"Wo kommen sie nochmal her?" - schleichendes Unbehagen und düsterer Druck.
Xhafer stammt aus dem Kosovo, er möchte aber in seinem Unternehmen einfach als normaler Mitarbeiter respektiert werden. Stattdessen wird er über die Raumverlegung einer Besprechung nicht informiert, Mails erreichen ihn nicht, dringend benötigte Unterlagen werden ihm von seinem Kollegen Urs vorenthalten und an seinem heimischen Gartentor hängt (nicht nur einmal) eine tote Ratte. Aber: Stehen all diese Ereignisse in einem logischen Zusammenhang? Was ist Zufall, was geplant? Wer ist der Urheber? Was ist überhaupt Realität und was bildet sich Xhafer nur ein? Seine (deutsche) Ehefrau Nora hakt immer wieder kritisch nach, ob es nicht Xhafer sei, der sich häufig aggressiv verhält und es den Menschen nicht leicht mache. Betrügt Nora Xhafer etwa mit einem Studenten? Dass Xhafer Nora betrügt und mit der Reinigungskraft in der Firma Sex hat, ist klar zu sehen. Ihre Brücke ist die gemeinsame Herkunft und gleiche Sprache. Diese gleiche Sprache möchte er mit ihr vor seinen Kollegen allerdings nicht sprechen und weist sie genauso barsch ab, wie sein Kollege Urs ihn mehrfach stehen lässt.
Der Regisseur Visar Morina stammt selbst aus dem Kosovo und hat ein gutes Gespür für die vielen Zwischentöne und Uneindeutigkeiten. Äußerlich betrachtet hat Xhafer es geschafft: Eine attraktive Ehefrau, drei Kinder, ein eigenes Haus und einen guten Job, aber hinter dieser Fassade schwelen Ängste, fehlender Respekt, Fremdenfeindlichkeit, kulturelle Vorurteile, Gefühle der Über- und Unterlegenheit. "Exil" ist kein Film über Integration, Mobbing oder gar Fremdenfeindlichkeit, aber all diese Themen sind gleichwohl enthalten. Inszeniert wird aber die Unsicherheit, viele Andeutungen und eine unmerkliche Atmosphäre der Bedrohung und Machtlosigkeit. Aufgrund seiner sehr unspektakulären Erzählweise verlangt "Exil" viel Konzentration. Es gibt klare Thrillerelemente und Spannungsaufbau aber auch ebenso Leerlauf und Stillstand. Das Prinzip der Uneindeutigkeit bleibt bis zum Schluss prägend.
"Exil" ist ein Drama, in welchem das geordnete Leben eines Menschen Stück für Stück aus den Fugen gerät. Dieser Mensch ist keinweswegs ein Held, er ist noch nicht einmal rundherum sympathisch sondern stößt andere Menschen vor den Kopf und macht schwere Fehler. Aber seine tiefe Verunsicherung überträgt sich auf den aufgeschlossenen Betrachter und dann erhält der Film auch die Wirkung eines Thrillers, wenngleich eines leisen, sehr zurückgenommen inszenierten Thrillers. Hervorragend gespielt, mit eindrücklicher Bildsprache, anstrengend aber wirkmächtig.