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    Tora! Tora! Tora!
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Tora! Tora! Tora!
    Von René Malgo

    Mit dem japanischen Luftangriff auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 erlebte die USA eine ihrer größten Demütigungen. Trotz deutlicher Vorzeichen wurde die Gefahr an entscheidenden Stellen nicht erkannt und der Informationsfluss verzögerte sich. Das Kriegsdrama „Tora! Tora! Tora!“ schildert jene Geschehnisse, von der Planung des Angriffs auf Pearl Harbor, über die Pannen beim US-Militär, bis zum schlussendlichen Angriff.

    „Tora! Tora! Tora!“ ist die erste Zusammenarbeit zwischen Japan und den USA. Für die japanischen Szenen waren die entsprechenden Regisseure Kinji Fukasaku und Toshio Masuda zuständig, für den US-Part Richard Fleischer. Ursprünglich sollte Altmeister Akira Kurosawa (Ran, Die sieben Samurai) Regie für Japans Anteil führen. Er hatte auch zugesagt, im Glauben, David Lean (Lawrence von Arabien) würde Regie auf amerikanischer Seite führen. Das war eine Lüge, Lean gehörte nie zum Projekt und als Kurosawa dies erfuhr, provozierte er erfolgreich seinen Rauswurf. Schade drum, zumindest mit einem dieser Meister wäre „Tora! Tora! Tora!“ sicherlich ein besseres Kriegsepos geworden. Doch auch das Ergebnis der vorgenannten, weniger prominenten Vertreter kann sich sehen lassen.

    Über den Inhalt des Filmes muss nicht allzu viel gesagt werden. Die Geschichte von Pearl Harbor ist hinlänglich bekannt und dem fügt „Tora! Tora! Tora!“ nicht viel hinzu. Was sich dem modernen Publikum bei näherer Betrachtung aber sofort aufdrängt, ist ein Vergleich mit dem Film Pearl Harbor, jenes viel gescholtene Machwerk von Produzent Jerry Bruckheimer und Regisseur Michael Bay (Die Insel). Dieser Vergleich scheint fast unausweichlich und so werden im Folgenden denn auch Punkt für Punkt die beiden Herangehensweisen an das Thema verglichen.

    Punkt 1. Story und Charaktere. Da ziehen beide Filme auf den ersten Blick gleichauf, da jeweils dünn und klischeebeladen. Doch im Gegensatz zu „Pearl Harbor“ versucht „Tora! Tora! Tora!“ nicht, eine Rahmengeschichte mit integriertem Love-Schmalz-Tränen-Part zu erzählen. „Tora! Tora! Tora!“ bemüht sich um einen möglichst dokumentarischen Blick auf das Geschehen. So fehlen zwar wichtige Punkte wie emotionale Bindung zum Thema oder Identifikation mit den Opfern, doch wirkt der ältere Vertreter wesentlich ehrlicher. Mit dafür verantwortlich ist auch der kluge Schachzug, den Film von Vertretern der zwei verschiedenen Nationen drehen zu lassen. Beide versuchen sich selbstkritisch zu geben, verhehlen ihre Verbundenheit zum eigenen Land aber nicht, sodass Handlungsweisen beider Seiten für den Betrachter ziemlich nachvollziehbar dargestellt werden.

    Punkt 2. Action. Da müsste „Pearl Harbor“ dank Vorsprung der Technik eigentlich obenauf liegen, eigentlich. Tatsächlich ist dem bei weitem nicht so. Natürlich, es gibt ein bisschen weniger Rauch und Explosionen in „Tora! Tora! Tora!“, aber dafür schaut nicht alles wie ein Computerspiel aus. Im Gegenteil, die Effekte, die in „Tora! Tora! Tora!“ zum Einsatz kommen, wirken real und deshalb umso bedrohender und in gewisser Hinsicht mitreißender. Schlussendlich ist der Angriff auf Pearl Harbor im älteren Kriegs-Actioner wesentlich eindrucksvoller anzuschauen als die ohnehin nicht immer gleich gut gelungenen, künstlichen Digitalbilder aus „Pearl Harbor“. Zu Recht gab es einen Oscar für die Spezialeffekte.

    Punkt 3. Inszenierung. Auch da behält „Tora! Tora! Tora!“ die Nase vorn und zwar mit Abstand. Oscarnominierungen für die Kameramänner Charles F. Wheeler, Osamu Furuya, Sinsaku Himeda und Masamichi Satoh sowie für den Herren aus dem Schneideraum, James E. Newcom, Pembroke J. Herring und Inoue Chikaya sprechen für „Tora! Tora! Tora!“ und erfolgten mit Recht. Der Film wirkt wie aus einem Guss, immer authentisch und wesentlich packender als die 08/15-Blockbuster-Computer-Inszenierung eines „Pearl Harbor.“

    Punkt 4. Anspruch. Es hätte ziemlich viel mehr herausgeholt werden können aus dem Thema, auch bei „Tora! Tora! Tora!“. Es bleibt bei einem dokumentarisch wirkenden Blick auf die Geschehnisse. Der Film urteilt nicht oder versucht, eine emotionale Bindung herzustellen oder ist zu kritisch, sondern bemüht sich um political correctness. Auch „Pearl Harbor“ versucht sich politisch korrekt zu geben. Doch mittels eines angehängten Schlusses, wo noch so nebenbei die Schmach gerächt wurde, gibt sich der moderne Vertreter der Lächerlichkeit preis und die ultraflachen Charakterisierungen eingebettet in eine schwächelnde Geschichte erzeugen keineswegs emotionalen Anschluss zum Publikum.

    Punkt 5. Darsteller. In „Pearl Harbor“ ist mehr Prominenz versammelt, aber „Tora! Tora! Tora!“ profitiert von einem wesentlich besseren Typecasting. Wohl schienen sich die Verantwortlichen der Tatsache bewusst, dass „Tora! Tora! Tora!“ außer Schauwerten nicht mehr zu bieten hat, sodass gute, in ihrer Darstellung effektive Schauspieler verpflichtet wurden, die sich sofort nahtlos in ihre Rollen einfügen und nicht aus eben dieser Rolle fallen. Gleiches kann von „Pearl Harbor“ nicht behauptet werden. Da halten die Darsteller sich zwar auf gutem Durchschnittsniveau, doch ein Jon Voight als Präsident Roosevelt ist beispielsweise hoffnungslos fehlbesetzt. „Tora! Tora! Tora!“ verzichtet übrigens darauf, Roosevelt überhaupt zu zeigen.

    Punkt 6. Gesamtvergleich. Abschließend sei gesagt, dass „Pearl Harbor“ dem älteren Vertreter klar und deutlich unterlegen ist. Keiner von beiden stellt das Nonplusultra im Kriegsgenre oder zum Thema dar, doch wenn schon ein Beitrag gesehen werden muss, dann doch bitte „Tora! Tora! Tora!“. Stellt sich die Frage, ob Bruckheimer und Bay den 70er-Jahre-Film gesehen haben. Mit Sicherheit. Beim Anblick dachten sie sich, Titanic im Hinterkopf habend: Wow, das müssen wir auch machen, nur mit einer Frau, mehr Rauch, mehr Explosionen und mehr amerikanischen Helden. Das ist natürlich nur hypothetisch, doch dieser Eindruck drängt sich bei Vergleich beider Filme geradezu auf. Einige Szenen in „Pearl Harbor“ und gerade beim finalen Angriff scheinen deutlich abgekupfert und lediglich ein bisschen mit digitalen Effekten aufgemotzt zu sein. Und der schwarze Kochgehilfe, der zum MG rennt: Nicht mal diese Idee stammt ursprünglich von Bruckheimer und Bay. Auch das sieht der Betrachter schon in „Tora! Tora! Tora!“. Im Gegensatz zu „Pearl Harbor“ kriegt dieser Farbige aber keinen notdürftig zusammen geschusterten Klischeehintergrund, sondern rennt einfach automatisch zum MG, als die anderen außer Gefecht gesetzt werden. Auch in „Tora! Tora! Tora!“ finden sich zwei Helden, die ein bisschen die japanische Luftwaffe auseinander nehmen, doch das bleibt nur eine von vielen Episoden während des Angriffes.

    „Tora! Tora! Tora!“ erweist sich als angenehm pathosfrei, geradezu nüchtern, was einem zwar unbeteiligt auf das Geschehen blicken lässt, aber auch den Vorwurf von blindem Patriotismus oder Selbstüberschätzung zunichte macht. „Tora! Tora! Tora!“ verspricht nicht mehr, als er halten kann und erweist sich als ein perfekt zusammengesetzter US-Blockbuster. Nicht sehr bedeutend, aber ehrlich. Discovery Channel im actionbetonten, sicher inszenierten Kinoformat.

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