Jack Carter (Michael Caine) heißt Racheengel – nothing else, if you ask me. Carter – über ihn ist nichts bekannt. Vielleicht nur, dass er für einen gewissen Gerald Fletcher (Terence Rigby) gearbeitet hat und mit dessen Frau Anna (Britt Ekland) das Bett teilt. Aber Frauen sind für Carter nur Dutzendware; er schläft mit ihnen, doch das bedeutet wirklich nichts. Carter weiß mit Moral nichts anzufangen; für ihn sind alle anderen eben andere, Mittel zum Zweck, zu welchem auch immer. Carter ist Profikiller, trinkt bitteres Bier nur aus einem dünnwandigen Glas und hat Telefonsex mit Anna, während die Inhaberin einer Pension, Edna (Rosemarie Dunham), eine Frau in mittleren Jahren, keine zwei Meter von ihm entfernt im Schaukelstuhl hin und her wippt. Später wird Carter auch mit Edna schlafen, mit Glenda (Geraldine Moffat), der Freundin des Gangsters Kinnear (John Osborne), nur nicht mit Margaret (Dorothy White), der Lebensgefährtin seines Bruders Frank.
Frank ist tot, angeblich betrunken mit dem Auto verunglückt. Sein Sarg steht in einem Zimmer der schäbigen Wohnung, in der Margaret lebt, irgendwo in den Arbeitervierteln Newcastles, wo Worte wie Hoffnung, Glück und Liebe aus dem Sprachschatz verbannt wurden. Carter schaut den toten Frank an, rasiert sich dabei, bis der Sarg geschlossen und Frank beerdigt wird. Carter ist sich sicher, dass sein Bruder weder Selbstmord begangen, noch einen Unfall hatte. Deshalb ist er von London nach Newcastle gekommen – um die zu finden, die Frank ermordet haben. Frank hinterlässt eine Tochter, Doreen (Petra Markham), ein Mädchen im schulpflichtigen Alter, die aber längst nicht mehr zur Schule geht, sondern bei Woolworth als Verkäuferin arbeitet.
Carter kennt die Szene in Newcastle, all die alten Gauner und Gangster, zu denen auch Eric Paice (Ian Hendry) gehört, den er auf der Rennbahn trifft – in Chauffeurskleidung mit dunkler Brille. Carter hat ein Gespür dafür, wo er die Mörder seines Bruders finden wird. Eric will nicht sagen, für wen er den Chauffeur spielt. Carter sagt ihm, wofür er ihn hält: Er nimmt ihm die Brille ab und sagt: „Your eyes look like pissholes in the snow.“ Carter verfolgt Eric heimlich, trifft auf Kinnear, der mit Harry und anderen pokert. Carter zeigt seine Entschlossenheit, die Mörder zu finden. Er trifft auch auf Cliff Brumby (Bryan Mosley), der ihm später viel Geld anbieten wird, damit Carter verschwindet. Carter schlägt alles aus, auch die Rückfahrkarte nach London, die ihm der scheue Thorpe (Bernhard Hepton) in die Pension vorbeibringt. Carter wird zur Gefahr, und die Killer Con (George Sewell) und Peter (Tony Bleckley), später auch Eric, versuchen den Unruhestifter zu schnappen.
Mit „Get Carter“ inszenierte Mike Hodges („Der Croupier“, 1998) eine Art Ur-Crime-Story, die Geschichte eines skrupellosen, kaltblütigen Killers, der das Gesetz der Straße, der Gangster verletzt, weil er nach der Ursache für den Tod seines Bruders sucht und die Mörder hinrichten will. Vieles erinnert an Scorseses Taxi Driver (1976), in dem Robert de Niro als Travis Bickle eine ähnliche Figur verkörperte. Carter ist bereits tot vor seinem Tod. Er hat sich festgelegt, ist festgefahren in einer Welt, die er selbst mit geschaffen hat. Sein Leben ist gelaufen. Die Kaltblütigkeit, mit der er sich rächt, lässt wenig spüren davon, dass in ihm noch irgendetwas lebt. Nur wenn er Franks Tochter Doreen begegnet, trifft man auf Spuren von Emotion, die Carter hinter seinem steinernen Gesicht gut verbergen kann. Er will Doreen mit nach Südamerika nehmen, wenn das alles hier vorbei ist. Doreen aber will nicht. Er warnt sie, sie soll Männern nicht vertrauen. Er weiß, wovon er redet, denn die Männer, die er kennt, einschließlich sich selbst, kennen kein Vertrauen.
Die Kälte hat ihre eigenen Gesetze, und Carter verletzt sie, indem er sie anwendet. Frank hat einen „Fehler“ begangen, für den er nach diesen Gesetzen mit seinem Leben bezahlen musste. Carter geht es nicht so sehr um Frank, um einen Menschen, einen nahen Verwandten. Es geht ihm ums Prinzip, mafiaähnlich handelt er, zögert nicht, kann warten, zieht die Schlinge um die Mörder enger, schlägt präzise zu, wenn die Zeit gekommen ist. Carter ist entschlossen.
Die Bilder von Wolfgang Suschitzky und die Musik Roy Budds tun ein Übriges, um die Kälte der sozialen Strukturen und der in ihnen handelnden Figuren deutlich werden zu lassen. Das ist das besondere an diesem Film: Spiel der Akteure, Musik, Szenerie – all das stimmt, passt zusammen. Die Ärmlichkeit, Trostlosigkeit, Verlassenheit, das Heruntergekommene der Vorstädte Newcastles untermauern diese Atmosphäre. Das Gesetz der Rache bringt Carter selbst in Gefahr, aber daran denkt er nicht. Geht er drauf, hat er Pech gehabt. Hodges inszenierte „Get Carter“ als Puzzlespiel für den Zuschauer. Eines fügt sich zum anderen, bis Carter und wir den Grund für Franks Tod erfahren. „Get Carter“ ist kein Actionfilm, in dem permanent die Fetzen fliegen. Eher ruhig, fast bedächtig, mit spärlichen Dialogen inszeniert entrollt sich die Geschichte bis zum bitteren, aber nichtsdestotrotz logischen Ende. Das Remake des Films von 2000 (Regie: Stephen T. Kay) mit Sylvester Stallone in der Hauptrolle übrigens ist – davor sei gewarnt – nur ein müder Abklatsch, der von der Stimmung des Originals nichts mehr hat.