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    Adieu Chérie - Trennung auf Französisch
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Adieu Chérie - Trennung auf Französisch

    Rustikal und elegant – eine erstaunlich potente Mischung

    Von Gaby Sikorski

    Die Midlife-Crisis gilt zwar nicht als Krankheit, aber gemeinhin als durchaus unangenehmer Zustand, der mit einem Gefühl der Endlichkeit einhergeht: Das Alter rückt näher und erhebt drohend sein schlohweißes Haupt. Angeblich sind hauptsächlich Männer davon betroffen. Auch das Gesundheitsmagazin der AOK schreibt: „Midlife-Crisis tritt vorwiegend bei Männern auf, ungefähr im Alter zwischen 40 und 55 Jahren. Die tief empfundene Sinnkrise geht gelegentlich mit ungewöhnlichen Verhaltensweisen einher, die für Partner, Kinder oder Kollegen zur Belastung werden können.“ Dass Frauen von der Midlife-Crisis seltener betroffen sind, könnte laut AOK-Gesundheitsmagazin daran liegen, dass sie stärker zum sozialen Austausch neigen als Männer und durch die Kommunikation mit anderen leichter mit dem Problem des Älterwerdens zurechtkommen.

    Aber natürlich können auch Frauen in die Midlife-Crisis geraten, so wie in Philippe Lefèbvres Komödie „Adieu Cherie – Trennung auf Französisch“ über ein Ehepaar, das sich liebt und trotzdem oder gerade deshalb trennt. Die Geschichte beginnt, als auch das jüngste Kind zu Hause auszieht. Während sich Alain (Franck Dubosc) darauf freut, dass sie nun endlich wieder im Wohnzimmer vögeln können, ist Diane (Karin Viard) in Tränen aufgelöst. Die „ungewöhnlichen Verhaltensweisen“ – siehe oben – häufen sich – und Diane wird immer öfter damit konfrontiert, dass sie nicht mehr die Jüngste ist. Sie arbeitet in der Redaktion einer angesagten Lifestyle-Zeitschrift und ist ständig von hippen Leuten umgeben. Ihr Chef Stéphane (Tom Leeb) ist ihr ehemaliger Praktikant, und seit einiger Zeit wird Diane nicht mehr zu den Partys ihrer Kolleg*innen eingeladen. Wenn es um neue Artikel für die Zeitschrift geht, landen nur noch die langweiligsten Themen bei ihr.

    Happy Entertainment
    Wegen eines Missverständnisses werden Alain (Franck Dubosc) und Diane (Karin Viard) nach 30 Jahren wieder zu Singles!

    Ganz ihr Ehemann: Er ist Pianist bei den Pariser Philharmonikern, so wie sein bester Freund Erwan (Youssef Hajdi). Alain ist ein angesehener Musiker, der sich im Job wohlfühlt und endlich gemeinsam mit Diane ein paar alte Träume verwirklichen möchte. Aber da hat er die Rechnung ohne seine Frau gemacht. Als in der Redaktion ein Blumenstrauß ohne Absender für sie eintrifft, wird sofort wild spekuliert, ob Diane ein Verhältnis mit Stéphane haben könnte. Sie feuert den Flurfunk selbst an, auch weil sie feststellt, dass es ihr ganz gut gefällt, wenn man ihr eine Affäre mit ihrem viel jüngeren Chef zutraut. Doch das Gerücht landet leider auch bei Alain. Ein Missverständnis jagt das nächste, und schließlich trennt sich das Paar nach 30 Jahren Ehe. Damit beginnt für Diane und Alain ein neues Leben, das sie beide nicht gewollt haben. Sie sind wieder Singles…

    Manches erinnert hier an die Komödie „It’s Raining Men“ von Caroline Vignal, die im Mai 2024 ins Kino kam. Die Parallelen sind offensichtlich: Die Handlung spielt ebenfalls in Paris, im Mittelpunkt steht eine Frau um die 50, sie ist unglücklich und bricht aus ihrem gewohnten Leben aus. Doch während sich dort eine glücklich verheiratete Frau vor allem nach Sex und Leidenschaft sehnt, geht es hier um etwas anderes. Denn Diane ist mit sich unzufrieden, sie kann und will nicht akzeptieren, dass sie älter wird, und dabei kreist sie so um sich selbst, dass für ihren Mann gar kein Platz mehr bleibt in ihrer Welt. Dass er sie von ganzem Herzen liebt, bemerkt sie überhaupt nicht, und wenn doch, dann würde es sie nicht interessieren. Diane hat praktisch jede Lebensfreude verloren und – was beinahe noch schlimmer ist – sie hat überhaupt keine Idee, wie sie das ändern könnte. Auch wenn ihre sexbesessene Freundin Jeanne (Clotilde Courau) anderer Meinung ist: Hier geht es nicht um Sex, es geht ums große Ganze.

    Pfiffig und mit dem nötigen Biss

    Das könnte auch der Stoff für eine Tragödie sein, aber Philippe Lefèbvre und seine Co-Autorin Maria Pourchet haben sich entschlossen, daraus eine gelegentlich ziemlich deftige Komödie zu machen, in der auch schon mal Klartext („Auf dich, du Schlampe!“) geredet wird, ohne dass darunter die Eleganz der Inszenierung leidet – ein feines Kunststück, das ihnen ziemlich gut gelungen ist. Das Ergebnis ist eine Komödie, die beinahe in Richtung Burleske geht, dabei allerdings niemals ordinär oder flach wird, sondern aufgrund des hübsch verzwickten Drehbuchs mit vielen kleinen Nebengeschichten, einer tollen Besetzung und der sicheren Inszenierung durch Philippe Lefèbvre immer ein gewisses Niveau hält. Da ist es sogar verzeihlich, wenn – eigentlich eine sehr ausgelatschte Idee – Diane aus ihren Single-Erfahrungen ein Buch macht, das auch noch erfolgreich wird.

    Doch alles andere stimmt, inklusive Tempo und Timing der pfiffigen Dialoge. So richtig krawallige Lacher sind hier weniger zu erwarten, eher ein durchgängiges Lächeln, das eventuell ab und an von Gekicher abgelöst werden könnte. Und das ist ein großer Verdienst dieses Films: Lefèbvre schafft es, auch in den tragischen Momenten, die es ab und an gibt, eine konsequent freundliche Stimmung zu halten, die zum Ende hin ein wenig rührselig zu werden droht, aber gerade noch daran vorbeischrammt. Das liegt auch an den beiden sympathischen Stars in den Hauptrollen, die so glaubwürdig spielen, dass man ihnen tatsächlich alles abnimmt. Da findet Alain nach der Trennung etwa eine Freundin, obwohl er seine Frau immer noch liebt, und Diane beginnt ohne besondere Leidenschaft ein schwunghaftes Verhältnis mit ihrem jungen Chef.

    Happy Entertainment
    Diane genießt es, dass man ihr eine Affäre mit ihrem jungen Chef zutraut. Aber das Missverständnis mit dem Blumenstrauß hat fatale Folgen für ihre Ehe…

    Karin Viard („Verstehen Sie die Béliers?“) spielt die Diane ganz wunderbar einfühlsam und mit unterschwelliger Komik. Mit hängenden Mundwinkeln und genervten Blicken ist sie zu Beginn eine von diesen Frauen, die einfach nicht zuhören können, wenn jemand etwas sagt, weil sie die ganze Zeit mit sich selbst beschäftigt sind. Dianes Persönlichkeit ist komplex – dass sie Dating Apps nutzt, eine lesbische Tochter hat, die schwanger werden will, und dass Diane ihre Wechseljahre leugnet, ist nicht Thema des Films, sondern schmückendes Beiwerk, das ihre Figur verstärkt. Diese Frau hat sich verloren und sie würde sich gern wiederfinden, vielleicht auch mal im Bett mit Stéphane, ihrem unverschämt attraktiven Chef, den Tom Leeb mit unwiderstehlichem Charme als Jung-Macho spielt.

    Dianes beste Freundin ist Jeanne, herrlich komisch gespielt von Clotilde Courau. Als Autoverkäuferin schreckt sie vor beinahe nichts zurück, um ihre männliche Kundschaft anzubaggern. Sie versucht sogar, Alain ins Bett zu kriegen. Franck Dubosc („Die Rumba-Therapie“), der mit dem Alter immer sympathischer wirkt, spielt Alain als sensiblen Optimisten, der versucht, aus allem das Beste zu machen. Die Ehekrise bringt seine Welt ins Wanken, und sein Konzept „Ich liebe dich, also gehe ich“ führt ihn – und Diane – immer tiefer in die Bredouille. Dass er mit seinem Kumpel Erwan zusammenzieht, ist für Alain lebensrettend, weil er eigentlich nicht allein sein kann. Joussef Hajdi spielt die Rolle des besten Freundes mit putzigem Rumpelcharme, irgendwo zwischen Teddybär und Chauvi. Lefèbvre erliegt glücklicherweise nicht der Versuchung, mit den beiden Männern eine französische Version von „Ein seltsames Paar“ aufzulegen, sondern er bleibt konsequent zu gleichen Teilen bei Diane und Alain und bei ihrer Geschichte. Ob sie wieder zusammenfinden, ist dabei eigentlich weniger wichtig als die Frage, wie sich die beiden durch ihr Singledasein verändern.

    Fazit: „Sie soll mich vermissen, Angst haben, mich zu verlieren.“ Alains Idee einer Trennung nach 30 Jahren Ehe, nur aufgrund des Verdachts, seine Frau Diane könnte ihn betrogen haben, wird zum fatalen Selbstläufer, der beide immer tiefer in das Auf und Ab des Single-Daseins befördert. Das ist charmant und witzig ausgedacht, sympathisch gespielt und mit leichter Hand in Szene gesetzt. Eine hübsche, unterhaltsame Komödie – elegant und mit Biss. Sowas muss wohl aus Frankreich kommen und ist ja auch so.

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