BLACK LIVE MATTERS AM FLUGZEUGTRÄGER
von Michael Grünwald / filmgenuss.com
Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich, gerade mal Teenager, im Modellbaufachgeschäft meines Vertrauens Wurzeln schlug und dort all die Bausätze bekannter Kampfflugzeuge bewunderte, die es zu kaufen gab. Ganz besonders angetan hatte es mir die elegante wie typische Form des Vought F4U, auch genannt Corsair mit seiner nachtblauen Lackierung und den geschwungenen Tragflächen. Und Propeller geht sowieso immer, da können die Tomcats und F-18 Hornets noch so schallgeschwind übers Firmament düsen – den rustikalen Retro-Charme eines Corsair-Fliegers besitzen sie nicht. Und für all jene, die für den im zweiten Weltkrieg erstmals zum Einsatz gekommenen Flugmaschinen ebenso eine Portion Bewunderung abringen konnten – vielleicht in ihrer Kindheit oder auch als Airforce-Afficionado in späteren Jahren – dem sei nun die 50ties-Antwort auf Top Gun: Maverick ans Herz gelegt. Zu sehen ist dieses in den USA bereits im Kino gestartete Actiondrama hierzulande exklusiv auf Netflix. Devotion von J. D. Dillard mag zwar nicht die Akkuratesse des Tom Cruise-Vehicles besitzen, dass letztjährlich die Einspielkonkurrenz geradezu wegfegen konnte, bis Avatar 2 kam – hat dafür aber einen realen Bezug. Erzählt wird die Geschichte des schwarzen Corsair-Piloten Jesse Brown, des ersten afro-amerikanischen Fliegers der United States Navy – dessen Aufstieg, dessen Hadern mit sich selbst und einer rassistisch geprägten Gesellschaft, dessen Erfolg und letztendlich sein tragischer Tod.
In diesem mehr als Drama statt als Popcornkino angelegten Geschichtsfilm schreiben wir die beginnende Dekade der Fünfziger, und Kampfpilot Tom Hudner (Glen Powell, ebenfalls Co-Star von Tom Cruise im neuen Top Gun) trifft am Luftwaffenstützpunkt auf Rhode Island den eher kaltschnäuzigen und zurückgezogenen Kollegen Jesse Brown, dessen Verhalten sich nach näherer Betrachtung als nachvollziehbar herausstellt, war dieser doch Zeit seines bisherigen Lebens ständigen Erniedrigungen ob seiner Hautfarbe ausgesetzt, die er, sofern sie verbaler Natur waren, alle in einem Notizbuch zusammengefasst hat. Um mit der gesellschaftlichen Ablehnung besser klarzukommen, sagt er sich diese vor dem Spiegel immer wieder vor. Denn nur wer abhärtet, hat als Schwarzer vielleicht das Zeug zum Erfolg. Hudner allerdings kann den schroffen, aber verlässlichen jungen Mann ganz gut leiden – und rein zufällig wird dieser zu seinem Wingman. Statt den herkömmlichen Übungsfliegern müssen beide bald mit der Corsair klarkommen – und auf einem Flugzeugträger landen können, denn ein Konflikt im Osten lässt das Damoklesschwert des Kommunismus zittern: der Koreakrieg bahnt sich an. Und da sind die USA die ersten, die dem Einhalt gebieten wollen, mitsamt ihrer Luftstreitkraft.
Devotion ist keine trockene Chronik der Ereignisse, aufgepeppt mit einigen großartig choreographierten Flugszenen wie Roland Emmerichs Midway, bedient aber auch nicht die geschmeidigen Versatzstücke gängiger Flugzeugfilme wie eben Top Gun, und da schließe ich beide Teile mit ein. Devotion ist Biografie und Rassismusdrama, aber auch Psychogramm und erst zuallerletzt wirklich Actionfilm, wobei die Tendenz Richtung Kriegsfilm deutlicher zu sehen ist. Jonathan Majors, den wir in Kürze im Auftakt der neuen Marvel-Phase, und zwar in Quantumania als Kang zu Gesicht bekommen werden (den ersten Auftritt hatte er in der Serie Loki), verleiht der historischen Figur des Jessie Brown genug ohnmächtige Wut, Verbissenheit und Misstrauen – bei Familie und seinem Buddy Hudner macht er da eine Ausnahme, und genau dieses Changieren zwischen Selbstschutz und Offenheit lindert das obligate Pathos gern gezeigter, heldenhafter Piloten. Bei Brown steckt mehr dahinter. Bei einem wie Maverick – naja, das Übliche.
Mit dieser Tendenz zum historischen Gesellschaftsdrama mag der Film eingefleischte Aviator-Fans vielleicht ein bisschen am Gängelband halten. Devotion, basierend auf dem Buch Devotion: An Epic Story of Heroism, Friendship, and Sacrifice, will Militärgeschichte erzählen, und zwar mit Fokus auf ein Einzelschicksal. Das gelingt durchwegs wirklich gut, und selbst Details wie dem Stopover in Cannes inklusive der verbürgten Begegnung mit Liz Taylor findet seinen Eingang. Dadurch erhält Dillards Film einen Spin in Richtung einer melodramatischen, doch konventionell erzählten True History, die in seinen wenigen, aber beeindruckenden Kampfszenen Emmerichs Film oder gar Top Gun: Maverick um nichts nachsteht, sich dabei aber wie der schweigsamere und bedächtigere Bruder so mancher Lederjacken-Haudraufs gibt, die ihren Flieger bis ans Limit bringen wollen.
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