George Clooney & Brad Pitt retten ein müdes Skript über die Ziellinie
Von Björn BecherMit der Veröffentlichung von „Pulp Fiction“ im Jahr 1994 schuf Quentin Tarantino nicht nur einen Kultklassiker, sondern auch zahlreiche unvergessliche Kultfiguren. Darunter auch den von Harvey Keitel verkörperten Mr. Wolf – ein fast mystisch überhöhter Problemlöser (= „Cleaner“), der mit effizienter Organisation jede noch so schlimme Situation bereinigt. Schon in „Pulp Fiction“ wird deutlich, dass so ein Mensch einzigartig ist. Es kann nur einen Wolf geben, das sagt ja schon der Name, der Assoziationen an den „einsamen Wolf“ heraufbeschwört. Doch was wäre, wenn plötzlich zwei solche Einzelgänger aufeinandertreffen? Das ist die Ausgangssituation der passend „Wolfs“ betitelten Buddy-Komödie, die Jon Watts für den Streamingdienst Apple TV+ geschrieben und inszeniert hat.
Laut eigener Aussage trug der „Cop Car“-Regisseur die Idee schon viele Jahre mit sich herum. Aber er war zu beschäftigt mit seiner Arbeit für Marvel, wo er die ganze „Spider-Man“-Trilogie mit Tom Holland verantwortet hat. Erst nach seinem MCU-Abschied fand er endlich die Zeit, sich wieder um ein originäres Projekt zu kümmern. Dass Watts also eine ganze Weile Zeit hatte, um Ideen für sein Skript zu finden, merkt man „Wolfs“ allerdings kaum an. Stattdessen fühlt sich die schwarzhumorige Komödie an, als würde das ganze Projekt nur existieren, um die beiden Superstars George Clooney und Brad Pitt nach eineinhalb Jahrzehnten endlich wieder auf der Leinwand (bzw. dem Streaming-Schirm) zu vereinen.
Eine für ihren harten Kampf gegen Kriminalität bekannte Staatsanwältin (Amy Ryan) lässt sich auf ein amouröses Abenteuer mit einem jungen Mann (Austin Abrams) ein. Allerdings geht das gehörig schief, und so liegt der Jüngling plötzlich tot in ihrer Hotelsuite – ein Skandal, der das Ende ihrer Karriere bedeuten würde. In ihrer Panik erinnert sie sich zum Glück an die mysteriöse Nummer, die ihr mal jemand für genau solche Notlagen gegeben hat. Und tatsächlich: Schon kurze Zeit später steht ein sogenannter Cleaner (George Clooney) vor ihrer Tür. Professionell beruhigt er sie und versichert ihr, dass er alle Spuren dieser Nacht verschwinden lassen wird.
Aber da klopft es erneut an der Hoteltür. Ein zweiter Cleaner (Brad Pitt) betritt die Bildfläche. Das um seinen Ruf besorgte Luxushotel hat längst von der Sache Wind bekommen und einen eigenen Problemlöser engagiert. Was nun? Nach einigem Hin und Her wird klar: Die beiden Einzelgänger müssen wider Willen zusammenarbeiten. Doch das ist nicht die letzte Wendung dieser Nacht. Denn als sie beim Aufräumen auf eine große Menge Drogen stoßen, wird dem Duo schnell klar, dass das alles andere als ein Routine-Job ist…
Nach seinem Mega-Hit „Spider-Man: No Way Home“ wurde Jon Watts klar, dass er bei Marvel am Ende angekommen ist. Wie soll man einen der erfolgreichsten Filme aller Zeiten, bei dem es reihenweise zu ekstatischen Begeisterungsschreien von Fans im Kino kam, noch toppen? So stieg er aus dem geplanten „Fantastic Four“-Reboot aus und erteilte auch „Spider-Man 4“ eine Absage. Mit „Wolfs“ legte er stattdessen seinen ersten originären Film seit seinem Durchbruch mit „Cop Car“ im Jahr 2015 vor. Doch in „Wolfs“ ist mehr konventionell als originell.
Die Handlungspunkte, die im Verlauf einer Nacht abgearbeitet werden, wirken wie zusammengewürfelt aus verschiedenen Filmen. So entpuppt sich „Wolfs“ trotz der vielversprechenden Prämisse als Buddy-Action-Komödie von der Stange. Man sollte gar nicht erst den Vergleich dazu ziehen, wie Shane Black vor acht Jahren mit „The Nice Guys“ das Genre noch mal großartig auf links gedreht hat. Auch Watts versucht das, indem er das übliche Konstrukt solcher Filme auf den Kopf stellt: Wo in Buddy-Movie meist gerade besonders gegensätzliche Figuren aufeinandertreffen, kabbelt sich in „Wolfs“ ein Duo von Alphamännern, die sich praktisch nicht voneinander unterscheiden.
So basiert das Gros des Humors darauf, dass die bis zum Ende namenlos bleibenden Wölfe immer wieder Gemeinsamkeiten feststellen und sich nur über Nuancen in der Ausführung zanken. Doch soll es uns wirklich überraschen, dass zwei Typen, die denselben schrägen Job mit ähnlicher Akribie und Professionalität erfüllen, auch dieselben Personen in der Unterwelt kennen? Natürlich nicht und so schmerzt es umso mehr, wenn Watts die Enthüllung dieser Erkenntnis in die Länge zieht.
In die Länge gezogen ist auch eine ausufernde Verfolgungsjagd quer durch Chinatown bis hin zur Brooklyn Bridge. Die Actionszene beginnt durchaus vielversprechend. Dass offensichtlich an Originalschauplätzen gedreht wurde, verleiht dem Geschehen zusätzlichen Reiz und die parallele Hatz per Auto und zu Fuß hat ihre Dynamik. Doch die Szene will nicht enden. Immer wieder wird ein Haken geschlagen und es geht noch mal weiter, wobei die Szene immer steriler wird – auch weil im weihnachtlich- nächtlichen New York alles so leer ist: kaum Passanten, nur wenige andere Autos, keine Polizei.
Ohnehin ist die Action von „Wolfs“ nicht der Rede wert. Eine große Schießerei am Ende kann man wohlwollend als routiniert bezeichnen, eine Tanzeinlage hat zumindest durch ihre Skurrilität etwas Unterhaltungswert. Doch meist scheint sich Watts für das Genre gar nicht groß zu interessieren und sich stattdessen nur auf den Buddy-Komödien-Aspekt zu konzentrieren. Schließlich hat er hier seine beiden Trümpfe: Brad Pitt und George Clooney, der in „Michael Clayton“ bereits einen etwas realistischeren Fixer verkörpert hat.
Zum ersten Mal seit dem Abschluss der „Ocean's“-Trilogie 2007 sehen wir die beiden als Gespann (in „Burn After Reading“ von 2008 hatten sie zwar auch Hauptrollen, aber kaum gemeinsame Momente). Die beiden auch persönlich gut befreundeten Superstars haben sichtlich Spaß, miteinander zu frotzeln. Obwohl sie nicht die besten Dialoge in den Mund gelegt bekommen und das ausdauernde Rätseln über mögliche Zusammenhänge nicht nur weitestgehend ins Leere läuft, sondern sogar nervt, überträgt sich in den besten Momenten von „Wolfs“ die gute Laune der Stars aufs Publikum. Ihr Zusammenspiel ist für den einen oder anderen Schmunzler und auch mal Lacher gut. Schön ist dabei, dass die mittlerweile über 60 Jahre alten Schauspieler selbstironisch mit ihrer fortgeschrittenen Reife spielen. Da schmerzt dann schon mal der Rücken oder es braucht eine Lesebrille, um eine Adresse zu erkennen.
Als zusätzlicher Trumpf erweist sich im Verlauf der Handlung noch Austin Abrams. Der „Euphoria“-Star darf mehr als nur den Stichwortgeber für das prominente Haupt-Duo geben. So gehört auch die beste Szene des Films ihm: Wenn sein unbedarfter Drogenkurier in einem sehr speziellen Hotelzimmer und einem wunderbaren One-Shot-Dialog-Take völlig ausufernd seine Geschichte erzählt, wird einem allerdings auch schmerzhaft bewusst, wie spaßig „Wolfs“ hätte sein können. Denn so wild, wie es hier aus Abrams heraussprudelt, hätte der Film ruhig regelmäßiger sein können. Stattdessen verlässt man sich zu oft darauf, dass Clooney und Pitt die meist sehr zahmen, kaum mal cleveren und nur selten Screwball-Qualitäten entwickelnden Dialoge schon irgendwie aufwerten werden.
Fazit: „Wolfs“ hat neben der amüsanten Grundidee sowie George Clooney und Brad Pitt in den Hauptrollen nur wenig zu bieten. Zu selten findet sich eine wirklich zündende Idee, sodass es oft allein den beiden Superstars obliegt, das Publikum mit ihren harmlos-sympathischen Kabbelei bei der Stange zu halten.
Wir haben „Wolfs“ im Rahmen des Venedig Filmfestival 2024 gesehen.