„I suppose we don't get to decide when it ends.“
„All of Us Strangers“ wirkte zunächst auf mich nicht sehr interessant als ich den Trailer damals im Kino sah. Doch ich wollte dem Ganzen eine Chance geben und bin mehr als glücklich darüber!
Das sehr spezielle Drama von 2023 entstand unter der Regie von Andrew Haigh thematisierte in seinen vorherigen Filmen schon mehrmals ähnliche Themen wie Homosexualität und Einsamkeit und ich bin nun sehr interessiert an seinen früheren Werken.
„All of Us Strangers“ basiert auf einem Roman von Taichi Yamada, Regisseur Haigh änderte aber ein paar grundlegende Dinge in der Story und schuf damit einen sehr berührenden und auch einzigartigen Film, der viel mehr ist als nur ein Drama über zwei Männer, die sich ineinander verlieben.
Adam wohnt in London in einem kleinen Apartment und ist Drehbuchautor. Doch sein Leben plätschert vor sich hin. Besonders die schwierige Vergangenheit zu seinen Eltern macht ihm ein sorgenfreies Leben quasi unmöglich. Doch der mysteriöse Harry, der eines Abends an Adams Tür klopft, scheint neue Hoffnung zu bringen…
Was als simple Liebesgeschichte startet, entpuppt sich schnell als etwas anderes. „All of Us Strangers“ hat viele Elemente eines Märchens, aber auch eines Horrorfilms. Der Wechsel zwischen emotionalen, fantastischen und unheimlichen Momenten, ist wirklich faszinierend. Vor allem aber ist es die Herangehensweise, die der Film für seine recht simple Geschichte nutzt. Ich möchte nihct zu viel vorweg nehmen, aber Haighs Film spielt bewusst mit einer abstrakten Realität, mit absurden und unlogischen Momenten. Dadurch fragt man sich als Zuschauer schnell, was hier eigentlich passiert, wie ist dies oder das zu deuten. Und der Film gibt nur selten eine Antwort, mit der man etwas anfangen könnte, aber „All of Us Strangers“ ist kein Werk, das man entschlüsseln muss, um es zu genießen. Ähnlich wie David Lynchs Film „Mullholland Drive“ lebt das Ganze von einer surrealen und fantastischen Atmosphäre, die die Grenzen des Möglichen sprengen. Und ich rede hier nicht von Fabelwesen oder anderen Fantasy-Elementen, an die man vielleicht zunächst denkt. Der Film gibt uns und vor allem den Figuren die Möglichkeit viele „Was wäre wenn“-Szenarien durchzuspielen und zwar auf eine Art, die ich bis dahin noch nicht gesehen habe.
Und das Schöne ist ja an so einem Film, wenn jeder etwas anderes in dem Gezeigten sieht. Und „All of Us Strangers“ bleibt wundervoll unkonkret in bestimmten Bereichen, gibt uns nur so viel, wie nötig ist, um eine Bindung zu den Figuren aufzubauen. Den Rest müssen wir als Zuschauer füllen.
Der Film lebt von sehr starken Schauspielern: Andrew Scott ist hier in seiner wohl besten Rolle zu sehen. Er war zwar immer ein toller Schauspieler, aber hier kann er mal zeigen, was er sonst noch so kann, außer überzogene Bösewichte in „Sherlock Holmes“ zu spielen. Er hält das Ganze hier wunderbar zusammen mit seinem gefühlvollen Spiel. Auch Paul Mescal, Jamie Bell und Claire Foy sind allesamt toll. Viel mehr Gesichter sehen wir tatsächlich im Film auch nicht, wodurch das Werk eine ganz besondere, intime Stimmung bekommt.
Optisch ist „All of Us Strangers“ ebenfalls mitreißend, besonders das konkrete und sehr überlegte Farbenspiel liebe ich. Die Kamera von Jamie D. Ramsay ist verträumt und stark und der Score von Emilie Levienaise-Farrouch vermischt sich wunderbar mit den hypnotischen Bildern, ganz zu schwiegen von den tollen Songs.
Fazit: „All of Us Strangers“ ist ein Film, der manchen vielleicht zu ruhig, zu langsam oder auch zu gefühlsduselig sein wird. Das ist ok, jeder empfindet Filme anders. Für mich ist dies einer der besten Werke des Jahres und bei Konkurrenten wie „Poor Things“ und „Past Lives“, soll das schon was heißen. Ein Film, der die Grenzen zwischen heute und dem Gestern vermischt, der wunderschön mit einem Trauma umgeht und auch schauspielerisch ganz viel bietet. Mitreißend und faszinierend!