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    Shiri
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Shiri
    Von René Malgo

    Von Vorbildern richtig zu lernen heißt, sie irgendwann einmal zu übertrumpfen. Dem koreanischen Regisseur Je-gyu Kang gelang dies gleich mit seinem ersten Action-Thriller „Shiri“. Zuvor hatte er sich schon internationale Aufmerksamkeit mit seinem ausgefallenen Debüt „Gingko Bed“ sichern können.

    Nordkorea, 1992. In einem geheimen Kamp werden Rekruten unter brutalsten Bedingungen zu gnadenlose Elite-Kämpfer ausgebildet. Südkorea, 1999. Die befreundeten Agenten Ryu (Suk-kyu Han) und Lee (Kang-ho Song) haben alle Hände voll mit scharf schießenden Terroristen zu tun. Als eine Ladung hochexplosiven Sprengstoffs der neuartigen Substanz CTX bei einem Transportüberfall entwendet wird, müssen die Agenten schlimmstes befürchten. Tatsächlich haben mehrere Terroristen das Land infiltriert und ihr Anführer Mu-Young Park (Min-sik Choi) droht mit zehn im Land verstreuten Bomben. Eine Forderung stellt er nicht …

    Es beginnt in einem Ausbildungskamp. Junge Leute werden zu Topagenten gedrillt. Dagegen wirkt das in Hollywood gerne gezeigte Trainingslager amerikanischer Geheimdienste wie ein sonntäglicher Spaziergang. Hier sind nicht Puppen Bestandteil der Kampfübungen, sondern Menschen. Blut spritzt und dem Zuschauer wird gleich zu Beginn des Filmes viel zugemutet. Diese raue Tonart hält „Shiri“ bis zum Schluss bei. Es ist verwunderlich, dass die FSK trotz der drastischen Gewaltdarstellung eine Freigabe ab 16 Jahren hat durchgehen lassen. Die brutale Konsequenz des Filmes muss ihm aber nicht als Negativpunkt angekreidet werden. Der bei Actionszenen einhergehende, bittere Nachgeschmack macht aus „Shiri“ mehr als nur ein Popcorn-Movie. Mit dafür Sorge trägt auch der politische Kontext.

    Vor dem Hintergrund fiktiver, terroristischer Anschläge innerhalb Südkoreas wird der Konflikt zwischen Süd- und Nordkorea thematisiert. Dabei verzichtet der Film auf grobe Schwarz-Weiß-Malerei und bemüht sich, die Problematik möglichst differenziert wiederzugeben. Besonders vorbildlich: Einer der Superstars des südkoreanischen Kinos, Min-sik Choi, mimt einen nordkoreanischen Terroristen. Dank seiner Hauptrolle in „Oldboy“ erfreut er sich mittlerweile auch international gewisser Bekanntheit. Choi füllt seine Rolle mit viel Herzblut aus und kann so Sympathiepunkte verbuchen. Er gibt dem Schurken ein menschliches Antlitz und Profil, so dass der Zuschauer mit mehr als nur dem Bad Guy konfrontiert wird.

    Der Logik wird „Shiri“ nicht immer gerecht und vor einigen Plattitüden und Vereinfachungen ist auch dieses Action-Drama nicht gefeit. Trotzdem bietet der Film genug Anspruch und ehrliche Emotionen um den Zuschauer auch auf der Ebene eines politisch motivierten Melodrams mitzureißen. Die Klischeehaftigkeit der Beziehung des Agenten Ryu (Suk-kyu Han) und seiner Verlobten Myung-hyun (Yoon-jin Kim) wird durch die ständige Vermischung von Privat- und Berufsleben aufgebrochen und gewinnt so neue Facetten. Ebenso verhält es sich mit der Freundschaft zwischen den beiden Agenten Ryu und Lee (Kang-ho Song). Auf Grund der Kreuzung aus politischem Drama und actionbetontem Thriller ist sie mehr als nur die übliche Buddy-Thematik von Held und Sidekick.

    Die durchweg guten Darsteller schöpfen die sorgfältigen Charakterisierungen des Drehbuches einwandfrei aus. Die emotionalen Komponenten in Story und Verhaltensweise der Protagonisten wirken nicht störend, sondern erweisen sich als wichtiger Bestandteil des Films. Nach dem brutalen Paukenschlag zu Beginn der Geschichte droht der Film in übliche Bahnen eines Actionthrillers zu geraten. Nach dem ersten Story-Twist entwickelt sich „Shiri“ zu einem waschechten Melodram. Dank damit einhergegangener neuer Erkenntnisse für Helden und Zuschauer erhöht sich die Spannung nichtsdestotrotz und gipfelt in einem an den Nerven zerrenden, konsequenten Finale.

    Stilistisch bedient sich „Shiri“ zahlreicher Hollywoodvorbilder und benutzt auch die Mechanismen und Kniffe der Traumfabrik. Das macht den Film trotz harter Szenen für das westliche Publikum gut nachvollziehbar und beschert mehr Identifikationsmöglichkeit mit den Hauptdarstellern. Den straffen Erzählstil kennt der Zuschauer aus vergleichbaren Actionthrillern. Die Aufweichung zum Drama kommt hingegen genauso wie die edle Optik, diverse visuelle Mätzchen und rasante Schnitttechnik eher dem Hongkongfilm nahe. Mehr als einmal bringen deftige Explosionen und brachiale Actionszenen in bester Bruckheimer-Manier die Leinwand zum erzittern. Trotz verschiedener Einflüsse, verwoben mit eigenen Ideen und dem Crossover zweier Genres, überzeugt „Shiri“ als ein in sich geschlossener Film, wo weder Drama- noch Actionpart zu kurz kommen.

    Ein Shiri ist ein Fisch. Und um Fische dreht sich vieles in „Shiri“. Was es genau mit dem Shiri auf sich hat, das erklärt der Oberterrorist Mu-Young Park im Film. Der Zuschauer wird auch von küssenden Fischen lernen, auf tote Fische treffen und viele Aquarien sehen. Dahinter verbergen sich nicht nur zahlreiche Metaphern, sondern auch ein wesentlicher Bestandteil der Geschichte. Die Einbringung von Fischen, sowohl auf realer als auch symbolischer Ebene, macht aus „Shiri“ einen besonderen Film. Ein Action-Drama, das schlussendlich mehr als die meisten seiner Vorbilder zu bieten hat. Seien sie aus Hollywood oder Hongkong…

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