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    Schwesterlein
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    FILMGENUSS
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    3,0
    Veröffentlicht am 28. April 2021
    SISTER OF MERCY
    von Michael Grünwald / filmgenuss.com

    Hat Lars Eidinger eigentlich auch bei diesem satirischen Online-Flashmob #allesdichtmachen mitgetan? Oder war ihm dieser eitle Aufschrei doch zu banal? Ich weiß nur: Eidinger spielt für sein Leben gern – und was das Zeug hält und hergibt. Ein künstlerischer Feingeist, exaltiert und kumpelhaft. Sicher charismatisch und einnehmend wie ein Burgschauspieler und dann wieder unauffällig und inkognito. Spannend, ihn auch mal in der einen oder anderen internationalen Produktion zu sichten, wie zum Beispiel in High Life oder gar ins Tim Burtons Dumbo in einer kleinen, glücklich ergatterten Mini-Rolle. Spontan fallen mir aber auch gleich drei Charaktere ein, die auffallend unterschiedlich angelegt sind. Da wäre seine Rolle des psychisch labilen Unternehmersohns Nyssen in den kongenialen Gideon Rath-Krimis Babylon Berlin, da wäre seine Darstellung des sprachaffinen Nazis in Persischstunden oder eben – wie hier – die gequälte Seele eines krankheitsbedingt verhinderten Schauspielers, der um alles in der Welt so gerne wieder als Hamlet auf der Bühne stehen möchte.

    In der Schweizer Produktion Schwesterlein bleibt dem an Leukämie erkrankten Bühnenstar nichts anderes übrig, als auf seine heiß geliebten Auftritte zu verzichten – stattdessen zieht er zur Mutter, die allerdings versucht, den Zustand ihres Sohnes zu übersehen. Das ist kein angenehmer Zustand – das titelgebende Schwesterlein kann das ebenfalls nicht mitansehen und nimmt ihren Bruder mit zu sich in die Schweiz – in der Hoffnung, im Gebirgsklima, in der Natur und im Kreise ihrer glücklichen Familie wird Sven schleunigst genesen.

    Klingt ein bisschen nach der schalen Chronik eines Siechtums? Mitunter ja, doch vorrangig ist hier die Beziehung der beiden Geschwister. Wie Hänsel und Gretel tappen beide einen Pfad des Schicksals entlang, während Lars Eidinger seine Rolle so sehr ernst nimmt, dass es fast schon weh tut. Und ja, es gibt Szenen, die will man in ihrer Intensität lieber nicht ertragen müssen, zum Beispiel wenn der geplagte Künstler vor lauter Schmerzen bitterlich zu weinen anfängt. Wir wissen: Eidinger macht keine halben Sachen. Wenn schon sterbenskrank, dann richtig. Das scheint selbst Nina Hoss kaum auszuhalten. Beide spielen professionell – etwas verbissen vielleicht.

    Im Grunde ist das Subgenre des Krankheits- und Sterbedramas nichts, das ich auf meine Watchlist setze. Gereizt hat mich aber daran dieses geschwisterliche Teamwork, diese aufopfernde Nähe zum anderen, dieses völlig unzweifelhafte Vertrauen in eine andere Person. Stéphanie Chuat und Véronique Raymond verleihen diesem sonst eher ächzenden Drama durch ihr Psychogramm einer geschwisterlichen Liebe und dessen literarischer Interpretation etwas mehr an Substanz. Denn nur einen Künstler beim langsamen Sterben zuzusehen, wäre zu wenig. Oder einfach nur die dankbare Basis für einen obsessiven darstellerischen Kraftakt, bei dem es weniger um das emotionale Dilemma mit der Krankheit geht als um den, der dieses darstellt.
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    Kino:
    Anonymer User
    4,0
    Veröffentlicht am 13. April 2021
    Lars Eidinger und Nina Hoss erstmals gemeinsam vor der Kamera

    Nina Hoss ist zurück, SCHWESTERLEIN ist einer ihrer drei Filme aus jüngster Zeit. Es ist der zweite Langspielfilm von Stéphanie Chuat und Véronique Reymond, und sie haben eine klare Entscheidung getroffen: Wir begleiten Lisa auf einer besonderen Reise, es ist nicht ihre eigene, sondern die ihres Zwillingsbruders Sven.

    Sven (Lars Eidinger) ahnt, dass er nicht mehr lange zu leben hat. Eine Knochenmarktransplantation hat er nicht vertragen, nach einem erneuten Zusammenbruch liegt er nun wieder im Krankenhaus und hat große Schmerzen. Die Tränen fließen ihm aus den Augen wie bei einem kleinen, entsetzlich verzweifelten Kind. Man sieht und hört, wie er leidet, unter den Schmerzen, aber vor allem auch unter seiner Angst. Wie Lars Eidinger das in SCHWESTERLEIN spielt, bekommt man als Zuseher eine Ahnung davon, wie das irgendwann sein mag: sterben zu müssen.

    Die Zwillinge sind einander nahe, und Lisa kümmert sich um ihn. Dass Lisa (Nina Hoss) ihren Bruder genau so braucht, auch davon handelt der Film. Für diese Verbundenheit haben die Filmemacher einen bildhaften Ausdruck gefunden: Manchmal knipst Sven abends an seinem Bett die Nachttischlampe an und aus, und diese Morsezeichen kann seine Schwester zuverlässig interpretieren. Oft genügen den beiden wenige Worte, um zu wissen, was der andere gerade braucht.

    Der Blick des Films geht aber weit über die beiden Protagonisten hinaus: Nicht nur die Mutter und Ninas Familie, Mann und Kinder, rücken ins Bild, sondern auch die Theaterpräsenz von Sven und Lisa, von Lars und Nina: Im Film arbeitet Sven, wie früher auch Lisa, an der Berliner Schaubühne – genau wie ihre Darsteller Nina Hoss und Lars Eidinger. Thomas Ostermeier spielt den Regisseur David, unter dem Eidinger – im Film wie in Wirklichkeit – den Hamlet spielt: Der Zuseher wird in eine Betrachtung über die Schauspielkunst und ihre Bedeutung für die Künstler mit einbezogen.

    Bei dieser Geschwistererzählung kommt manches zu kurz, bei Ninas Familie werden die Konflikte in dieser Ausnahmezeit des nahenden Todes angedeutet, nicht ausgespielt. Und das ist gut so, der Blick der talentierten Filmemacher richtet sich wie ein Brennglas auf Sven und Lisa, auf das große Kammerspiel zweier außerordentlicher Theater- und Leinwandkünstler - sind sie nicht Geschwister, immer schon?
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