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    Touch
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Touch

    So richtig was fürs Herz

    Von Gaby Sikorski

    In den 1960er Jahren war London der Place To Be. Aus der britischen Hauptstadt kam nicht nur die Musik (der Beat) und die Mode (der Minirock), hier trafen sich auch junge Leute aus der ganzen Welt, die mit der materialistischen, konservativen Lebensweise ihrer Altvorderen nichts mehr zu tun haben wollten. Aus der Protesthaltung der Jugend gegen Krieg, Krisen und Kapitalismus entwickelte sich von London aus eine kulturelle Bewegung, die durch ein damals ganz neues Verständnis von Freiheit und Toleranz geprägt war. Das Swinging London mit der Carnaby Street als Mittelpunkt wurde für ganz Europa und bald auch für den Rest der Welt zum Inbegriff einer einzigartigen Jugendkultur, die zunächst keine oder kaum kommerzielle Interessen verfolgte und die für viele stilprägend wurde.

    Auch in Olaf Olafssons Bestsellerroman „Touch“, der unter dem Titel „Berührung“ auch in Deutschland erscheint*, beginnt alles im London des Jahres 1969: Kristofer (Palmi Kormákur), ein idealistischer Student aus Island, will mehr als trockene Theorien und kluge Sprüche – und so gibt er kurzentschlossen das Studium auf und heuert stattdessen in einem japanischen Restaurant in London als Küchenhelfer an. Doch noch mehr als die Küche und Kultur Japans interessiert ihn Miko (Kōki), die schöne Tochter des Restaurantchefs Takahashi (Masahiro Motoki). Leider ist Miko schon vergeben, aber Kristofer ist sehr geduldig und hartnäckig. Er lernt alles über die japanische Küche und studiert eifrig die Rezepte seines Lehrmeisters. Und schließlich wird Kristofers Geduld belohnt: Eine zarte, heimliche Liebesgeschichte beginnt.

    Mehr als 50 Jahre später, zu Beginn der Corona-Pandemie, schließt Kristofer (Egill Ólafsson), inzwischen ein alter Mann, sein Restaurant in Island ab. Er hat eine bedrückende Diagnose erhalten: Demenz im Anfangsstadium. Dazu meinte der Arzt, dass viele Menschen in seiner Situation auf die Idee kämen, ihre Probleme aus der Vergangenheit lösen zu wollen. Und so fliegt Kristofer mit einem der letzten Flugzeuge vor dem Lockdown nach London, um Miko wiederzufinden, die seinerzeit plötzlich verschwand – mit ihrem Vater und ohne eine Nachricht zu hinterlassen…

    Eigentlich ein Traumpaar – aber dann ist Miko (Kōki) plötzlich spurlos verschwunden… Universal Pictures
    Eigentlich ein Traumpaar – aber dann ist Miko (Kōki) plötzlich spurlos verschwunden…

    Der ansonsten eher auf Action („Beast“) und Events („Everest“) abonnierte Baltasar Kormákur hat aus der Geschichte einen ruhigen, zärtlichen Film gemacht, der nicht nur von einer großen Liebe handelt, sondern auch von Kristofers Wunsch, ein unvollendetes Kapitel seiner Biografie abzuschließen. Das Drehbuch stammt dabei vom Romanautor selbst – und ohne zu viel zu verraten, sei gesagt: Auf der Suche nach Miko und dem Geheimnis ihres Verschwindens reist Kristofer bis nach Japan. Aber dahinter steckt sicherlich auch der Wunsch, auf diese Weise noch einmal die alten Gefühle zu spüren und sich selbst wiederzufinden, diesen schüchternen Jungen mit der John-Lennon-Brille, der er früher einmal war.

    Pálmi Kormákur Baltasarsson, der Sohn des Regisseurs, spielt den jungen Kristofer liebenswert und mit skandinavischem Understatement: ein echter Romantiker, der mit Geduld und Hingabe alles dafür tut, um seiner Angebeteten nahe zu sein. Dafür taucht er ein in die japanische Kultur, er lernt die Sprache und die fernöstliche Kochkunst. Bei all dem bewahrt er eine Gelassenheit, die möglicherweise typisch ist für jemanden aus dem hohen Norden. Genau diese Mischung aus Ruhe und Freundlichkeit macht ihn aber auch sehr sympathisch und ungemein attraktiv. Kein Wunder also, dass Miko seinem isländischen Charme schließlich doch noch erliegt.

    Trotz Corona-Absurditäten kein Corona-Film

    Die erst 20-jährige Kōki, besonders in Japan und in den USA als Model, Sängerin und Schauspielerin bekannt, spielt Miko mit viel Selbstbewusstsein und graziös bis in die Fingerspitzen. Den alten Kristofer spielt Egill Olafsson mit stoischer Ruhe und herzergreifender Sturheit. Wenn er so etwas wie Emotionen zeigt, dann ist das sehr anrührend und ziemlich überraschend – das Treffen mit einem alten Bekannten in Tokio wird sogar zum fröhlichen Besäufnis. Wie er in Gedanken zurückkehrt in seine Jugend, wie er seine große Liebe noch einmal erlebt und sich erinnert, in Wehmut und in Zärtlichkeit, das präsentiert Baltasar Kormákur in Rückblenden. Die Rahmenhandlung spielt vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie, einschließlich ihrer manchmal abstrusen Auswirkungen: so sehen wir zum Beispiel ein Mann, der in einem leeren Hotel fanatisch die Drehtür putzt.

    Trotzdem ist „Touch“ kein Corona-Film, stattdessen kommen hier für Kristof zu Beginn gleich mehrere Probleme zusammen, sodass die Lockdown-Thematik nur eine von vielen ist, zu der sich dann auch noch Demenz, Familienstreitigkeiten und Alterseinsamkeit gesellen. Darin liegt auch eine Schwäche des Films: Er wirkt am Schluss überladen und zieht sich in die Länge, weil so viel zu Ende erzählt werden muss. Denn zu den bekannten Schwierigkeiten kommen immer noch weitere, die gelöst oder zumindest behandelt werden wollen.

    Kristofer (Egill Ólafsson) will nach 50 Jahren noch einmal seine damalige große Liebe wiederfinden. Universal Pictures
    Kristofer (Egill Ólafsson) will nach 50 Jahren noch einmal seine damalige große Liebe wiederfinden.

    Einer der großen Pluspunkte des Films ist – neben den guten schauspielerischen Leistungen – der ruhige und undramatische Erzählfluss für eine eigentlich sehr emotionale Geschichte. In klaren, kühlen Bildern und mit viel zeitgenössischer Atmosphäre einschließlich eines wunderbar stimmungsvollen Soundtracks entwickelt sich die sensible Lovestory. 50 Jahre später ist die Stimmung verhaltener, die Bilder sind dunkler, das Leben ist langsamer. Und aus dem jungen geduldigen Kristofer ist ein alter geduldiger Kristofer geworden. Das ist einfach sehr anrührend und ziemlich spannend, denn über allem steht die große Frage: Wird seine Geduld noch einmal belohnt? Wird Kristofer Miko wiederfinden?

    Fazit: Die Zeit vergeht, aber die Gefühle bleiben, sie leben weiter in der Erinnerung an Bilder, Düfte und Berührungen. Das ist der Kern einer zarten und zärtlichen Liebesgeschichte mit viel Sixties-Flair, die sich über zwei Kontinente und 50 Jahre erstreckt und streckenweise wirklich ans Herz geht. Zum Schluss hin wird es zwar nicht rührselig, aber das Ende lässt unziemlich lange auf sich warten, auch wenn die Entwicklung bis dorthin durchaus Überraschungen bereithält. Insgesamt erweist sich Baltasar Kormákurs isländischer Film als durchaus sehenswertes Melodram – was zu einem guten Teil dem liebenswerten jungen Hauptdarsteller Pálmi Kormákur Baltasarsson zu verdanken ist.

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