Jackie Chan auf den Spuren von Vin Diesel
Von Lutz GranertNeben John Woo und Chow-Yun Fat, die zusammen solche modernen Klassiker wie „Hard Boiled“ oder „The Killer“ schufen, hat das Hongkong-Kino der 80er und 90er Jahre noch eine Reihe weiterer Action-Dreamteams hervorgebracht: So zum Beispiel Regisseur Stanley Tong und Kampfakrobat Jackie Chan, die erstmals 1992 mit „Police Story 3 – Supercop“ international für Aufsehen sorgten. Dabei sprang der gelernte Stunt-Koordinator Tong auch hin und wieder als Double für Chan ein (dem Star wird ja oft fälschlicherweise zugeschrieben, alle Stunts selbst zu absolvieren).
Wenige Jahre später war es erneut Stanley Tong, der Jackie Chan mit „Rumble In The Bronx“ dabei half, auch in Hollywood Fuß zu fassen. „Vanguard – Elite Special Force“ ist nun bereits die neunte Zusammenarbeit des schlagkräftigen Duos, wobei sich die chinesische Produktion allzu offensichtlich der westlichen Erfolgsserie „Fast & Furious“ anbiedert. Der sichtlich in die Jahre gekommene Jackie Chan bemüht sich in seinen Kampfszenen sichtlich um Agilität, trotzdem gerät der mit grobschlächtigem CGI-Einsatz getunte Actionthriller allzu austauschbar.
Jackie Chan ballert sich auch jenseits der Sechzig noch immer munter um die halbe Welt...
Nachdem sein Vater getötet wurde, schwört der Terrorist Omar (Eyad Hourani) Rache. Er fordert von dem chinesischen Geschäftsmann Qin Guoli (Jackson Lou) die Herausgabe wertvoller Dokumente sowie Informationen über das Versteck vergoldeter Autos, mit deren Hilfe er den Kauf einer Massenvernichtungswaffe für seine terroristischen Machenschaften finanzieren will.
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Um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen, nimmt Omar Qin Guolis Tochter Fareeda (Ruohan Xu) als Geisel, die sich gerade als Tierschützerin in Afrika aufhält. Das wiederrum ruft die private Londoner Sicherheitsfirma Vanguard auf den Plan, die unter der Leitung von Tang Huating (Jackie Chan) ein Team zur Befreiung von Fareeda zusammenstellt. Eine Hatz um den halben Erdball beginnt...
Nach Sinn und Verstand sollte man beim Plot von „Vanguard – Elite Special Force“ besser nicht fragen – was besonders einen gut 20-minütigen Ausflug nach Afrika (ohne nähere Länderbezeichnung) miteinschließt. Hier kuschelt (!) Tierschützerin Fareeda im schlecht animierten Savannengras mit einem CGI-Löwen, der (unabsichtlich) ebenso schlecht getrickst ist wie das Raubkatzen-Ungetüm in Dick Maas' Trash-Fest „Prey - Beutejagd“. Aber nicht nur das: Nur wenige Minuten später werden dann auch noch CGI-Hyänen auf Fareeda und die technisch hochgerüstete chinesische Weltpolizei, die dem potenziellen Entführungsopfer im Kampf gegen bärtige Klischee-Bösewichte und mal eben fix angeheuerte Wilderer beisteht, losgelassen,
Während man noch darüber nachgrübelt, wie das geografisch alles zusammenpassen soll, mündet die Savannen-Hatz in eine abenteuerliche Wildwasser-Verfolgungsjagd, welche die auf Booten vor schwammigen gemalten Hintergründen eifrig prügelnden Kombattanten unweigerlich einem steilen Wasserfall entgegentreibt. Schließlich versucht Huating verzweifelt auf einem Jetski gegen die Strömung anzufahren und eine Vanguard-Kollegin am Rande des Abgrunds aus den Fluten zu retten. Das klingt erst einmal spektakulär – ist es aber durch den massiven Einsatz der mäßigen visuellen Effekten, mit dem die 35-Millionen-Dollar-Produktion regelrecht zugekleistert wurde, aber absolut nicht.
Die Vanguard-Formel: coole Posen & große Wummen!
Trotzdem gab es beim Dreh eine Schrecksekunde, als Jackie Chan 45 Sekunden unter Wasser feststeckte und fast ertrank, bevor sich der unter einem Stein eingeklemmte Star befreien konnte. Das ist vermutlich auch einer der Gründe, warum die sichtlich gealterte Martial-Arts-Ikone bis auf einige kurze Prügel-Einlagen, in denen er immer noch große Beweglichkeit beweist, die Action-Bühne im weiteren Verlauf weitgehend seinen deutlich jüngeren Co-Stars um Yang Yang („The King's Avatar“) überlässt. So auch bei einem Stunt in einer Shopping Mall gegen Ende des Films: Kurz bevor Jackie Chan wie zuvor sein Kollege Lei zum Sprung über ein Geländer ansetzen kann, wird er freundlicherweise die Rolltreppe hingewiesen – eine augenzwinkernde Anspielung auf Chans eigenen Stunt in „Police Story“.
Leider sind derart humoristische Szenen in dem hochtourigen Actionthriller, der besonders im letzten Drittel mit zahlreichen Blechschäden bei brachialen Verfolgungsjagden durch Mauern und über Abhänge an die Proll-Action der „Fast & Furios“-Filmreihe erinnert, nur rar gesät. Da räumt ein vergoldeter Hummer schon mal die ganze mit Luxuskarren gesäumte Straße frei und wirbelt einen CGI-Cabrio in Zeitlupe durch die Luft. Auch eine illuminierte Wasser-Show, bei der in Dubai (!) das chinesische Neujahrfest zelebriert wird, fehlt nicht. Solche Klischee-Bilder sind zwar hübsch anzusehen, doch mit seinen ebenso lieb- wie einfallslos choreografierten Martial-Arts-Einlagen lässt „Vanguard“ den Charme der handgemachten Klassiker des Hongkong-Kinos völlig vermissen.
Fazit: Die von einem dünnen Plot zusammengehaltene Hatz von London über die afrikanische Wildnis und den Nahen Osten bis nach Dubai ist zwar temporeich erzählt, aber dabei mit mäßigen Computereffekten völlig überladen. Nachdem Stanley Tong und Jackie Chan bis in die 90er Jahre hinein furiose Beiträge zum Actionkino ablieferten, gelingt es ihnen mit diesem seelenlosen Spektakel nicht mal ansatzweise, an die Klasse früherer Tage anzuknüpfen.
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