Eine honigsüße Gewalt-Gaudi!
Von Sidney ScheringIn den 2000er- und 2010er-Jahren stand Jason Statham vornehmlich für raue, geradlinige Actionfilme, deren Plot zwar meist schmal ausfiel, dafür aber genügend Raum für ganz besonders dreckige und blutige Kämpfe ließ. Aber seitdem der Ex-Turmspringer in „Fast & Furious 7“ als (später geläuterter) Schurke auftrat, zeigt der inzwischen vornehmlich auf Blockbuster-Kost abonnierte Statham seine schmutzig-harte Seite nur noch spärlich. Insofern ist es schon eine kleine Überraschung, dass Statham als Hauptdarsteller und Produzent nun innerhalb weniger Monate gleich zwei Actioner mit der FSK-Freigabe ab 18 Jahren abliefert.
Nach dem rundum enttäuschenden „The Expendables 4“ folgt nun „The Beekeeper“, der gleich noch ein zweites Mini-Comeback darstellt: Es ist die erste Regiearbeit von David Ayer („Suicide Squad“) seit seinem gefloppten Exploitation-Thriller „The Tax Collector“ von 2020, der an einem verkrampften Skript und schlecht gespielten Randfiguren litt. Und obwohl „The Beekeeper“ nicht sämtliche Schwächen des Vorgängers vergessen machen kann, gefällt der Rache-Reißer doch als grundsolide Gewalt-Gaudi!
Bienenzüchter Adam Clay (Jason Statham) ist ein Einsiedler, wie er im Buche steht. Naja, fast: Zumindest bei seiner Nachbarin, der gutmütigen Mrs. Parker (Phylicia Rashad), lässt er sich gelegentlich blicken, um ihr zu helfen oder ein Glas Honig zu schenken. Doch als Mrs. Parker Opfer einer Phishing-Abzocke wird, sieht der Einzelgänger rot: Er macht erbarmungslos Jagd auf die Fieslinge, die dem ignoranten Reichensöhnchen Derek Danforth (Josh Hutcherson) unterstehen. Die Online-Betrüger unterschätzen ihn zunächst, doch das ist ein brutaler Fehler: Clay ist schließlich ehemaliges Mitglied einer Organisation namens „Beekeepers“, die für das Recht der Ausgebeuteten notfalls auch über Leichen geht...
Die größte Stärke von „The Beekeeper“ ist der schiere Hass, den Ayer und sein Drehbuchautor Kurt Wimmer („Equilibrium“) auf die Schurken zu schüren. Statt die bereits verabscheuungswürdige Masche, hilflose alte Menschen durch Online-Spam, Data-Mining und Telefonbetrug zu neppen, für sich sprechen zu lassen, packen sie noch ein paar Schippen drauf: So ist das Call-In-Center, von dem aus die Betrugsmaschen abgewickelt werden, eingerichtet wie der feuchte Traum eines sich allein von Red Bull und Cornflakes ernährenden Teenagers, dessen gesamte Weltsicht auf dubiosen Onlineforen und Crypto-Influencern fußt.
Angestachelt werden die Beschäftigten in dieser Halle des Abschaums von einem selbstverliebten Plappermaul (sehr effektiv: David Witts), das auftritt, als hätte es sich einst Andrew Garfield aus „The Social Network“ zum Vorbild genommen, bevor es dann zu viel „The Wolf Of Wall Street“ geschaut (und den doppelten Boden von Martin Scorseses Anti-Gier-Epos selbstredend nicht verstanden) hat. Sobald der von Statham herrlich selbstzufrieden-grummelnd gespielte Clay dann die erste Portion süße Rache serviert, mischen die Filmschaffenden ihre Formel dezent auf. Die Schurken bleiben perfektes Kanonenfutter, aber es gibt trotzdem ebenso unerwartete wie begrüßenswerte Variationen.
Zum Beispiel erinnert der Kopf eines weiteren Betrugsnetzwerk-Standorts mit seiner Optik, seinen Manierismen und seinem Vokabular an prollige Ballermann-Sänger – hässliches Billig-Sakko und „Paris, Athen, auf Wiedersehen!“-Jargon inklusive. Und sobald sich die Schurken eine eigene Security-Miliz beschaffen, weil die sonst verfügbaren Ex-Navy-SEALs allesamt Luschen seien, frönt Ayer wieder seiner Liebe für sonderbare Counter-Culture-Charakterköpfe. Das sorgt für Abwechslung, denkwürdige Outfits und rotzige Sprüche, bringt aber auch so manche anstrengend-laienhafte Schauspielleistung mit sich.
Durch dieses Exzentrik-Schaulaufen der Handlanger läuft der böse Bengel an der Spitze zwischendurch Gefahr, übertönt zu werden. Doch als Strippenzieher mit einem Hang zur Hippie-Ästhetik gibt „Die Tribute von Panem“-Star Josh Hutcherson schlussendlich eine solide, unterhaltsame Figur ab. Nicht zuletzt dank seines knochentrockene Rapports mit einem routiniert-stoischen Jeremy Irons, der für Danforth eine Art Auftrags-Vaterfigur ist: Irons macht zwar letztlich kaum etwas anderes als in seinen DCEU-Auftritten als Butler Alfred. Trotzdem ist jede seiner elegant-hochnäsigen Verbalohrfeigen in Richtung seines tumben Schützlings ein Treffer.
Der bienenzüchtende Protagonist selbst hält sich mit markigen Sprüchen derweil eher zurück und kontert verbale Steilvorlagen seiner Feinde oft mit Zähneknirschen und nichtssagenden Worthülsen. Verbale Fahrt nimmt er nur auf, wenn er mit boshafter Vorfreude ankündigt, was er tun wird, oder sich in langen, von Statham todernst gespielten (aber in ihrem Pathos äußerst komischen) Monologen über Bienen verliert.
Den Aspekt, dass Clays Bienen-Besessenheit womöglich einen tieferen Sinn hat, verschenken Ayer und Wimmer allerdings: Seine martialische Imker-Jacke ist zwar cool. Doch den Ansatz, dass die „Beekeepers“ eine extrem gut vernetzte Geheimorganisation sind, schlagen Ayer und Wimmer zügig in den Wind. Kurze Einschübe deuten an, dass wir es mit einer komplexen Unterwelt mit eigenen Regeln und Retro-Technologie zu tun haben. Aber abgesehen von Telefonistinnen, die Clay Informationen geben, und einer dramaturgischen Sackgasse, in der Clay Widerstand aus eigenen Reihen erfährt, bleibt es beim halbherzigen Versuch, auf der „John Wick“-Mythologie-Welle mitzuschwimmen.
Es hätte gereicht, Clay als Ex-Agenten zu zeigen, der Bienen einfach absurd toll findet und gerne über sie referiert. Der Unterhaltungswert wäre derselbe, aber das Erzähltempo wäre zügiger. Solch eine Straffung hätte auch manchen Kampfeinlagen gutgetan. Denn während die Gewaltspitzen gut platziert sind und es Spaß macht zu erraten, welche hanebüchenen Kniffe Clay wohl noch alle aus dem Hut zaubert, um sich aus einer Zwickmühle zu manövrieren, glänzen nur wenige Auseinandersetzungen mit raffinierten Choreografien. Viele Passagen sind einfach nur im Dunkeln gefilmte, zügig geschnittene Rangeleien.
Gleichwohl zeigt „The Beekeeper“, dass Statham es noch immer draufhat. Etwa, wenn Clay sich gen Finale mit einem muskelbepackten, räudig kämpfenden Hünen anlegt, den er mit reiner Muskelkraft unmöglich bezwingen kann. Hier machen Ayer und das Stuntteam endlich von Stathams Wendigkeit Gebrauch – ganz wie früher! Atypisch ist derweil der Handlungsstrang rund um Emmy Raver-Lampman und Bobby Naderi als FBI-Duo, das Clay zwar pflichtbewusst hinterherjagt, aber seinen Selbstjustiz-Feldzug irgendwie auch zu respektieren weiß. Da merkt man, dass sich „End Of Watch“-Regisseur und „Training Day“-Autor Daviy Ayer in blutverschmierten ethischen Grauzonen eben immer noch am wohlsten fühlt.
Fazit: Die Gier nach süßer Rache ist in „The Beekeeper“ doch recht unterhaltsam geraten, gerade für Fans des „alten“ Jason Statham.