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    Last Boy Scout - Das Ziel ist Überleben
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Last Boy Scout - Das Ziel ist Überleben
    Von René Malgo

    Als 1991 mit „Last Boy Scout“ eine Variation der „Lethal Weapon“-Reihe in die Filmtheater kam, erfüllte der Actionfilm an der Kinokasse nicht alle Erwartungen. Manche sagen zu Recht, einige behaupten zu Unrecht.

    Der ehemalige CIA-Agent Joe Hallenbeck (Bruce Willis) arbeitet seit einiger Zeit als Privatdetektiv. Die Jobs sind mies und er hat auch schon bessere Tage gesehen. Da erhält er den Auftrag, eine Stripperin zu bewachen. Ihre Ermordung kann er aber nicht verhindern. Hallenbeck riecht Blut und merkt, dass etwas ganz gehörig stinkt. Zusammen mit dem Ex-Footballstar Jimmy Dix (Damon Wayans), dem Freund der Stripperin, beginnt er zu ermitteln. Dabei hinterlassen sie eine blutige Spur…

    „Last Boy Scout“ wird nachgesagt, frauenfeindlich und nicht gerade schwulenfreundlich zu sein. Zynismus und Brutalität ganz im Sinne amerikanischer Selbstjustizfilme stehen an der Tagesordnung. Mit ätzenden Sprüchen prügelt, schießt und nörgelt sich Bruce Willis durch den Film. Political correctness ist etwas anderes… Und vielleicht macht die Action-Komödie gerade deshalb soviel Spaß. Ein Werk solcher Art scheint heutzutage fast undenkbar. Inzwischen wird bei Filmen besagte political correctness in Großbuchstaben und Fettschrift auf wehende Fahnen geschrieben und die Helden müssen zumindest sensible, bestenfalls gebrochene, stets sympathische Losertypen (siehe Matrix, Spider-Man, Kiss, Kiss, Bang, Bang) sein. Wehe, es fehlt eine starke (Alibi-)Frau, wehe der Held raucht (nicht mal Vin Benzin durfte in xXx - Triple X qualmen) und wehe, es gibt nicht wenigstens eine reine oder zumindest naive Seele - sozusagen das moderne, moralische Gewissen - im (Mainstream)Film. „Last Boy Scout“ ist das genaue Gegenteil von allem. Der Held mag zwar gebrochen sein, ist aber keineswegs sensibel; er mag ein Loser sein, aber Anzeichen von sympathisch-schüchternem Auftreten lässt er stark vermissen. Politisch korrekt redet und verhält sich nicht eine sterbliche Seele in der düsteren Halbwelt von „Last Boy Scout“. Rauchen tun die meisten - inklusive Held -, reine Seelen gibt es nicht und naiv ist von den durch die Bank hinterhältigen Typen schon gar keiner. Sogar das Kind (Tochter des Helden) wirkt eher verdorben denn „niedlich“ und nach einer starken Frauenfigur wird der Feminist/die Feministin vergeblich suchen.

    This is the nineties. You don't just go around punching people. You have to say something cool first. Joe Hallenbeck

    Vielleicht hätte Drehbuchautor Shane Black, momentan mit Kiss, Kiss, Bang, Bang erfolgreich in der Kinolandschaft vertreten, in diesen Tagen viel Prügel für seine Leistung als Autor in Diensten des „Last Boy Scout“ einstecken müssen. „Kiss, Kiss, Bang, Bang“ darf auch - so lautet der allgemeine Tenor - als öffentliche Umkehrung von seinen früheren Werken als Schreiberling verstanden werden, u. a. auch der „Lethal Weapon“-Reihe. Macht nichts, der unverblümt freche „Last Boy Scout“ stellt fast schon eine Wohltat gegenüber den immer vorsichtiger werdenden Actionfilmen unserer Zeit dar. Zuletzt nahm der kontroverse A History Of Violence die Ein Mann und seine Knarre-Mentalität von Filmen wie „Last Boy Scout“ umstritten auf die Schippe. Doch „Last Boy Scout“ selbst muss als politischer und gesellschaftlicher Beitrag nicht ganz so ernst genommen werden und ist nichtsdestotrotz intelligenter als erwartet.

    The Sky is blue, water is wet, women have secrets. Joe Hallenbeck

    Shane Black wusste wohl, was ein möglicherweise von verminderten Selbstwertgefühlen geplagtes, männliches Publikum von Filmen nach seinem Drehbuch erwartete. Dieser Erwartungshaltung versucht er mit bissiger Ironie zu genügen und überdehnt die Charakterisierung seines Helden im vermeintlich typisch amerikanischen Actionfilm „Last Boy Scout“ bis hin in satirische Dimensionen. Dem (Anti-)Held zur Seite steht der obligate, schwarze Sidekick. Das Duo wird dieses Mal nicht von Mel Gibson und Danny Glover dargestellt, sondern von Bruce Willis und dem US-Komiker Damon Wayans.

    Jimmy Dix: Maybe I could take your daughter horseback riding. How old is she?

    Joe Hallenbeck: She's 13, and if you even look at her funny I'm gonna shove an umbrella up your ass and open it.

    Wer eignet sich besser für den zynischen Helden als Bruce Willis? Zu Zeiten von „Last Boy Scout“ war er dank Stirb langsam noch ganz doll angesagt. Fachgemäß und den Erwartungen entsprechend füllt er denn auch seine deutlich an der Paraderolle aus eben erwähntem Actionmeilenstein angelehnten Part aus. Er ist der letzte Pfadfinder, einer, der einer korrupten Gesellschaft und drogenverseuchten Unterwelt die Stirn bieten möchte. Dabei ist der von ihm dargestellte Joe Hallenbeck gar nicht mal so ein harter Kerl. Sein privates Leben liegt in Scherben, er ist ein Alkoholiker, sein bester Freund betrügt ihn und er wirkt ziemlich heruntergekommen. Diesen Lebensumständen begegnet Hallenbeck mit besagtem, ätzenden Zynismus und unerbittlicher Härte den Bad Guys gegenüber. Das liebt der (männliche) Zuschauer und vergisst gerne, was für eine abgehalfterte Person unser Privatdetektiv tatsächlich ist. Ein intelligenter Schachzug, denn im Film kaschiert Joe Hallenbeck eigene Unzulänglichkeiten mit eiskaltem, im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen gehenden Sarkasmus - noch dazu in überspitzter Darstellung - und darf so als eine relativ hintergründige Parodie auf die testosterongetränkten Traumvorstellungen männlicher Halbstarken gesehen werden.

    Nobody likes you. Everybody hates you. You're gonna lose. Smile, you fuck. Joe Hallenbeck

    Dem harten Helden muss natürlich ein entsprechender, wesentlich lockerer Sidekick gestellt werden. Mit Damon Wayans wurde die Idealbesetzung gefunden. Er überzeugt als sprücheklopfender Footballstar Jimmy Dix und verleiht seiner Figur erstaunlich viel Tiefe. Die Kriterien eines waschechten Buddy Movies sind damit erfüllt. In Hollywood wird gerne behauptet, dass Shane Black das Buddy Movie mit „Lethal Weapon“ quasi im Alleingang erfunden hat, das stimmt so zwar nicht unbedingt, aber „Last Boy Scout“ ist doch der Beweis dafür, warum mit dem Namen Shane Black gleich diese Art von Film assoziiert wird.

    Okay, what would Joe do at a time like this? He'd kill everybody and smoke some cigarettes. Jimmy Dix

    Aber „Last Boy Scout“ ist natürlich auch ein Tony-Scott-Film. Der Action-Thriller stammt aus einer Zeit, als der „kleine“ Bruder vom „großen“ Ridley Scott noch erfolgreiche Filme machte. Der schon damals wegen seiner nachdrücklichen Gewalt gefeierte, aber umstrittene True Romance und der 80er-Jahre-Kultfilm „Top Gun“ seien in diesem Zusammenhang nur mal genannt. Auch „Last Boy Scout“ zeigt in der unvergleichlichen Tony-Ästhetik reißerische Action und viel Gewalt. Tony Scott neigt gelegentlich dazu, es mit den schnellen Schnitten und der Kreuzung aus MTV- und Werbeclipoptik zu übertreiben - siehe Mann unter Feuer. In „Last Boy Scout“ bleibt er aber auf der sicheren Seite und beschert dem Publikum damit einen abgestimmten Hochglanzactioner.

    Jimmy Dix: Hi, you're nobody.

    Joe Hallenbeck: Shhh, don't tell anyone.

    Um mal wieder zu Shane Black zurückzukommen. Die Story von „Last Boy Scout“ ist gar nicht so dumm und genügt auch gehobenen Genreansprüchen. Die herrlich sinnfreien, zynischen Dialoge und Sprüche machen viel Spaß und wirken keineswegs aufgesetzt. Auf Grund des drastischen Bildes, das von der kapitalistischen (Konsum-)Gesellschaft gezeichnet wird und ihres darin befindlichen, abgeschriebenen, detektivischen Helden wirkt „Last Boy Scout“ wie die moderne Actionvariante eines Film Noir. Und gerade deswegen erscheint der Film am Ende wohlmöglich moralischer als all die falschen, politisch korrekten Pseudo-Actioner zusammen, denn die ungenierte Härte und entwaffnend banale Drastik können dem Publikum bis zu einem gewissen Grad durchaus den Spiegel vorhalten. Fragt sich nur, was für einer, denn „Last Boy Scout“ weidet sich doch zu sehr an seinen Gewaltszenarien, um gänzlich als Kritik auf das eigene, für viele fragwürdige Genre durchzugehen. Fast schon ein Running Gag ist die Tatsache, dass Hallenbeck (Willis) dem Präsidenten das Leben gerettet hat und damit quasi Narrenfreiheit besitzt. Dahinter kann wiederum satirische Ironie vermutet werden. Tony Scott sei dank darf sich die Action sehen lassen, Shane Black sei dank gibt es auch etwas zu lachen und die Gehirnzellen bleiben nicht gänzlich im Schlafmodus.

    Sarah Hallenbeck: You were never around. You know what? Fuck you, Joe. I was lonely!

    Joe Hallenbeck: Buy a dog.

    Die unbestrittenen Stärken von „Last Boy Scout“ als effekthascherischer Actionfilm und bissige Komödie egalisieren die fehlende politische Korrektheit natürlich nicht. Der anständige und fortschrittliche Gutmensch sollte im Zweifel lieber einen Bogen um „Last Boy Scout“ machen. Wer aber tadellos unterhalten werden und seine männlichen, niederen Instinkte befriedigt sehen will, ist mit diesem Actionfilm bestens bedient. Übrigens, auch Frauen können sich - wenn sie denn wollen - köstlich unterhalten lassen. Die FSK 18, die hat sich der Film auf jeden Fall redlich verdient …

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