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    Boys From County Hell
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Boys From County Hell

    War Dracula in Wirklichkeit ein Ire?

    Von Oliver Kube

    Lange galt es unter Literaturhistoriker*innen als nahezu gesichert, dass der für seine Gräueltaten berüchtigte Herrscher Vlad III. dem irischen Schriftsteller Bram Stoker als Vorbild für seine wichtigste Romanfigur Graf Dracula gedient hatte. Nachdem in den 1990ern bereits vermehrt Zweifel an dieser Theorie aufkamen, wurde 2000 von dem durchaus angesehenen Wissenschaftler Professor Bob Curran, Dozent für keltische Geschichte an der University of Ulster, die These aufgestellt, dass Stoker für seinen fiktiven Vampir zwar einige Eckdaten aus Vlads Leben übernommen, sich ansonsten aber an der Legende von Abhartach orientiert habe.

    Der historische Abhartach soll im 5. oder 6. Jahrhundert der tyrannische Regent eines kleinen Königreichs im heutigen Nordirland und im Besitz magischer Kräfte gewesen sein. Nach seiner Ermordung entstieg Abhartach angeblich am nächsten Tag seinem Grab und verlangte eine Schüssel Blut von jedem seiner Untertanen als Abbitte. Dasselbe geschah danach noch zwei weitere Male, bis der offenbar unkaputtbare Mann mit dem regen Durst nach rotem Lebenssaft endlich unter einem Haufen schwerer Steine beerdigt wurde, unter dem er nicht wieder hervorkriechen konnte.

    Diese wilde Story diente dem Regisseur und Drehbuchautor Chris Baugh 2013 als Inspiration für seinen Horror-Kurzfilm „Boys From County Hell“. Acht Jahre später hat der Nordire einen Langfilm daraus gemacht, der seine Deutschlandpremiere nun auf dem Fantasy Filmfest feiert – eine ebenso witzige wie blutige Vampir-Horrorkomödie, die zwar ihre Charaktere, aber darüber hinaus weder die zugrundeliegende Legende noch sich selbst sonderlich ernst nimmt und gerade deshalb so wunderbar unterhaltsam ist.

    Bei dem eingeschlagenen Schädel hätte man durchaus auf die Idee kommen können, dass man hier eher nicht bleiben sollte.

    In Six Mile Hill ist nicht viel los. Eugene (Jack Rowan) und seine Kumpels, die das irische Provinzkaff noch immer nicht in Richtung der nächsten Großstadt verlassen haben, machen sich gern einen Spaß daraus, die seltenen Touristen zu veräppeln. Diese kommen hauptsächlich, um das aus einem Steinhaufen bestehende Grab des angeblich vor langer Zeit hier sein Unwesen treibenden Vampirs Abhartach zu besuchen. Ansonsten verbringt der junge Mann seine Zeit mit Biertrinken und Streitereien mit seinem Vater Francie (Nigel O'Neill), dem Besitzer eines lokalen Bauunternehmens.

    Francie hätte gern, dass Eugene sich mehr für das Familiengeschäft engagiert. Deshalb überträgt er ihm die Aufsicht über einen kleinen Arbeitertrupp, der ein Stück des Landes von Bestatter George (John Lynch) für den Bau einer neuen Umgehungsstraße vorbereiten soll. Als Eugene und seine Kollegen dabei Abhartachs Grab mit einem Bagger zerstören, setzen sie versehentlich den gefährlichen Dämon frei. Nun müssen die im Kampf gegen das Böse herzlich unerfahrenen Landeier irgendwie versuchen, die hereinbrechende Nacht zu überleben. Denn aus dem Kino wissen sie, dass ihnen der Blutsauger bei Tageslicht ja nichts mehr anhaben kann. Oder?

    Zunächst kommt der Alkohol, dann erst der Vampir

    Es dauert ein wenig, bis „Boys From County Hell“ horror-mäßig in die Gänge kommt. Wenn es dann nach etwa 20 Minuten mit dem Blutvergießen losgeht, ist der Auslöser immer noch kein Vampir, sondern die Attacke eines tollwütigen Nutztieres. Trotzdem ist der Weg bis zur ersten Action alles andere als langweilig. Denn Chris Baugh nutzt die Zeit sehr effizient, um uns die Figuren und das urige Ambiente in der wunderbar grünen Landschaft näherzubringen. Klar, so richtig originell sind Slacker Eugene und seine Kumpels nicht gezeichnet. Müssen sie aber auch gar nicht. Denn Drehbuch und Darsteller lassen sie trotzdem verdammt lässig und sympathisch wirken. So können wir umgehend nachvollziehen, dass sie alle zwar ihre Heimat lieben, den tristen Alltag aber nur mit viel Galgenhumor und noch mehr Alkohol ertragen.

    Der eigentliche Horror-Plot geht dann recht konventionell vonstatten. Das vom einschüchternd großen und erstaunlich linkisch agierenden Robert Nairne („Das Geheimnis von Marrowbone“) verkörperte Ungeheuer meuchelt sich bis zum finalen Showdown durch den beschwipsten Freundeskreis. Aber selbst abgeklärten Fans solcher Filme wird hier nicht langweilig: Nicht nur baut das Skript ein paar nette, das Genre augenzwinkernd auf die Schippe nehmende Twists ein, auch der Slapstick und der verbale Humor zünden zuverlässig – unterstützt von einem oft ironisch eingesetzten Rock-Soundtrack, der größtenteils aus Stücken irischer Acts wie The Saw Doctors, Horslips oder Rory Gallagher besteht. Meist untermalen ausgerechnet die fröhlichsten, lebhaftesten Nummern die blutigsten oder düstersten Momente. Als Krönung wird uns zum Schluss noch ein Novum in Form einer der ungewöhnlichsten improvisierten Stichwaffen der Horror-Historie präsentiert. Eine wirklich großartige Idee.

    Ein sympathischer Haufen - und trotzdem werden viele die kommende Nacht nicht überleben.

    Visuell sind bei einer kleinen Indie-Produktion wie dieser natürlich keine Wunderdinge zu erwarten. Der oben erwähnte Tierhorror-Moment etwa sieht leider recht billig aus. Und auch, was die Gore-Effekte betrifft, müssen im Vergleich zur Konkurrenz aus Hollywood deutliche Abstriche gemacht werden. Gelegentlich kommen Schnitte zudem früher, als man eigentlich möchte – oder Kameramann Ryan Kernaghan („Ted Lasso“) schwenkt sein Arbeitsgerät schon mal (vermutlich absichtlich) so schnell, dass es nicht wirklich möglich ist, alles haargenau zu erkennen. Aber damit lässt sich als Zuschauer*in durchaus leben. Sind das Engagement und die schiere Freude, mit denen Crew und Cast hier an den Start gingen, doch durchgehend zu spüren.

    Fazit: „Boys From County Hell“ mag kein zukünftiger Horrorkomödien-Klassiker sein, aber Fans von Filmen wie „Shaun Of The Dead“ werden auch hier sicherlich eine Menge Spaß haben.

    „Boys From County Hell“ feiert seine Deutschlandpremiere auf dem Fantasy Filmfest.

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