in der Ruhe liegt die Kraft
In Tokyo arbeitet der wortkarge Hirayama (Kôji Yakusho) als angestellter Gebäudereiniger für öffentliche Toiletten. Er erlebt einiges während seiner Touren durch die Metropole und trifft auf Verwandte.
Wim Wenders ist einer der führenden deutschen Regisseure. Neben dem gehobenen Niveau ist das Eigentümliche seiner Filme hervorzuheben, interessant gestaltete Handlungen und Figuren, ferner mal fantastisch („Der Himmel über Berlin“, 1987) oder dokumentarisch („Anselm - Das Rauschen der Zeit“, aktuell).
Nun also Beobachtungskino. Hirayama kann als außergewöhnlicher Protagonist bezeichnet werden. In den dargestellten Situationen wirkt seine schier unglaubliche innere Ruhe besonders fein herausgearbeitet. Toleranz sowie Gelassenheit sind offensichtliche Maximen. Kleine Hinweise deuten darauf hin, dass das Leben des Mannes, der demnächst das Rentenalter erreichen dürfte, früher anders war. Doch bezüglich seiner Vorgeschichte bleibt Hirayama für die anregenden 123 Minuten Spielzeit ein rätselhafter Mensch. Zu der Idee kann man den Regisseur nur beglückwünschen, sie ist der Geniestreich von „Perfect Days“, denn ein komplett ausgebreiteter Hirayama hätte die Möglichkeit eröffnet, über ihn zu urteilen. Nach dem Abspann bleibt die Bewunderung für den in sich zufriedenen Japaner, in dem wohl eine Portion Wim Wenders steckt, z.B. die Vorliebe für Lou Reed, dessen Song als B-Seite der Single „Walk on the Wild Side“ titelgebend für den Film ist. So gelingt eine reizend bebilderte Hommage an vergangene Zeiten im 4:3-Format, visuell eingefangen von Franz Lustig, der zum wiederholten Male mit dem großartigen Filmemacher arbeitet.
Das Publikum begleitet Hirayama durch den Tag: aufstehen, Bett machen, Zähne putzen, Toiletten putzen, Feierabend bei immer derselben Imbissbude, lesen, schlafen, gespickt durch kleine Geschehnisse, die dem Arbeitseinerlei die Macht stehlen und den Charakter der Hauptfigur weiter offenbaren. Anhand einer Szene, in der ein ausgefallener Mitarbeiter nicht ersetzt werden kann, wird klargestellt, dass die tugendlichen Eigenschaften von Hirayama nicht dessen grenzenlose Unterordnung bedeuten. Dann ist es die Mimik des sehr erfahrenen Kôji Yakusho, die jede Einstellung entscheidend bereichert.
„Paterson“ (2016 von Jim Jarmush) ist die meisterlich lyrische wie erheiternde Ode an den Alltag, „Perfect Days“ hat etwas Erleuchtendes mit einer Prise Humor, nebeneinandergestellt zwei begeisternde Perlen des anspruchsvollen Kinos.