GESEGNET SIND DIE SÜNDER
von Michael Grünwald / filmgenuss.com
Zumindest wir hier in Österreich kennen den kultigen Dialektsong Rostige Flügel vielleicht sogar auswendig. Darin singt der Ex-Cordoba-Maestro Hans Krankl leicht heiser von einem egozentrischen Krösus, der auf Erden keine Versuchung ausgelassen hat, im Himmel aber maximal die Holzklasse bekommt. Rostige Flügel, aus zweiter Hand. Und auch keinen Heiligenschein. Der serbische Flüchtling Stojan hätte wohl eher Verwendung dafür, denn der ist ein herzensguter Familienvater irgendwo in einem vergammelten Viertel am Rande der Stadt, der eines Tages, beim Einschrauben einer Glühbirne, mit dem Strom auf Tuchfühlung geht. Normalerweise erholt man sich davon. Auch Stojan. Nur der trägt jetzt eine Art Halogen-Heiligenschein über dem Kopf, was in der Nachbarschaft für Befremdung sorgt – und ganz besonders bei Göttergattin Nada, die ihren Ruf gefährdet sieht und den unbescholtenen Ehemann dazu anstiftet, doch alle sieben Sünden zu begehen, denn dann wäre ihm die Gunst Gottes wohl nicht mehr sicher.
Klingt lustig. Klingt nach Situationskomik, als wäre Louis De Funes unterwegs, wie seinerzeit in Der Querkopf. Ist es aber nicht. Und auch der Trailer führt in die Irre. Will heißen: Der Schein trügt in jeder Hinsicht. Und wer sich gerne vergnügen möchte ob so skurriler Begebenheiten zwischen Himmel und Erde, der wird letztlich schwer schlucken müssen. Was man vielleicht auch nicht weiß: Regisseur Srdjan Dragojevic (u. a. Parada) hat einen Episodenfilm inszeniert, dessen Kapitel sehr eng miteinander verknüpft sind und stets die Perspektive wechselt, aber summa summarum eine einzige epische Geschichte über mehrere Jahrzehnte erzählt, die genauso gut Emir Kusturica hätte inszenieren können. Angesichts der surrealen Begebenheiten passt das dann auch ziemlich gut in dessen Konzept, nur die leichte Verschrobenheit von Kusturicas zumindest letzten Filmen fehlt bei Dragojevic allerdings gänzlich. Hier ist der Fingerzeig Gottes das unangenehme Kitzeln unter der Achsel, der Kieselstein im Schuh, das Trietzen des Menschen mit augenscheinlichen Wundern, die so plötzlich vom Himmel fallen, dass kein Erdenbürger damit klarkommen kann. Am wenigsten die Kirche.
Egal, ob das Geschenk der Heiligkeit, eine zweite Chance oder das Lösen des größten Problems auf Erden auf dem Plan stehen: Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach. Kennen wir doch – also zumindest kennen es jene, die ab und zu mal in den Gottesdienst gegangen sind. Sprich nur ein Wort, und so wird meine Seele gesund. Alles schön und gut, doch der Heiland stammelt hier in Rätseln. Orientierungslos pflügt der Mensch in dieser bitterbösen Groteske sodann durch den Sündenpfuhl, um seine Erleuchtung loszuwerden. Lieber im Dunkeln, statt im Licht. Entsprechend düster sind diese Episoden auch geworden, entsprechend heftig fallen da auch einige Szenen aus, die bigotter Bequemlichkeit ans Bein pinkeln wollen. Manchmal rutscht Dragojevic zu sehr ins Grobe, auf zu hemdsärmelige Weise bemüht er die eine oder andere Metapher, als würde er den Motor eines Autos reparieren. Da fehlt dann der Feinschliff, der zumindest später noch – und vor allem in der meisterlichen letzten Episode – die Chance hat, mit etwas mehr Geistesblitz auf pointierte Satire zu machen. Wer Also Filme wie The Square oder Bad Luck Banking or Loony Porn – die neue Art der gesellschaftskritischen Avantgarde – zu schätzen weiß, wird sich auch hier, in seiner polemischen Kritik über die Welt, verstanden wissen.
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