Erst das Denglisch, dann das Vergnügen
Von Oliver KubeEine Vorwarnung an alle Ü30-Filmfans, die ihre Kinder beim Kinobesuch begleiten oder sich „Alle für Ella“ einfach so anschauen wollen, etwa um Lavinia Wilson, Milan Peschel und Sara Fazilat in durchaus amüsanten Nebenrollen zu erleben: In der ersten Viertelstunde windet man sich regelrecht vor linguistischem Unbehagen beziehungsweise grammatikalischer Fremdscham im Sessel – und womöglich bereut man sogar, ein Ticket gelöst zu haben. In Sachen aufgesetzt wirkendem Denglisch („Fame ist voll vain, Sweetie!“) und exzessiv benutzter Anglizismen wirkt das Ganze nämlich fast so, als wolle man uns mutwillig aus dem Saal treiben. Vielleicht damit die eigentliche Zielgruppe für den Rest der Laufzeit unter sich sein kann?
Hat man sich nämlich erst einmal an diese fast karikatureske Überspitzung der Dialoge gewöhnt oder gar seine Lust daran gefunden, gefällt der Jugendfilm von „Nothing More Perfect“-Regisseurin Teresa Hoerl dann doch echt gut. Das liegt übrigens weniger an der mit viel eingängiger Musik, ein bisschen Romantik sowie Comedy- und Drama-Elementen versehenen, letztlich aber arg generischen Handlung. Sondern vielmehr am Enthusiasmus und der Spielfreude der jungen Hauptdarsteller*innen sowie dem flott geschnittenen, herrlich bunten Bildermix aus mit hangehaltener Kamera gefilmten Aufnahmen und moderner Videoclipästhetik.
5 Jahre ist „Bibi & Tina 4“ nun schon her. Mit „Alle für Ella“ liefert Lina Larissa Strahl ein gelungenes Leinwand-Comeback.
Selbst für eine Abiturientin hat Ella (im wahren Leben längst keine Teenagerin mehr: Lina Larissa Strahl) ganz schön viel Stress. Neben der Vorbereitung auf die anstehenden Prüfungen arbeitet sie in einer Pizzeria. Außerdem hilft Ella ihrer Mutter Heike (Lavinia Wilson), die sie und ihren im Rollstuhl sitzenden Bruder Tim (Lorenzo Germeno) allein großzieht, bei deren Putzjobs. Obendrein spielt Ella Gitarre und hat gemeinsam mit ihren Freundinnen Anaïs (Safira Robens), Romy (Malene Becker) und Cahide (Tijan Marei) eine ambitionierte Rockband. Wobei das Virginia Woolfpack, so der Name der Band, gerade der einzige echte Lichtblick in ihrem Alltag ist.
Als sich das Quartett bei einem Talentwettbewerb eines Radiosenders anmeldet, kommen die vier Mädchen tatsächlich in die Endausscheidung. Dort müssen sie unter anderem gegen den Rapper AlfaMK (Gustav Schmidt) antreten. Da der bereits über eine beträchtliche Social-Media-Fanschar verfügt, verhält er sich ihnen gegenüber entsprechend abgehoben und herablassend. Was Ellas Mitstreiterinnen nicht wissen: Sie kennt den Rüpel, der im wahren Leben Leon heißt, bereits vom Saubermachen in der Luxusvilla seiner Eltern – und findet ihn auch eigentlich gar nicht mal so scheiße…
Nach ihrem großen Durchbruch mit den vier „Bibi & Tina“-Kinohits wurde es um Bibi-Darstellerin Lina Larissa Strahl sehr ruhig in den Kinos. Abgesehen von ein paar Synchronjobs für Animationsfilme wie „Chaos im Netz“ oder „UglyDolls“ konzentrierte sie sich nämlich voll auf ihre Gesangs- und Songschreiberkarriere. Was auch erstaunlich gut funktionierte. Da erscheint es logisch, dass die Niedersächsin ihr Leinwand-Comeback nun mit einem Film feiert, in dem sie eine passionierte Musikerin spielt.
Im Gegensatz zu den Bibi-Filmen, wo ihr expressives Spiel noch gut passte, hat Strahl das Grimassieren klar zurückgefahren. Auch vermittelt sie die Gefühlsturbulenzen, durch die ihr Charakter gehen muss, richtig gut, indem sie nicht nur mit Worten und Mimik, sondern viel mit dem restlichen Körper arbeitet. Mal lässt sie in schwierigen Momenten subtil die Schultern hängen. Dann wieder tänzelt sie förmlich locker die Straße herunter, wenn es ihrer Figur gut geht. Oder sie wiegt sich verträumt im Takt der Hip-Hop-Klänge ihres Lovers/Rivalen.
Mit ihren Instrumenten auf Mission: Ella und ihre Band Virginia Woolfpack…
Die Freundschaft des Mädchenquartetts wirkt durchgehend glaubhaft, weil die Chemie zwischen den vier Darstellerinnen stimmt. Nicht so gelungen sind dagegen die Momente, in denen Strahls Kolleginnen nach Genuss von Tims medizinischem Marihuana high sein sollen. Speziell im Rahmen eines desaströsen Vorspielens bei einem Plattenfirmen-Boss ist ihr Auftritt viel zu albern, sodass man das Ende dieses Segment kaum erwarten kann. Erfreulich ist hingegen, dass nicht nur der Titelstar, sondern auch mindestens zwei ihrer Mitstreiterinnen ihre Instrumente wirklich beherrschen. Zumindest sieht es bei Malene Becker und Safira Robens am Schlagzeug beziehungsweise am Bass schwer danach aus, während um Tijan Marei an den Keyboards meist herumgeschnitten wurde. Der etwas vernuschelte „Gangster-Rap“-Flow von Gustav Schmidt als Antagonist und Ellas heimlicher Schwarm kommt ebenfalls erstaunlich effektiv rüber.
Apropos Musik: Sowohl die Rock-Songs der Band als auch AlfaMKs Nummern sind wahrlich keine Ausbünde an Originalität. Dafür gehen sie direkt ins Ohr und bleiben dort auch eine ganze Weile und erfüllen somit ihren Zweck. Und natürlich findet sich die Lösung zu allen im Laufe der gut eineinhalb Stunden aufgebauten Konflikte letztlich in der Musik. Das ist nicht sonderlich überraschend, aber doch auch für das Publikum irgendwie tröstlich. Etwas schade ist indes, dass aus dem Drehort München, abgesehen von einer ein paar der üblichen Sehenswürdigkeiten im Schnelldurchlauf abklappernden Autofahrt, recht wenig gemacht wird. Dafür spielt Milan Peschel in seiner Handvoll Szenen als frustrierter Musiklehrer der Mädchen so herrlich trocken, dass man sich mehr Momente mit ihm gewünscht hätte.
Ein zweiter „Das schönste Mädchen der Welt“, in dem ebenfalls ein klassischer Lovestory-Stoff um modernen Rap erweitert wurde, ist „Alle für Ella“ also nicht geworden. Dazu ist der Film mit seinen Aschenputtel-Anspielungen im Rahmen einer eher platten Arm-Reich-Liebelei dann doch zu absehbar und formelhaft. Ein netter Zeitvertreib für Teens, aber auch Erwachsene, die sich vielleicht nochmal zurückerinnern wollen, wie unglaublich wichtig ihnen die damaligen Freund*innen waren und mit wie viel Verve wir einst an Dinge herangingen, die uns am Herzen lagen, ist er aber allemal. In diesen Belangen fühlt sich der Film nämlich – trotz seines zwischenzeitlichen Überdrehens und der eingangs erwähnten Denglisch-Abgründe – erstaunlich wahrhaftig an.
Fazit: Die Story ist alles andere als neu. Trotzdem überzeugt „Alle für Ella“ als größtenteils unterhaltsames und emotional glaubwürdiges Vehikel für „Bibi & Tina“-Star Lina Larissa Strahl, um sich langsam, aber sicher in Richtung erwachsenerer Rollen vorzutasten.