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    Bad Tales - Es war einmal ein Traum
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Bad Tales - Es war einmal ein Traum

    Italian Beauty

    Von Michael Meyns

    Zwar haben die Zäune hier nicht ganz so grellweiße Latten und abgeschnittene Ohren finden sich auch keine im ohnehin viel zu grünen Gras. Aber angesichts der Vorstadthölle, die die italienischen Regie-Brüder Damiano und Fabio D'Innocenzo („Boys Cry“) in ihrem satirischen Drama „Bad Tales“ evozieren, fühlt man sich dennoch unweigerlich an die offensichtlichen Vorbilder von David LynchSam Mendes oder Ulrich Seidl erinnert. Aber diese Vorbilder bleiben unerreicht, dafür verläuft die entlarvende Erzählung trotz gewisser postmoderner Sperenzchen (der Film wird von einem nie genau zuordbaren Erzähler als elegische, von zwei Selbstmorden und einem ertränkten Baby gerahmte Rückblende inszeniert) dann doch in zu schlichten, harmlosen und bekannten Bahnen.

    Im Zentrum der vielstimmigen Erzählung steht die Familie Placido, bestehend aus Vater Bruno (Elio Germano), Mutter Dalila (Barbara Chichiarelli) und den Geschwistern Dennis (Tommaso di Cola) und Alessia (Giulietta Rebeggiani). Auf den ersten Blick eine Bilderbuchfamilie: Die Kinder bringen nur Bestnoten nach Hause, die Eltern sind vergleichsweise wohlhaben und glücklich verheiratet. Aber die Wahrheit ist eine andere – und die steuert unaufhaltsam auf eine Katastrophe zu! Am anderen Ende der sozialen Leiter stehen der Pizza-Kellner Amelio Guerrini (Gabril Montesi) und sein Sohn Geremia (Justin Korovkin), der mutmaßliche Erzähler des Films. Kaum ein Wort spricht Geremia, er beleibt schweigsam-schüchterner Beobachter, während er versucht, den Hoffnungen seines Vaters gerecht zu werden, der von einem besseren Leben für ihn träumt. Auch wenn absehbar ist, dass daraus nichts wird…

    Die Eltern zergehen vor Neid - und die Kinder schmieden bereits an ihren eigenen explosiven Plänen.

    Als wahre Geschichte, die wiederrum auf einer Lüge basiert, kündigt der Erzähler das folgende Geschehen zu Beginn an. Er spricht mit der Stimme eines Erwachsenen – doch wie er erzählt, welche Situationen er als Erlebnisse dieses Sommers beschreibt, lassen vermuten, dass es sich um den fast stummen Geremia handelt. Das Tagebuch eines Mädchens habe er gefunden und zunächst nicht geahnt, dass er darin irgendetwas Interessantes erfahren würde. Doch dann las er von zwei Geschwistern, die erleben müssen, wie ihre heile Welt zunehmend zusammenbricht. Es handelt sich dabei offenbar um Dennis und Alessia, zwei Kinder, deren Leben er nur aus zweiter Hand beschreiben kann. Ein unzuverlässiger Erzähler, mit dem die D'Innocenzos ihren Film auf eine mythische Ebene zu heben versuchen, was jedoch nur bedingt gelingt.

    Um verlorene Unschuld soll es gehen, um Kinder, die von ihren Eltern zu Höchstleistungen angetrieben werden – im Fall von Alessia und Dennis ist selbst eine 1 nicht gut genug, es hätte schließlich auch eine 1+ sein können. Geremia bekommt von seinem alleinerziehenden Vater im Gegensatz dazu vor allem vorgelebt, dass er ein Mann sein soll. Was für ihn bedeutet, möglichst wild Auto zu fahren und am besten schon mit seinen jungen Jahren Sex haben. Doch genauso wie Geremia merkt, dass sein Möchtegern-Aufreißer-Vater mehr Schein als Sein ist, so merken auch Alessia und Dennis zunehmend, welche Lüge ihre Eltern (und eigentlich alle Menschen in ihrer Nachbarschaft) leben. Doch was dabei enthüllt wird, ist weit entfernt von der unerbittlichen Dekonstruktion heiler Vorstadtwelten, wie wir sie etwa in Lynchs „Blue Velvet“, Seidls „Hundstage“ oder Mendes' „American Beauty“ sehr viel bissiger und unnachgiebiger erlebt haben.

    Swimming-Pool-Neid (und Penis-Neid sowieso)

    Ein wenig Neid auf den Swimmingpool der Nachbarn, etwas sexuelle Frustration gepaart mit Gewaltfantasien, das war es auch schon. Das wirkt eher wie eine misslungene Seifenoper und nicht wie das Sezieren von nachbarschaftlichen und gesellschaftlichen Abgründen, was hier aber offenbar angestrebt war. Vor allem stilistisch kann „Bad Tales“ am Ende trotzdem überzeugen, mit seinen genau komponierten Breitwandbildern, die die Vorstadt-Tristesse in ausgeblichenen Farben und grellem Licht zeigt. Mit vielen Nahaufnahmen geht das Regie-Duo an seine Figuren heran, zeigt überdeutlich fettige Haut, schlechte Zähne, unrasierte Intimzonen. Starke Bilder sind das oft, die in ihrer grellen Schärfe mehr verborgene Hässlichkeiten enthüllen als die allzu bekannte Geschichte.

    Fazit: Vor allem stilistisch können die Brüder D'Innocenzo mit ihrem zweiten Spielfilm überzeugen. Aber ansonsten entwickelt ihre Vorstadt-Satire einfach nicht den nötigen Punch – obwohl die bloße Story an sich das nicht nur hergegeben, sondern eigentlich sogar zwingend danach verlangt hätte, fühlt sich ihr Film einfach nie wie ein ungebremster Schlag in die Magengrube an.

    Wie haben „Bad Tales“ im Rahmen der Berlinale gesehen, wo er als Teil des offiziellen Wettbewerbs gezeigt wurde.

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