Blutiges FSK-18-Fest für Weihnachtsmuffel
Von Janick NoltingDer Weihnachtsmann kann vieles sein: das Gesicht für Köstlichkeiten aller Art, ein Symbol der Besinnlichkeit, ein Rockstar, Komiker, Schwerenöter. „Christmas Bloody Christmas“ zappt in einem wahnwitzigen Prolog durch das Fernsehprogramm und einen Wust an weihnachtlichen Werbeclips. Über den Bildschirm flimmern verschiedene Gestalten einer Kommerzfigur und zumindest eine davon wird man so schnell nicht vergessen: den Roboter RoboSanta+. Was im TV noch harmlos aussieht, sorgt in Joe Begos‘ neuem Horrorfilm bald für Angst und Schrecken. Nach „VFW“ und „Bliss“ kehrt der Regisseur erneut als Experte für zügelloses Splatter-Kino zurück.
Tori (Riley Dandy) hat mit Kitsch und aufgesetzter Romantik wenig am Hut hat. Nachdem die Plattenladenbesitzerin geplant hatte, lediglich ein paar Männer per Online-Dating abzuschleppen, lässt sie sich am Ende doch dazu überreden, den Weihnachtsabend gemeinsam mit ihrem Mitarbeiter Robbie (Sam Delich) zu verbringen. Während sich die beiden einander annähern, ahnen sie noch nichts vom drohenden Unheil: Im örtlichen Spielzeuggeschäft ist ein Weihnachtsmann-Roboter (Abraham Benrubi) zum Leben erwacht, um ein Massaker anzurichten...
Der Roboter-Santa in „Christmas Bloody Christmas“ bringt eher keine Geschenke …
Die weihnachtliche Horrorästhetik von „Christmas Bloody Christmas“ ist rau, düster, schmierig – und das schon, bevor die Gewalt überhaupt losbricht. Joe Begos hat auf 16-mm-Film gedreht. In den Sets funkeln überall blaue, rote und grüne Neonlichter. Rauschende Bildkörnung und glühende Lichterketten verdichten sich zu einer eindrucksvoll schummrigen Optik. Begos serviert damit einmal mehr einen Gegenentwurf zu allzu glattgeleckten Hollywood-Produktionen. Mit entfesselter, nervöser Kamera ist sein Retro-Schocker eingefangen. Je mehr die Zahl der Leichen steigt, desto unruhiger werden seine Bildwelten.
Ein gewalttätiger Weihnachtsmann ist dabei nach Werken wie „Santa’s Slay“, „Rare Exports“ oder jüngst „Violent Night“ zunächst einmal keine große Sensation mehr. Abgesehen von seiner mechanischen Natur: Mit surrenden Lauten bewegt er die künstlichen Glieder. Irgendwann schießt sogar grüner Laser aus seinen Augen. Einst wurde der RoboSanta+ als Waffe und Sicherheitsgarant für Kaufhäuser entwickelt. Jetzt wendet er sich gegen jene, die er eigentlich beschützen soll. Aber was ist er denn nun? Strafender Zerstörer oder militanter Ordnungshüter? Das ist die ambivalente Frage, die „Christmas Bloody Christmas“ in all dem Gemetzel aufwirft und bis zum Schluss nicht eindeutig beantworten will.
Mit Tori und Robbie stehen dem Killer-Weihnachtsmann jedenfalls zwei Außenseiter gegenüber. Während überall pure Spießigkeit regiert und sich Familien dem hemmungslosen Konsum verschreiben, geben sich beide in ihrer eigenen Subkultur Sex, Alkohol und Träumereien hin. Wäre da nur eben nicht jener mordende Weihnachtsmann: Ausgeburt und Repräsentant der Konsumhölle, der man zu entfliehen versucht. Natürlich findet der schier unzerstörbare Wüterich seine ersten Opfer ausgerechnet in einem vollgestopften Einkaufstempel.
… sondern vor allem Tod und Zerstörung!
Subtil ist Joe Begos‘ Gesellschaftskritik dabei keineswegs gedacht. Bei ihm wird nicht lang gefackelt: Köpfe landen in Vitrinen, Körper werden mit der Axt zerteilt. Zum Teil sind die drastischen Morde aus der Egoperspektive des Killers gefilmt. Sie ergötzen sich am puren filmischen Exzess, der sich minütlich steigert. Besonders in dem Drogen- und Kunsthorror „Bliss“ hatte Begos damit schon einmal über ganz grundlegende Mechanismen des Splatter-Kinos reflektiert. Auch hier wagen sich seine selbstzweckhaften Blutorgien wieder bis an den Rand der völligen Verausgabung und Selbstverschwendung.
Vielleicht ist das Schlitzen und Schlachten als Sinnbild letztlich etwas vage skizziert. Vielleicht ist es aber auf Dauer auch cleverer angelegt, als das überzeichnete Spektakel zunächst den Anschein erweckt. Begos‘ Film hat durchaus Längen, weil er sich gewisser Wiederholungen bedient. Aber passt das andererseits nicht gerade zu dem zyklischen weihnachtlichen Konsumterror? Vor nichts und niemandem macht er Halt. Wie ein Untoter steht er in den knapp anderthalb Stunden immer wieder auf, um sein Werk zu vollenden und die Kleinstadt in eine Kampfzone zu verwandeln.
Begos findet eine recht naive Auflösung, wenn es um die Überwindung des Robo-Santas geht. Würde er mehr Zeit nutzen, etwas über seine Welt anstatt über die Befindlichkeiten seiner beiden Hauptfiguren zu erzählen, fiele das ganze Konstrukt wohl ohnehin auseinander. Sein Festtagshorror genügt sich schließlich die meiste Zeit in etwas abgedroschenen Slasherfilm-Konventionen. Killer gegen Final Girl – kreativer ist die Handlung nicht gestrickt.
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Schlussendlich lässt einen „Christmas Bloody Christmas“ mit überwältigten Sinnen, aber auch ein wenig ernüchtert zurück. Begos verpasst gerade im letzten Akt, seinem Szenario noch einmal eine interessante Pointe oder eine Schärfung bestimmter Ideen zu verpassen. Stattdessen verlässt er sich allein auf die verführerische Kraft seiner Materialschlacht.
Und tatsächlich: Genau darin liegt ja auch das große Talent dieses Regisseurs. Will man der Welt der Produkte und Künstlichkeiten zu Leibe rücken, stößt man auf groteske Mechanik, sprühende Funken, splitternde Teile, die Begos als überbordendes Chaos gegen das Publikum wendet. Seine subversive ästhetische Kraft findet er dort, wo man eigentlich schon kaum noch etwas erkennen kann. Blicke und Gedanken lösen sich auf in grellem Farbgeflacker, spritzendem Blut, schnellen Schnitten und lauten Geräuschen.
Fazit: Joe Begos‘ wenig besinnlicher FSK-18-Weihnachtsfilm ist ein audiovisuell berauschender Gewalt-Exzess. Der konsumkritische Kommentar von „Christmas Bloody Christmas“ bleibt derweil ein interessanter, aber wenig ausgearbeiteter Ansatz.
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