streifen „Nachtfalken" mit einem Bein noch in der heute etwas unspektakulär scheinenden und doch fiebrig-paranoiden Actiontradition der 70er, irgendwo zwischen Sam Peckinpahs „Killer Elite", Don Siegels „Telefon" und John Frankenheimers „Black Sunday". Zur Großtat à la "French Connection" oder "Day of the Jackal" reicht es zwar nicht. Dennoch hat Malmuths kleiner, schmutziger Film mit seinen Qualitäten auch heute noch ein Publikum verdient – und das mit einem betont ruhigen statt wild metzelnden Stallone.
Fazit: Bruce Malmuths „Nachtfalken" ist einer jener Filme, über die man beim Zappen durchs Nachtprogramm stolpert und daran hängen bleibt. Saubere Erzählarbeit, gutes Schauspiel und kompetente Inszenierung überzeugen nämlich nach wie vor.